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Nach Angriffen in BudapestAutonome in Nürnberg festgenommen

Ungarische und deutsche Behörden suchen seit Monaten nach Autonomen – nun nahmen sie eine 29-Jährige fest. Die linke Szene reagiert mit Demo.

Sieben Stunden soll die Durchsuchung von Hanna S. in Nürnberg gedauert haben Foto: Moritz Schlenk/imago

Berlin taz | Seit Monaten fahnden ungarische und deutsche Behörden nach Autonomen, die im Februar am Rande des rechtsextremen „Tag der Ehre“ in Budapest dortige Teilnehmer angegriffen haben sollen. Am Montag nun erfolgte die Festnahme einer Gesuchten, Hanna S., in Nürnberg – im Auftrag der Bundesanwaltschaft.

Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte der taz die Festnahme. Der 29-Jährigen werden die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und zwei gefährliche Körperverletzungen in Budapest am 10. und 11. Februar 2023 vorgeworfen. Diese soll sie zusammen mit anderen begangen haben. Damals waren mehrere Rechtsextreme von Vermummten attackiert und teils mit Schlagwerkzeugen schwer verletzt worden. Noch am Montagabend wurde Hanna S. einem Ermittlungsrichter in Karlsruhe vorgeführt.

Bereits vor Ort in Budapest hatte die ungarische Polizei im Februar 2023 zwei Berliner Linke und eine Italienerin festgenommen. Nach zehn weiteren deutschen Autonomen wurde öffentlich gefahndet. Hanna S. gehörte nicht dazu – sie wurde erst später im Laufe der Ermittlungen identifiziert.

Spontandemo mit Böller

In Nürnberg kam es noch am Montagabend zu einer spontanen Solidaritätsdemonstration von Linken im Stadtteil Gostenhof. Laut Polizei beteiligten sich bis zu 250 Personen an dem Aufzug, es seien mehrfach Böller gezündet worden. Un­ter­stüt­ze­r*in­nen von Hanna S. beklagten eine „Kriminalisierung“ der Antifa-Szene, die Durchsuchung von Hanna S. habe sieben Stunden gedauert. Man werde sich aber „nicht einschüchtern“ lassen.

Der „Marsch der Ehre“ in Budapest ist ein alljährlicher Großaufmarsch von Rechtsextremen mit europäischer Beteiligung. Bereits im Dezember war eine gesuchte Person in Berlin festgenommen worden, Maja T., der ebenfalls eine Beteiligung an den Budapest-Angriffen vorgeworfen wird. In dem Fall läuft vor dem Berliner Kammergericht derzeit ein Verfahren, ob es zu einer Auslieferung nach Ungarn kommt. Eine Entscheidung soll in den nächsten Wochen fallen.

Nach mindestens neun weiteren deutschen Autonomen wird weiterhin gefahndet, die Ermittlungen hat inzwischen die Bundesanwaltschaft übernommen. Einige der Gesuchten erklärten über ihre Anwält*innen, dass sie bereit seien, sich zu stellen – wenn sie im Gegenzug nicht nach Ungarn ausgeliefert würden. Die Bundesanwaltschaft soll auf diese Offerte bisher nicht eingegangen sein.

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19 Kommentare

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  • "Man mag von Rechtsextremen halten was man will (sehr wenig), aber die Verfolgung von schwerer Körperverletzung ist keine Kriminalisierung; diese fand bereits während des Angriffs statt."

    Man sollte aber auch die Verhältnismäßigkeit beachten. Es gab zwei bis drei eher leicht verletzte Rechtsextreme, dafür sitzen nun schon über fast ein Jahr mehrere mutmaßliche Täter unter folterähnlichen Bedingungen in ungarischen Gefängnissen, selbst die rechtsextreme italienische Regierungschefin protestiert entrüstet, in Deutschland aber möchte man weiterhin möglichst alle Autonome in diesen Unrechtstaat ausliefern. Diese Vehemenz ist beachtlich, während man überführte und geständige Rechtsextreme, die Politiker krankenhausreif schlagen, nicht mal für einen Tag in Untersuchungshaft nimmt.

  • Denn natürlich soll der Nazi ungehindert marschieren dürfen...



    Unsere Juristen werden schon dafür sorgen!

    • @amigo:

      Deutsche Juristen ermöglichen es Nazis, in Ungarn zu marschieren?

      • @THu:

        Deutsche Juristen sollten nicht an ein Land ausliefern, an dessen Rechtsstaatlichkeit ernsthafte Zweifel bestehen.

        Tatsächlich geht es um Menschen, die in ein tatsächliches Gefängnis kommen.

        Nicht darum, Punkte auf seinem asozial-media Account zu sammeln. Auf dem man simuliert ein praktisch solidarischer Mensch mit moralischen Richtigkeiten zu sein.



        Ist man ja gar nicht. Man ist ja gar nicht Wirklichkeitstauglich.

  • Ich wünsche den Beschuldigten und Verfolgten viel Kraft.

    • @NurFürDieKommentareHier:

      Spenden Sie lieber für einen Rechtsbeistand der Beschuldigten, der deren Interessen im Auge behält. Für die Resozialisierung in die Demokratie wünsche ich auch die nötige Kraft. Vielleicht können wir schon bald zusammen andere Menschen davon überzeugen, dass jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit unser Leben ruiniert.

      • @THu:

        Sie meinen also, jemand der sich gegen die alljährlichen Festivitäten der SS- und Faschismusfans in Budapest wendet, sei kein Demokrat. Weil ja das ungestörte durchführen von SS- und Faschismus-Feier-Festivitäten eine demokratisches Grundrecht ist?

