Nach Kontrollen von Ukraine-Flüchtlingen: Rassismusvorwurf gegen Polizei

Hat die Bundespolizei Nicht-Weißen Flüchtlingen aus der Ukraine die Weiterreise verwehrt? Hel­fe­r*in­nen behaupten das. Die Polizei widerspricht.

Menschen mit Koffern und Taschen kommen am Berliner Hauptbahnhof an

Geflüchtete aus der Ukraine kommen am Berliner Hauptbahnhof an, 3. März 2022 Foto: Jochen Eckel/imago

BERLIN taz | Nachdem die Bundespolizei in Frankfurt (Oder) mehrere Menschen aus Zügen geholt hat, in denen hauptsächlich Flüchtlinge aus der Ukraine saßen, werfen Hel­fe­r*in­nen ihnen Rassismus vor. Es handle sich vor allem um BIPoC, Nicht-Weiße Menschen, die die Bundespolizei am Grenzbahnhof an der Weiterreise hindere. Die Bundespolizei widerspricht: Sie wolle lediglich wissen, wer ins Land komme und „Trittbrettfahrer“ ausfindig machen.

Wie ein Polizeisprecher der taz erklärt, seien mit „Trittbrettfahrer“ Menschen gemeint, die die aktuelle Situation nutzen, um nach Deutschland zu kommen, obwohl sie dazu nicht berechtigt sind. In solchen Fällen „unerlaubter Grenzübertritte“ bestehe der Verdacht einer Straftat, dem die Bundespolizei nachgehen müsse.

Dafür gehe die Polizei durch die voll besetzten Züge und kontrolliere Papiere. Weiterfahren dürfe, wer der Polizei glaubhaft mache, aus der Ukraine zu kommen – mit oder ohne ukrainischen Pass. Belege, in der Ukraine gearbeitet oder studiert zu haben, genügten auch. Wer es nicht im Zug nachweisen könne, müsse zur weiteren Prüfung aussteigen.

Wie viele Personen bisher ihren Zug verlassen mussten, konnte der Polizeisprecher nicht sagen. Aber die Zahl liege im dreistelligen Bereich, „und ja, die meisten kommen aus Afrika“. Aber die Bundespolizei kontrolliere nicht nach Aussehen, „den Vorwurf des Rassismus weisen wir entschieden zurück.“

Nur Schwarze Personen kontrolliert

Für freiwillige Hel­fe­r*in­nen im Berliner Bahnhof stellte sich das anders dar. Sie warteten auch am Mittwochabend auf einen Zug aus Warschau, in dem mehrere Hundert Geflüchtete aus der Ukraine saßen.

Der Zug verspätete sich um mehr als eine Stunde. In Videos, die auf verschiedenen Online-Plattformen kursieren, sieht man eine Helfende mit Megafon, wie sie eine Traube anderer Hel­fe­r*in­nen in Warnwesten darüber informiert, weshalb der Zug zu spät sei: Die Bundespolizei ziehe in Frankfurt (Oder) gezielt Schwarze Menschen aus dem Zug.

Entgegen der Darstellung der Bundespolizei berichten Helfer*innen, dass zwar BIPoC mit dem Zug in Berlin ankamen, aber die Polizei habe in den Zügen nur Schwarze Personen kontrolliert. Die taz konnte dazu bisher nicht direkt mit Au­gen­zeu­g*­in­nen sprechen.

Wiederholt Berichte von rassistischen Vorfällen

Es wäre nicht der erste Fall von Racial Profiling – dabei sind Polizeikontrollen nur aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe verboten. Erst im Januar hatte das Verwaltungsgericht Dresden die gewaltsame Kontrolle eines Mannes aus Guinea in Chemnitz durch die Bundespolizei für rechtswidrig erklärt. Auch die Berliner Polizei gab im vergangenen Jahr Racial Profiling zu und entschuldigte sich.

Der aktuelle Fall aus Frankfurt (Oder) lasse sich mit diesen Beispielen aber nicht vergleichen, so der Polizeisprecher, da es in diesem Fall um Grenzübertritte gehe. Es treffe aber zu, dass nicht alle Personen in den Zügen kontrolliert würden, dafür seien die Züge zu voll. Das Aussehen spiele keine Rolle, stattdessen würden nur bestimmte Zugteile kontrolliert. Pkws kämen ohne Kontrolle über die polnische Grenze.

Insgesamt rund eine Million Menschen sind bisher vor dem Krieg in der Ukraine aus dem Land geflohen. Medien berichteten immer wieder von rassistischen Vorfällen auf der Flucht. Die New York Times oder die BBC erzählen von Nicht-Weißen, die aus Zügen gedrängt oder vom ukrainischen Grenzschutz abgewiesen wurden. Laut der britischen Tageszeitung Guardian kam es in Polen zu Angriffen von Anwohnern auf Schwarze Flüchtlinge aus der Ukraine.

Der Bundesverband Netzwerke von Mi­gran­t*in­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen ruft dazu auf, alle Geflüchteten gleich zu behandeln. Explizit auch Menschen ohne ukrainischen Pass bräuchten Hilfe. Das betreffe Transitflüchtlinge und Menschen aus anderen Nationen, die sich in der Ukraine aufhalten. „Die Berichte von Zurückweisungen und Rassismuserfahrungen von BIPoC an der ukrainisch-polnischen Grenze sind erschütternd.“

EU-Schutz auch für Menschen aus Drittstaaten

Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, erhalten alle Geflüchteten aus der Ukraine „vorübergehenden Schutz in der EU für ein Jahr, der verlängerbar ist auf bis zu drei Jahre“ und müssen kein reguläres Asylverfahren durchlaufen. Das gelte auch für Menschen aus Drittstaaten, die in der Ukraine mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus gelebt haben. Die Umsetzung laufe schnellstens an.

Laut Angaben der Bundespolizei seien etwa 7.500 Ukrai­ne­r*in­nen nach Deutschland eingereist – wobei die genaue Zahl nicht genannt werden kann, da ukrainische Staats­bür­ge­r*in­nen ohne Visum für 90 Tage in die EU einreisen dürfen. Viele fahren vermutlich direkt zu Verwandten oder Bekannten, ohne sich bei den Behörden zu melden.

Die meisten Menschen flüchten derzeit ins Nachbarland Polen. Manche reisen von dort aus mit Zügen weiter nach Deutschland. In den Bahnen brauchen sie keine Fahrkarte, wenn sie einen ukrainischen Pass oder ein entsprechendes Ausweisdokument vorweisen können. Wie die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) mitteilte, kamen mit Zügen aus Warschau bereits mehrere Tausend Menschen in der Hauptstadt an.

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