Naturschützer über zerstörte Vogelnester: „Schuld sind die Landbesitzer“

Für den Bau von Windparks würden häufiger Nester von Greifvögeln zerstört, sagt Experte Lachmann. Landbesitzer hoffen auf Pachtzahlungen.

Ein adlerähnlicher Vogel fliegt am blauen Himmel

Besonders betroffen sind Rotmilane. Diesem hier geht es zum Glück (noch) gut Foto: dpa

taz: Herr Lachmann, um den Bau von Windparks durchzusetzen, würden häufiger Nester von Greifvögeln zerstört, erklärt der Naturschutzbund, kurz Nabu, in einem neuen Bericht. Haben Sie Beweise für diese These?

Lars Lachmann: Nein, aber es gibt deutliche Hinweise. Wenn man einen zerstörten Horst findet, Spuren von Steigeisen am Stamm, der Baum gar abgesägt wurde, und in der Nähe Windräder geplant sind, liegt ein Zusammenhang mitunter nahe. Diese darf man ja nicht bauen, wenn der Abstand zu gering ist. Eindeutig nachgewiesen wurde der Zusammenhang aber nur in zwei Fällen.

Haben Sie Zahlen?

Zwischen 2010 und 2015 haben wir 42 plausible Verdachtsfälle registriert, 22 davon alleine im Jahr 2015. Die Dunkelziffer dürfte jedoch hoch sein. Nach Angaben der Registrierungsstelle Edgar in Bonn gab es 2016 bei 12 Nestzerstörungen eine mögliche Verbindung zu Windanlagen, 2017 bisher in elf Fällen. Vor 2010 war dieses Phänomen mehr oder weniger unbekannt, was aber wohl auch an der mangelnden Aufmerksamkeit lag.

Wo kommen diese Zerstörungen vor?

Dort wo viele Windkraftwerke gebaut werden, vor allem im Norden und Osten Deutschlands, beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern. Betroffen sind überwiegend Rotmilane, Rohrweihen und Schreiadler.

Gehen Windparkfirmen das Risiko ein, bei so etwas erwischt zu werden?

Die Unternehmen sind das wohl nicht. Die Verbände und Firmen weisen das auch kategorisch zurück. Vermutlich schreiten eher Landbesitzer zur Tat, die auf Pachtzahlungen hoffen, wenn bei ihnen ein Windrad entsteht.

Gefährden diese Attacken die Populationen der Greifvögel?

Überwiegend nicht. Nur die Population der Schreiadler ist mit 100 Brutpaaren in Deutschland so gering, dass wir eine Gefahr für den Bestand der Art sehen. Man muss das Problem im Auge behalten.

Lars Lachmann, 42, arbeitet als Experte für Vogelschutz beim Naturschutzbund (Nabu). Er ist Diplom-Ingenieur für Landschafts- und Freiraumplanung.

Insgesamt berichten Sie von geschätzt 1.200 bis 12.000 illegal getöteten Greifvögeln in Deutschland pro Jahr. Von Windanlagen abgesehen – warum stellt man ihnen nach?

Brieftauben-Züchter haben es beispielsweise auf den Habicht abgesehen, weil der manchmal eine Taube schlägt. Und Niederwildjäger, die auf Rebhühner, Fasane, Hasen und Kaninchen gehen, betrachten die Greifvögel mitunter als Jagdkonkurrenz.

Zwischen 53.000 und 146.000 Vögel würden pro Jahr illegal getötet, schätzen Sie. Wie viele Vögel leben bei uns insgesamt?

Im Jahresverlauf sind es über 400 Millionen Vögel. Die illegalen Abschüsse gefährden also in der Regel nicht die Existenz der Arten. Aber sie sind verboten. Am häufigsten erwischt es Wasservögel – Enten und Gänse.

Was lässt sich dagegen tun?

Nordrhein-Westfalen hat eine Stabsstelle für Umweltkriminalität, die direkt bei der Umweltministerin angesiedelt ist. Diese arbeitet mit Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten zusammen, damit Verfahren dort nicht einfach eingestellt werden. So etwas fordern wir auch für die anderen Bundesländer.

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