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Nabu-Broschüre für VogelschutzglasTrotz Unwirksamkeit empfohlen

Der Nabu empfiehlt UV-beschichtete Glasscheiben gegen Vogelschlag – trotz Bedenken von Experten. Mit dem Hersteller besteht eine Kooperation.

So sieht‘s aus Foto: imago/mm images

Berlin taz | Das Problem ist gewaltig: Etwa 240.000 Vögel sterben in Europa jeden Tag, weil sie gegen Fensterscheiben fliegen. Doch scheinbar gibt es eine perfekte Lösung: Sogenanntes Vogelschutzglas, in das ein Material eingearbeitet ist, das UV-Licht reflektiert. Für Menschen ist diese Markierung unsichtbar, doch Vögel können sie erkennen und meiden die Scheiben. Das behauptet zumindest der Hersteller Arnoldglas. Als „das erste Glas gegen Vogelschlag“ bewirbt er sein patentiertes „Ornilux“-Glas.

Und das Unternehmen hat einen Partner, der den Aussagen Glaubwürdigkeit verleiht: Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der zuvor lange Deutscher Bund für Vogelschutz hieß, empfiehlt das UV-Glas ausdrücklich. „Mit Ornilux ist ein Glasprodukt am Markt verfügbar, das für bestimmte Situationen Tausende Vögel vor dem Tod an Glasflächen bewahren kann“, heißt es in der Nabu-Broschüre „Glasflächen und Vogelschutz“. „Die Wirksamkeit des Vogelschutzglases wurde vom Max-Planck-Institut für Ornithologie geprüft und bestätigt.“ Der Vogelschlag werde durch das Spezialglas „um bis zu 76 Prozent“ reduziert, behauptet der Nabu in seiner Broschüre.

Für praktisch alle anderen Vogelexperten ist die Wirksamkeit des UV-beschichteten Glases dagegen zweifelhaft oder bereits widerlegt. „Ich kann die Empfehlung für dieses Glas nicht nachvollziehen“, sagt etwa Heiko Haupt, der beim Bundesamt für Naturschutz arbeitet und die vorliegenden Tests zum sogenannten Vogelschutzglas analysiert hat. Er kritisiert vor allem, dass der Hersteller und der Nabu die Tests völlig falsch interpretiert haben.

Denn dabei wird geprüft, auf welche von zwei Scheiben Vögel zufliegen. Wenn, wie im besten Fall, 76 Prozent auf die normale Scheibe zufliegen und 24 Prozent auf die beschichtete, heißt das keineswegs, dass der Vogelschlag um 76 Prozent reduziert wird. Denn bei zwei völlig identischen Scheiben würde jede von 50 Prozent angeflogen – was nicht einer Wirksamkeit von 50 Prozent, sondern von 0 entspricht.

Tests vom Hersteller finanziert

Doch auch ansonsten hält Haupt die Tests, die komplett vom Hersteller finanziert wurden, für nicht aussagekräftig. Denn selbst eine geringe Wirksamkeit war nur in dem Fall gegeben, dass die Vögel die Landschaft durch das Glas hindurch sehen, was etwa bei Lärmschutzwänden der Fall ist. Bei Hausfassaden, für die die angebotenen Fenster vorrangig gedacht sind, ist aber vor allem die Spiegelung der Landschaft ein Problem – und dafür gebe es keine belastbaren Tests, so Haupt.

Der Umweltverband BUND schreibt denn auch auf seiner Webseite: „Die Anwendung von UV-reflektierenden Mustern ist nicht zu empfehlen.“ Das gleiche gilt übrigens für die weit verbreiteten Greifvogelsilhouetten. Sinnvoll seien allein sichtbare Markierungen wie Punkte oder Streifen.

Wir haben den Nabu auf die Unwirksamkeit hingewiesen

Hans Schmid, Vogelwarte Sempach

Auch die Schweizerische Vogelwarte Sempach, die UV-Glas anfangs noch empfohlen hat, ist mittlerweile auf Distanz gegangen. „Es hat sich gezeigt, dass es kaum gelingen wird, einen wirksamen UV-Schutz hinzubekommen“, sagte Fachbereichsleiter Hans Schmid der taz. Früher hatte die Vogelwarte gemeinsam mit dem Nabu eine Broschüre zu vogelfreundlichem Bauen herausgegeben. Doch weil der Verband nicht bereit war, auf die Empfehlung für das UV-Glas zu verzichten, geht man inzwischen getrennte Wege. „Wir haben den Nabu auf die Unwirksamkeit hingewiesen, sind damit aber nicht durchgedrungen“, sagt Schmid. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass der Nabu die UV-Scheiben wider besseres Wissen empfiehlt.“

Eine Erklärung könnte sein, dass der Verband eine offizielle Lizenzvereinbarung mit dem Hersteller hat. Nach Nabu-Angaben zahlt Arnoldglas „einen unteren vierstelligen Betrag pro Jahr“ und darf dafür das Nabu-Logo verwenden.