        Mich erinnert das an dieses Goebbels-Zitat. In dem er sich hämisch darüber lustig macht, wie man Demokraten mit den eigenen, völlig unhinterfragten Selbstgewissheiten schlägt.



        In Budapest findet ja alljährlich eine der wichtigsten Vernetzungsmessen, plus öffentlichem Festumzug für Freunde, Unterstützer und Organisatoren der militanten Rechten und des Faschimsu statt.

  • "Der 29-Jährigen werden die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und zwei gefährliche Körperverletzungen in Budapest am 10. und 11. Februar 2023 vorgeworfen. (...) In Nürnberg kam es noch am Montagabend zu einer spontanen Solidaritätsdemonstration von Linken im Stadtteil Gostenhof. Laut Polizei beteiligten sich bis zu 250 Personen an dem Aufzug, es seien mehrfach Böller gezündet worden. Un­ter­stüt­ze­r*in­nen von Hanna S. beklagten eine „Kriminalisierung“ der Antifa-Szene"



    Man mag von Rechtsextremen halten was man will (sehr wenig), aber die Verfolgung von schwerer Körperverletzung ist keine Kriminalisierung; diese fand bereits während des Angriffs statt.



    Und diese Solidarisierungs-Demo... wer will denn nun wirklich in die 1930er Jahre zurück, in denen Schlägertrupps die Straßen unsicher machten?

    • @Encantado:

      Es ist gut und wichtig zu wissen, dass auf Sie kein Verlass ist, werden Menschen beschuldigt Faschisten angegriffen zu haben und sollen sie zu diesem Zweck an einen Staat ausgeliefert werden, die alljährlich den Aufzug von Faschisten, SS-Fans etc. zulassen.

      Es macht ja keinerlei Sinn sich Illusionen zu machen,

      • @Elise Hampel:

        "Es ist gut und wichtig zu wissen, dass auf Sie kein Verlass ist..."



        Stimmt. Menschen, die zu körperlicher Gewalt greifen, haben bei mir nur mit eingeschränkter Solidarität zu rechnen.



        Menschen, die Gewalt gutheißen und propagieren, übrigens auch.

      • @Elise Hampel:

        Auf mich wäre auch kein Verlass. Ich glaube daran, dass Solidarität mächtiger ist, als Angriff.

        • @THu:

          Ja der Glauben ist dem Menschen sein Himmelreich.



          Ausserhalb von dem Glauben werden in der Realität Menschen, die beschuldigt werden, nicht verurteilt sind, Faschisten angegriffen zu haben, an einen Staat ausgeliefert, der alljährlich (internationalen) Faschisten zum Aufmarsch Gelegenheit gibt. Zudem ein Staat, eine Regierung, ein Rechtssystem ist, an dessen demokratisch-rechtsstaatlicher Alltagspraxis fundiert-berechtigte Zweifel bestehen.

          Aber schön das Sie ein guter Mensch im guten Glauben sind.

          Die Gewalt des Faschismus findet trotzdem statt. Ganz wirklich richtig. Nicht bloss in der Welt der geliehenen Identitäten, in der man nur möglichst widerspruchsfrei behauptet im Richtigen, der Richtige und richtig zu sein.

          Die Einsamkeit marschiert. Im Glauben Solidarität sei nicht bereits schon angegriffen und in solchem Glauben vielfach besiegt.

          • @Elise Hampel:

            "...werden in der Realität Menschen, die beschuldigt werden, nicht verurteilt sind, Faschisten angegriffen zu haben..."



            Ich kann das nicht ganz zuordnen... gehen Sie davon aus, dass die Beschuldigten diesen Angriff nicht begangen haben, oder finden Sie einen solchen nicht verfolgungs- oder strafwürdig?

    • @Encantado:

      Diesem Kommentar stimme ich vorbehaltlos zu!

  • "Die Bundesanwaltschaft soll auf diese Offerte bisher nicht eingegangen sein."

    Da sieht mensch wieder, wie die Affinitäten verlaufen.

    • @tomás zerolo:

      Wenn die (vermeintlichen) Täter nicht nach Ungarn ausgeliefert werden, müsste in Deutschland Anklage erhoben werden.

      Die Bundesanwaltschaft wird auf diese Offerte nur eingehen, wenn die Personen dann aber auch Geständnisse abliefern.

      Ansonsten ist dieser angebotene Deal nur für die Verdächtigen attraktiv.

      • @gyakusou:

        Ich fürchte fast, die Beschuldigten haben unterwegs verlernt, strategisch zu denken. Der Tatvorwurf offenbart zumindest, dass man zu drastischen Dingen bereit ist, die kaum etwas bewirken werden. Ich hab noch nie einen Nazi getroffen, der durch eine Tracht Prügel seine menschenverachtenden Einstellung aufgegebenen hätte.



        -



        Die Beschuldigten sollten begreifen, dass SIE selbst es der Justiz möglichst leicht machen sollten, das Auslieferungsersuchen von Ungarn abzulehnen.

  • Die richtige "Haltung" entschuldigt nicht alles.

    Gleichzeitig sind in Deutschland tausendmal mehr Menschen durch Autos als durch Autonome gestorben oder schwer verletzt worden, wie leicht nachzurechnen ist. Für den Hinterkopf angemerkt.

    • @Janix:

      Und noch mehr sind an Altersschwäche gestorben.