NSU-Prozess in München: Die „kleine Schwester“ schweigt

Die engste Freundin der Hauptangeklagten Beate Zschäpe verweigert die Aussage. Keine Überraschung: Gegen sie wird noch ermittelt.

Beate Zschäpe schweigt – und ihre Helfer auch. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Die Nachbarn kannten sie als Schwester. Fast jeden Donnerstag besuchte die Mutter von zwei Söhnen ihre Freundin in der Frühlingsstraße 26. Über „Frauensachen“ sollen sie geredet, die Kinder im Garten hinter dem Haus gespielt haben. Am Dienstag war Susann E. vor dem Oberlandesgericht München im NSU-Verfahren gegen die Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe geladen.

Keine fünf Minuten dauerte die Vernehmung in Saal A 101. „Ich werde keine Aussage machen“, sagte die Ehefrau des als Unterstützer angeklagten André E. Sie konnte aber nicht nur wegen ihres Mannes von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Die schlanke Frau, rot-dunkle Haare, Tattoos, ist selbst noch Beschuldigte. „Die Ermittlungen gegen Frau E. sind nicht abgeschlossen“, sagt Marcus Köhler, Pressesprecher der Generalbundesanwaltschaft (GBA) der taz.

Die Eheleute, die als überzeugte Rechtsextreme gelten, hatten so enge Beziehungen wie niemand sonst zu dem mutmaßlichen NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. E. hätte also einiges zum Hintergrund der Morde erzählen können. Machte die gelernte Hauswirtschaftlerin aber nicht. Sie gab lediglich ihr Alter an, „32 Jahre“, und sagte zum Beruflichen: sie sei „zu Hause“.

Dass Frau E., die seit 2005 mit ihrem Mann verheiratet ist, nicht auch angeklagt ist, hat nur einen Grund: „Es gibt keinen hinreichenden Tatverdacht“, sagt Köhler. Bisher seien keine Hinweise für eine vorsätzliche wissende Unterstützung der NSU-Taten gefunden worden.

Die Ermittler halten Susann E. aber vor, dass sie zuließ, dass Zschäpe ihre Personalien benutzte. Eine Nutzung der Personalien „ohne Wissen“ hätte für die Gruppierung ein nicht zu kalkulierendes Risiko beinhaltet, heißt es. Außerdem trug sie dazu bei, die bürgerliche Fassade der Nazi-Terroristen zu bewahren: Zu Aufführungen ihrer Kinder brachte sie ihre Freundin Beate mit.

In der Wohnung des Trios hingen Bilder von Susann und deren Söhnen – in freundschaftlicher Pose mit Zschäpe. Nach dem zufälligen Auffliegen der „Uwes“ wusste „Beate“, an wen sie sich wenden konnte, um zu fliehen. Am 4. November 2011 rief sie André E. an. Eine SMS von dem 33-Jährigen an seine Frau folgt. Die flüchtige Freundin bekam Kleidung. Wer von den E.s gab sie ihr? Beide schweigen.

In Kooperation mit Radio Lora München, www.lora924.de

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