Ups, ein Fehler

Inhaltlicher Einfluss werde aber nicht ausgeübt, sagt der Vogelschutzreferent des Nabu, Lars Lachmann. „Unsere bestehende Kooperation mit Arnoldglas beeinflusst uns in keiner Weise bei unserer Meinungsbildung und -darstellung zu diesem Thema.“ Dem Nabu sei bewusst, dass es deutlich bessere Möglichkeiten zur Verhinderung von Vogelschlag gebe als UV-beschichtetes Glas, sagt Lachmann. Der Verband finde die Bemühungen der Firma bei der Entwicklung vogelfreundlicher Glasarten dennoch unterstützenswert.

Dass der Nabu mit einer falschen Erfolgsrate für das Produkt wirbt, räumt Lachmann allerdings ein. „Hier liegt in der Tat ein Fehler vor.“ Nach der Anfrage der taz hat der Nabu die Broschüre darum aus seinem Online-Shop entfernt. Mehrere Landesverbände bieten sie allerdings weiterhin an, und auch online ist sie nach wie vor zu finden.

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6 Kommentare

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  • Leider glauben diesbezüglich viele dem Nabu, weil der "der Vogelschutzverein" ist. Das ist sehr schade. Gerade dem Nabu sollte eigentlich viel am wirklichen Vogelschutz liegen, doch weder vom Vertrag mit Arnold Glas lässt er sich abbringen, noch davon den "Birdpen" zu verkaufen. Dieser Stift, mit dem man UV-reflektierende Muster selbst auf eine Scheibe malen kann, ist noch unwirksamer. Es gibt einfach Vögel, die kein UV-Licht wahrnehmen können, daher können auch in Zukunft solche Produkte gegen Vogelschlag an Glas nicht empfohlen werden. Aktuelle Informationen zum Thema UV-Sehen bei Vögeln: http://www.vogelsicherheit-an-glas.de/vogelschlag_an_glas/loesungsmoeglichkeiten/das_hilft_nicht/uv_sehen_bei_voegeln/

    So werden Mythen im Internet verbreitet, die sich nur schwer wieder aus der Welt schaffen lassen.

  • „Es hat sich gezeigt, dass es kaum gelingen wird, einen wirksamen UV-Schutz hinzubekommen“

     

    Warum, wenn das Problem primär ist, dass die Scheiben nur UV-Licht absorbieren, das sie passiert, nicht aber solches, dass gespiegelt wird, dann sollte das ja prinzipiell technisch lösbar sein.

     

    Auch frage ich mich, ob schon mit verschiedenen Mustern experimentiert wurde anstatt mit durchgängiger Filterfolie. Wenn Muster im sichtbaren Bereich etwas bringen, gibt es ja vielleicht auch Patterns, die effektiver sind, wenn sie nur im UV-Bereich zu sehen sind.

  • ich erinnere mich da an alte Untersuchungen , wenn ich recht erinnere eines öffentlich rechtlichen Instituts. Ergebnis war, dass erleuchtete Fenster Vögel eher anlocken.

    Der beste Schutz waren übrigens dreckige ungeputzte Fenster, denn diese reflektieren das UV Licht wesentlich effektiver als so ne Folie.

    Die Folie kann allenfalls dazu dienen die Wärmeienstrahlung durch ein Fenster zu vermindern.

    Dies aber effektiver als diese dunklen Folien die an Autos üblich sind. An meinem alten Bus hatte ich deshalb innen Folien die weine Art Silberiinenschicht enthielten, keine Verdunkelug boten aber die Sonne draussen hielten. Aussderm bieten die einen Einschlagschutz. Bei nem Einbruchversuch geht zwar das Glas kaputt aber die Scheibe fällt trotzdem nicht raus, so dass man nicht so einfach reingreifen kann ...

  • "Wenn, wie im besten Fall, 76 Prozent auf die normale Scheibe zufliegen und 24 Prozent auf die beschichtete, heißt das keineswegs, dass der Vogelschlag um 76 Prozent reduziert wird.

    Denn bei zwei völlig identischen Scheiben würde jede von 50 Prozent angeflogen – was nicht einer Wirksamkeit von 50 Prozent, sondern von 0 entspricht."

     

    Die 76% Wirksamkeit sind fraglos Blödsinn, aber 50% Wirksamkeit bringen die Scheiben doch offensichtlich immerhin.

     

    "Das gleiche gilt übrigens für die weit verbreiteten Greifvogelsilhouetten. Sinnvoll seien allein sichtbare Markierungen wie Punkte oder Streifen."

     

    Dass Greifvogelsilhouetten nicht sonderlich wirksam sind, habe ich auch schon gehört, ohne dass ich allerdings Genaueres über den Grund weiß. Warum aber Greifvogelsilhouetten für Vögel weniger gut sichtbar als Punkte und Streifen sein sollten, hätte einer Erläuterung bedurft, wenn es denn überhaupt stimmt.

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @Marzipan:

      Hallo Marzipan,

      in einigen Fällen hatten die UV-Scheiben tatsächlich einen Effekt - aber wie beschrieben nur für Fälle, in denne die Landschaft hinter dem Fenster zu sehen war (wie bei gläsernen Lärmschutzwänden), und nicht in Fällen, wo sich die Landschaft in der Scheibe gespiegelt hat (wie bei Fassadenfenstern). Dennoch wird das Ornilux-Glas vor allem für Wohngebäude beworben, und zwar mit den Werten, die sich auf einen ganz anderen Einsatz beziehen.