Nach 40 Tagen Protest in Haft: Maja T. beendet Hungerstreik in Ungarn
Nach 40 Tagen beendet Maja T. in Ungarn den Hungerstreik. Der Gesundheitszustand hatte sich stark verschlechtert. Hoffnung richtet sich auf Außenminister Wadephul.

Grund für den Abbruch des Hungerstreiks sei der zuletzt deutlich verschlechterte Gesundheitszustands gewesen und die Sorge vor dauerhaften Gesundheitsschäden, so Jarosch. Zudem gebe es die Hoffnung, dass Außenminister Johann Wadephul (CDU) mit der angekündigten Reise von Vertretern seines Ministeriums diese Woche nach Ungarn tatsächlich zumindest ein Ende der Isolationshaft von Maja T. in Ungarn erreiche. „Wir hoffen, dass nun endlich ernsthaft etwas passiert“, so Jarosch zur taz. „Nach der rechtswidrigen Auslieferung von Maja nach Ungarn wäre das Auswärtige Amt moralisch dazu verpflichtet.“
Maja T. werden schwere Angriffe auf Rechtsextreme in Budapest im Februar 2023 vorgeworfen, am Rande des europaweiten Szeneaufmarschs „Tag der Ehre“. Im Dezember 2023 war T. in Berlin festgenommen worden. Ein halbes Jahr später erfolgte dann die Auslieferung nach Ungarn – rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht später feststellte. Seitdem befindet sich Maja T. in Ungarn in Isolationshaft, in einem laufenden Prozess in Budapest drohen bis zu 24 Jahre Haft. Anfang Juni war Maja T. deshalb in den Hungerstreik getreten, um bessere Haftbedingungen, einen fairen Prozess und eine Rücküberstellung nach Deutschland zu erreichen.
Zwangsernährung drohte
Wegen des verschlechterten Gesundheitszustands war Maja T. zuletzt in ein Haftkrankenhaus an die ungarisch-rumänische Grenze verlegt worden, auch dort in Isolation. Vater Wolfram Jarosch hatte Maja T. dort am Wochenende erstmals besuchen können und danach der taz berichtet, dass es Maja „nicht gut“ gehe. „Maja ist stark abgemagert, die Wangen eingefallen, man sieht deutlich den Gewichtsverlust.“ 14 Kilogramm Körpergewicht habe Maja T. inzwischen verloren, Leber und Niere seien angegriffen, die Blutwerte zu niedrig.
Auch sei die Herzfrequenz zeitweise auf 30 Schläge pro Minute gesunken, es habe ein Herzstillstand gedroht, so Jarosch. Ungarische Ärzte hätten zuletzt in Aussicht gestellt, Maja T. einen Herzschrittmacher einzusetzen oder eine Zwangsernährung zu veranlassen.
Auch Sven Richwin, der Anwalt von Maja T., sagte der taz, dass der Zustand von Maja „in den letzten Tagen immer besorgniserregender“ wurde. „Maja hat das vielleicht letzte Zeitfenster genutzt, in dem noch eine selbstbestimmte Entscheidung möglich war und hat sich für das Leben entschieden – auch um den Kampf um menschenwürdige Haftbedingungen und ein rechtsstaatliches Verfahren selbst mitbestimmen zu können.“ Richwin sagte, er sei „gerade sehr erleichtert und beeindruckt von Majas Entschlossenheit der letzten Wochen“.
Auch der Weg aus einem Hungerstreik berge allerdings noch medizinische Risiken, betonten Richwin und Vater Wolfram Jarosch. Maja T. müsse nun langsam wieder anfangen, Nahrung zu sich zu nehmen, um die potenziell lebensbedrohlichen Symptome des Refeeding-Syndroms zu vermeiden.
Delegation des Außenministeriums reist nach Ungarn
Bessere Haftbedingungen für Maja T. und eine Rücküberstellung nach Deutschland hatten zuletzt auch Vertreter*innen der Linken, Grünen und schließlich auch der SPD gefordert. Bereits vergangene Woche hatte die taz berichtet, dass eine Delegation des Auswärtigen Amts diese Woche nach Ungarn reisen wird, um dort den Fall Maja T. anzusprechen. Am Samstag bestätigte dies auch Außenminister Johann Wadephul (CDU) öffentlich. Man werde mit der ungarischen Regierung reden, „um für Maja T. zunächst Verbesserungen in der Haftsituation zu erreichen“. Wadephul betonte aber auch, dass Ungarn ein Interesse an eigener Strafverfolgung bekräftigt habe und dass es um „schwerste Vorwürfe“ gehe, die auch in Deutschland zu einem Strafverfahren führen würden.
Vater Wolfram Jarosch forderte in der taz vom Auswärtigen Amt, bei der Ungarn-Reise eine konkrete Verbesserung der Lage für sein Kind zu erreichen. „Das Auswärtige Amt darf nicht mit leeren Händen aus Ungarn zurückkommen.“ Die Bundesregierung müsse „endlich handeln“ und „Maja nach Deutschland zurückholen – oder zumindest für ein Ende der Isolationshaft in Ungarn sorgen“.
Noch sei unklar, wer genau nach Ungarn reise und was genau verhandelt werde, so Jarosch. „Ich hoffe aber sehr, dass endlich etwas Konkretes passiert. Dass endlich der Rechtsverstoß, der für Maja über ein Jahr andauert, beendet wird.“ Maja brauche ein Ende der Isolationshaft und mindestens eine Verlegung in ein Hausarrest in Ungarn.
Der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan forderte am Montag ebenso eine „umgehende“ Rücküberstellung von Maja T. nach Deutschland. „Die lauwarmen Worte des Auswärtigen Amtes reichen nicht. Maja T. muss schnellstmöglich Gerechtigkeit widerfahren. Und das heißt, dass die rechtswidrige Auslieferung rückgängig gemacht wird.“ Es bleibe „unerklärlich“, dass Außenminister Wadephul in dem Fall bislang kaum aktiv geworden sei, um das bestehende Unrecht zu korrigieren.
Weitere Anklagen in Deutschland
Maja T. soll zu einer Gruppe militanter Antifaschist*innen gehören, die zuletzt in Sachsen und Thüringen lebten. Erst jüngst hatte die Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage gegen sechs weitere Linke erhoben, denen ebenso die Angriffe in Budapest vorgeworfen werden und die zwei Jahre abgetaucht waren. Weitere Linke müssen sich demnächst in einem anderen Verfahren vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten, ebenfalls wegen dieser und weiterer Attacken. Gegen eine weitere Budapest-Beschuldigte, Hanna S., läuft bereits seit Februar in München ein Prozess.
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