Nabu-Broschüre für Vogelschutzglas: Trotz Unwirksamkeit empfohlen
Der Nabu empfiehlt UV-beschichtete Glasscheiben gegen Vogelschlag – trotz Bedenken von Experten. Mit dem Hersteller besteht eine Kooperation.
Und das Unternehmen hat einen Partner, der den Aussagen Glaubwürdigkeit verleiht: Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der zuvor lange Deutscher Bund für Vogelschutz hieß, empfiehlt das UV-Glas ausdrücklich. „Mit Ornilux ist ein Glasprodukt am Markt verfügbar, das für bestimmte Situationen Tausende Vögel vor dem Tod an Glasflächen bewahren kann“, heißt es in der Nabu-Broschüre „Glasflächen und Vogelschutz“. „Die Wirksamkeit des Vogelschutzglases wurde vom Max-Planck-Institut für Ornithologie geprüft und bestätigt.“ Der Vogelschlag werde durch das Spezialglas „um bis zu 76 Prozent“ reduziert, behauptet der Nabu in seiner Broschüre.
Für praktisch alle anderen Vogelexperten ist die Wirksamkeit des UV-beschichteten Glases dagegen zweifelhaft oder bereits widerlegt. „Ich kann die Empfehlung für dieses Glas nicht nachvollziehen“, sagt etwa Heiko Haupt, der beim Bundesamt für Naturschutz arbeitet und die vorliegenden Tests zum sogenannten Vogelschutzglas analysiert hat. Er kritisiert vor allem, dass der Hersteller und der Nabu die Tests völlig falsch interpretiert haben.
Denn dabei wird geprüft, auf welche von zwei Scheiben Vögel zufliegen. Wenn, wie im besten Fall, 76 Prozent auf die normale Scheibe zufliegen und 24 Prozent auf die beschichtete, heißt das keineswegs, dass der Vogelschlag um 76 Prozent reduziert wird. Denn bei zwei völlig identischen Scheiben würde jede von 50 Prozent angeflogen – was nicht einer Wirksamkeit von 50 Prozent, sondern von 0 entspricht.
Tests vom Hersteller finanziert
Doch auch ansonsten hält Haupt die Tests, die komplett vom Hersteller finanziert wurden, für nicht aussagekräftig. Denn selbst eine geringe Wirksamkeit war nur in dem Fall gegeben, dass die Vögel die Landschaft durch das Glas hindurch sehen, was etwa bei Lärmschutzwänden der Fall ist. Bei Hausfassaden, für die die angebotenen Fenster vorrangig gedacht sind, ist aber vor allem die Spiegelung der Landschaft ein Problem – und dafür gebe es keine belastbaren Tests, so Haupt.
Der Umweltverband BUND schreibt denn auch auf seiner Webseite: „Die Anwendung von UV-reflektierenden Mustern ist nicht zu empfehlen.“ Das gleiche gilt übrigens für die weit verbreiteten Greifvogelsilhouetten. Sinnvoll seien allein sichtbare Markierungen wie Punkte oder Streifen.
Hans Schmid, Vogelwarte Sempach
Auch die Schweizerische Vogelwarte Sempach, die UV-Glas anfangs noch empfohlen hat, ist mittlerweile auf Distanz gegangen. „Es hat sich gezeigt, dass es kaum gelingen wird, einen wirksamen UV-Schutz hinzubekommen“, sagte Fachbereichsleiter Hans Schmid der taz. Früher hatte die Vogelwarte gemeinsam mit dem Nabu eine Broschüre zu vogelfreundlichem Bauen herausgegeben. Doch weil der Verband nicht bereit war, auf die Empfehlung für das UV-Glas zu verzichten, geht man inzwischen getrennte Wege. „Wir haben den Nabu auf die Unwirksamkeit hingewiesen, sind damit aber nicht durchgedrungen“, sagt Schmid. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass der Nabu die UV-Scheiben wider besseres Wissen empfiehlt.“
Eine Erklärung könnte sein, dass der Verband eine offizielle Lizenzvereinbarung mit dem Hersteller hat. Nach Nabu-Angaben zahlt Arnoldglas „einen unteren vierstelligen Betrag pro Jahr“ und darf dafür das Nabu-Logo verwenden.
Ups, ein Fehler
Inhaltlicher Einfluss werde aber nicht ausgeübt, sagt der Vogelschutzreferent des Nabu, Lars Lachmann. „Unsere bestehende Kooperation mit Arnoldglas beeinflusst uns in keiner Weise bei unserer Meinungsbildung und -darstellung zu diesem Thema.“ Dem Nabu sei bewusst, dass es deutlich bessere Möglichkeiten zur Verhinderung von Vogelschlag gebe als UV-beschichtetes Glas, sagt Lachmann. Der Verband finde die Bemühungen der Firma bei der Entwicklung vogelfreundlicher Glasarten dennoch unterstützenswert.
Dass der Nabu mit einer falschen Erfolgsrate für das Produkt wirbt, räumt Lachmann allerdings ein. „Hier liegt in der Tat ein Fehler vor.“ Nach der Anfrage der taz hat der Nabu die Broschüre darum aus seinem Online-Shop entfernt. Mehrere Landesverbände bieten sie allerdings weiterhin an, und auch online ist sie nach wie vor zu finden.
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