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Nach Aus der UN-MissionOrtskräfte aus Mali fordern Schutz

Aus Angst vor Terror richten sich Über­set­ze­r:in­nen mit einem Brief an die Bundesregierung. Diese will gelernt haben.

Die Bundeswehr sollte mit der Minusma-Mission der UN den Frieden in Mali wahren Foto: Jörg Böthling/imago

Berlin/Freiburg taz | Ak­ti­vis­t*in­nen fordern von der Bundesregierung Unterstützung für Ortskräfte in Mali. In einem Brief hatten fünf Über­set­ze­r*in­nen Deutschland angesichts des Truppenabzugs und der sich zusehends verschlechternden Sicherheitslage um Schutz gebeten. „Man hätte längst Lehren aus der katastrophalen Situation in Afghanistan ziehen können und müssen“, sagte Marcus Grotian vom Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte der taz. Was fehle, sei ein grundsätzliches Konzept für den Umgang mit einheimischen Angestellten.

Sie hätten Nachrichten gesehen, „in denen die Terroristen damit drohen, gegen all diejenigen vorzugehen, die für die nationalen und internationalen Streitkräfte gearbeitet haben“, zitiert der Spiegel aus dem Brief der Ortskräfte, die ihm Rahmen der UN-Mission Minusma für die Bundeswehr tätig waren. Dem Magazin zufolge beschäftigt Deutschland in Mali rund 400 einheimische Ortskräfte, etwa 60 davon Hel­fe­r*in­nen der Bundeswehr, von denen rund 20 als Dol­met­sche­r*in­nen tätig waren.

Explizit verweisen die Ver­fas­se­r*in­nen des Briefs auf den desaströsen Bundeswehrabzug aus Afghanistan – bis heute sitzen Tausende gefährdeter Ortskräfte in Afghanistan fest, obwohl die Bundesregierung ihnen Hilfe zugesagt hat.

Das sogenannte Ortskräfteverfahren hat die Bundesregierung schon 2013 für örtliche Mit­ar­bei­te­r*in­nen in Afghanistan eingerichtet. Danach müssen bedrohte Personen eine Gefährdungsanzeige stellen, die dann von dem für sie zuständigen deutschen Ministerium geprüft wird. Das Bundesinnenministerium kann dann eine Aufnahmezusage erteilen, mit der die gefährdete Ortskraft bei einer deutschen Botschaft ein Visum beantragen kann.

„Sich auf Deutschland verlassen können“

Das Ortskräfteverfahren ist nicht gesetzlich geregelt. Für die Aufnahmezusage durch das Innenministerium gibt es zwar eine Rechtsgrundlage in Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes. Es gibt aber keinen einklagbaren Anspruch, nach Deutschland geholt zu werden. Zwar argumentiert das Deutsche Institut für Menschenrechte, dass es eine staatliche Schutzpflicht für die afghanischen Ortskräfte gebe. Doch solche Schutzpflichten lassen der Bundesregierung viel Spielraum bei der Erfüllung. Sie darf nur nicht untätig bleiben oder völlig ungeeignete Maßnahmen ergreifen.

Vereinzelt haben afghanische Ortskräfte bereits bei deutschen Verwaltungsgerichten geklagt. So vertritt der Anwalt Matthias Lehnert im Auftrag von Pro Asyl sechs Afghanen, die in einem Polizeiprojekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet haben. Doch seine im Frühjahr gestellten Eilanträge wurden vom Verwaltungsgericht Berlin bereits abgelehnt. Im September wird es eine mündliche Verhandlung in der Hauptsache geben.

„Das Ortskräfteverfahren gibt es nur für Afghanistan, und nicht mal da funktioniert es“, kritisiert Grotian. Für andere Krisenregionen gebe es aber überhaupt keinen Plan. Derweil bekennt sich der Vorsitzende des Afghanistan-Untersuchungsausschusses im Bundestag in Bezug auf den Einsatz in Mali zur deutschen Verantwortung gegenüber den lokalen Mitarbeiter*innen. „Wer für uns arbeitet, sollte sich auch auf Deutschland verlassen können“, sagte SPD-Politiker Ralf Stegner der taz.

Der Hilferuf der malischen Bundeswehr-Ortskräfte habe ihn auch erreicht. „Richtig ist sicher, dass man dem nachgeht und dass man das mit Sensibilität betrachtet“, so Stegner. „Aus der Lage in Afghanistan zu lernen heißt, humanitäre Spielräume, die man hat, zu nutzen, um der Verantwortung gerecht zu werden.“

Die Organisation Mission Lifeline wirft der Bundesregierung jedoch vor, genau diese Spielräume immer weiter zu verengen. „Da haben sie aus Afghanistan gelernt und die Verträge im Vorhinein noch ungünstiger gestaltet“, sagte der Vorsitzende Axel Steier. So seien Reinigungspersonal und andere Mitarbeiter der Bundeswehr in Sub-Firmen ausgegliedert und könnten dadurch ihre Position gegenüber der Bundesregierung nur schwer durchsetzen.

Bis Redaktionsschluss antwortete das Bundesinnenministerium (BMI) auf taz-Anfrage zum geplanten Umgang mit den Ortskräften in Mali nicht, das Auswärtige Amt verwies auf die Zuständigeit des BMI. Dem Spiegel zufolge bemühen sich aber die beteiligten Ressorts um eine „bessere interne Abstimmung“, als es in Afghanistan der Fall war. Die Ampel erwäge mehrere Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen – von Lohnfortzahlung über Hilfe beim Umzug bis hin zu einer Aufnahme in Deutschland.

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3 Kommentare

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  • Was lernen wir daraus?



    Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr, dann gibt es auch keine Diskussion mehr über deren rekrutiertes Personal.

  • Bei den Ortskräften wird "geprüft", ob ihre Gefährdung über die übliche Gefährdung hinaus geht und ob ihre Gefährdung ausschließlich auf ihre Tätigkeit als Ortskräften zurück zu führen ist. Dann kommt die Ablehnung. Alles schön vom Beamtenschreibtisch aus. - Arbeite nicht für Deutschland, wenn Dir Dein Leben und das Deiner Familie wichtig ist.

  • Ach was!



    Jeder vernünftige Kombatant, der sich für "Ideen" einspannen lässt, lernt, er darf das nur tun, will er überleben, wenn seine Familie vor dem Ende des Scheiterns ausgeflogen wird (bezahlt und zugesagt und nicht mit den Flugzeugen des Außenamts) und er einen deutschen Pass bekommt / erhält mit Visum. Auf feministische Ausredenpolitik und Schaumschlägereien sollte sich niemand einlassen und diese Ansagen sollten auch alle mitgeben, die dort Menschen für ihren Job einsetzen. Auch die Medien und NGOs!