NSU-Prozess in München: Zschäpe macht Winterpause
Der Richter lässt Zweifel an der Erklärung der Hauptangeklagten erkennen. Er hat viele Nachfragen. Auf Antworten muss er warten.
Es ist Tag 1 nach der 53-seitigen Erklärung von Zschäpe im Münchner NSU-Prozess, nach zweieinhalb Jahren Schweigen: zum Vorwurf der Mittäterschaft bei den zehn Morden des NSU, den zwei Anschlägen, den 15 Überfällen. All dies sei Werk ihrer Kumpanen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gewesen, hatte Zschäpe vergangene Woche über ihren Anwalt verlesen lassen. Sie selbst habe erst im Nachhinein davon erfahren, die Taten stets verurteilt, die „Uwes“ aber auch nicht davon abbringen können.
Nun liegt der Ball wieder bei Götzl. Grasel hatte angeboten, das Gericht dürfe Fragen stellen – aber nur schriftlich. Ein beispielloser Vorstoß. Man wolle „Missinterpretationen“ der Antworten vermeiden, bekräftigt Grasel am Dienstag. Und Götzl, der sonst gern den Ton angibt, lässt sich überraschend darauf ein. Zu wichtig ist ihm offenbar, die Chance zu wahren, doch noch offene Fragen im NSU-Komplex zu klären.
Mehr als 50 Fragen sind es schließlich, die Götzl runterreferiert. Zu fast jeder Seite der Zschäpe-Erklärung hakt er nach. Wer war vor dem Untertauchen neben Zschäpe noch in der „Kameradschaft Jena“? Wer hatte alles Schlüssel zu der von ihr angemieteten Garage, in der die Polizei Sprengstoff fand? Warum war sich Zschäpe im November 2011 so sicher, dass es um Mundlos und Böhnhardt ging, als im Radio von zwei toten Bankräubern die Rede war?
Antworten erst im neuen Jahr
Regungslos verfolgt Zschäpe den Fragenkatalog, den Blick starr zur Richterbank. Anwalt Grasel kommt mit dem Tippen kaum hinterher. Man werde die Fragen beantworten, verspricht er, allerdings erst im neuen Jahr. Wohl kann beiden nicht sein.
Denn Götzl deutet mit seinen Fragen an, dass er der Erklärung wenig Glauben schenkt. Immer wieder fragt er nach Einzelheiten. Und Götzl will die Namen weiterer Helfer und Waffenbeschaffer wissen. Er will die Rolle von Susann E. erklärt bekommen, der engsten Vertrauten Zschäpes und Frau des mitangeklagten André E., die wöchentlich bei dem Trio ein- und ausging. Alles Punkte, die Zschäpe in ihrer Erklärung tunlichst ausgespart hatte.
Bereits am Vormittag erhielt die 40-Jährige zudem einen weiteren Dämpfer. Ein Fluchthelfer des NSU hatte ausgesagt, Volker H.. Zschäpe selbst hatte Volker H. in ihrer Einlassung erwähnt: Die Wohnung seiner Eltern sei der erste Anlaufpunkt nach dem Untertauchen gewesen. Volker H. aber widerspricht: Die Wohnung sei bereits aufgelöst gewesen, weil sich seine Eltern getrennt hatten. Zschäpe verfolgt auch diese Aussage mit angestrengtem Blick. Der Befreiungsschlag, den sie sich mit ihrer Erklärung erhofft hatte – er bleibt aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!