NSU-Prozess in München: „Meisterin im Verschleiern“
Die Bundesanwaltschaft geht in ihrem Plädoyer mit Beate Zschäpe hart ins Gericht. Für das mordende Trio sei sie zentral gewesen.
Zschäpe hatte diese Fahrt bei ihren Einlassungen im Prozess verschwiegen, genauso wie Holger G. Die Bundesanwaltschaft wertete Computer- und Handydaten aus und fand den Taxifahrer, der Zschäpe zum Bahnhof gefahren hatte. Für die Ankläger beweist die Episode: Zschäpe war allein unterwegs, sie besorgte ein Tarnpapier – noch kurz vorm Auffliegen. Sie war ein aktiver und eigenständiger Teil des NSU-Trios. Bereits am Vortag hatte die Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess ihr Plädoyer begonnen. Am Mittwoch trägt Oberstaatsanwältin Anette Greger die Niedersachsen-Episode vor. Es sind Puzzleteile aus dem Prozess, welche die Bundesanwaltschaft überzeugt: Zschäpe war ein gleichwertiges Mitglied des NSU.
Schon am Vortag hatten die Ankläger Zschäpe als voll verantwortlich für die zehn Morde, zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle des NSU bezeichnet. Sie sei die „Tarnkappe“ des Trios gewesen, zuständig für die Logistik und Alibis. Ohne sie hätten die Taten nicht stattfinden können. Greger füllt dieses Bild mit weiteren Indizien. Waffen und Bekenner-DVDs hätten offen in der Wohnung gelegen, alle Computer wurden unverschlüsselt betrieben. Der Hauptcomputer stand in Zschäpes Zimmer. Dass diese, wie von ihr behauptet, nichts mitbekommen haben will, sei fernliegend, so Greger. Das Trio habe gemeinsam in „unbedingten Vertrauen“ gehandelt.
Für Greger spielte Zschäpe eine zentrale Rolle. Sie besorgte Ausweise, Tarnpapiere und Handys. Als Holger G. einmal eine Waffe überbrachte, war sie es, die ihn vom Bahnhof abholte und seine Sorgen beschwichtigte. Später drückte sie G. auch 10.000 Euro zur Verwahrung auf. Für Greger wird damit klar, dass Zschäpe die Verwalterin der Gemeinschaftskasse war. Damit komme ihr eine „ganz herausragende Stellung in der Gruppenhierarchie“ zu.
Oberstaatsanwältin Anette Greger
Existenziell für die Bundesanwaltschaft auch: wie Zschäpe gegenüber Nachbarn einen normalen Alltag vortäuschte. Die beiden Männer überführten Autos oder seien auf Montage, erklärte sie deren lange Abstinenzen. Zschäpe selbst nutzte elf Aliasnamen. Zu einer „Meisterin im Verschleiern“ sei die 42-Jährige avanciert, sagt Greger. Und als die Männer mordeten, habe sie zu Hause „Stallwache“ gehalten.
Zschäpe verfolgt die Worte Gregers auch an diesem Tag regungslos, fixiert die Anklägerin aber genau. Nur einer ruckelt an diesem Tag unruhig auf seinem Stuhl herum: Holger G. Immer wieder bezieht sich Greger auf seine Hilfen für das Trio und auf seine Aussagen gegenüber Ermittlern. Dass dieser Prozess für ihn glimpflich endet, darf auch Holger G. kaum noch erwarten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier