NS-Verstrickung von Sparkasse: Ein bisschen Aufarbeitung zum Jubiläum
Die Sparkasse Osnabrück hat die Schuldbeladenheit ihrer NS-Vergangenheit aufarbeiten lassen. Das Ergebnis: Ein schmales Dossier von 30 Seiten.

Also hat die Sparkasse getan, was sie schon Jahrzehnte früher hätte tun können: Sie hat aufgearbeitet, was von 1933 bis 1945 bei ihr geschah. Wer das Ergebnis liest, das Dossier „Die Sparkasse Osnabrück in der Zeit des Nationalsozialismus“, auf der Jubiläums-Website sehr leicht zu übersehen, gelangt auf schmale 30 Seiten. Die Geschichts-Agentur H&C Stader, Mannheim, nicht zuletzt auf Firmenjubiläen spezialisiert, hat sie verfasst. Auch andere Sparkassen haben deren Dienste schon in Anspruch genommen.
Was die HistorikerInnen in Monaten der Aktensichtung über ihren Auftraggeber herausgefunden haben, ist hart: Es gab Diensträume mit Hitler-Büste und Hitler-Portrait und Fassadenbeflaggung mit Hakenkreuz. Personal wurde gegen „Ariernachweis“ und Nachweis der Mitgliedschaft in der NSDAP eingestellt. Die Sparkasse beteiligte sich an der „Adolf-Hitler-Spende“ und am Wehrmachts-Kredit. Nicht linientreue Mitarbeiter wurden entlassen. Konten von Kunden, die nach den NS-Rassegesetzen als jüdisch galten, wurden gesperrt. Die Sparkasse beteiligte sich an der Enteignung Verfolgter. Es gab Dienstbriefe unterschrieben mit „Heil Hitler!“
Synagogengrundstück zum Spottpreis gekauft
Besonders hässlich wird es, als NS-Kräfte während der Novemberpogrome, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, Osnabrücks Synagoge brandschatzen. Die Synagogengemeinde, Kundin der Sparkasse, sah sich am 11. November mit einem schikanösen Zahlungsbefehl der Sparkasse konfrontiert, am 14. November mit den Vorbereitungen zur Zwangsversteigerung. Käuferin des Synagogengrundstücks war später die Sparkasse selbst, zu einem Spottpreis.
Der letzte Satz des Dossiers stellt klar, es seien keine Versuche überliefert, „politisch anders ausgerichtete Vereine zu schützen“. Was Osnabrücks heutige Vereine, während des Jubiläums werbewirksam über die Sparkassen-Spendenplattform „WirWunder“ unterstützt, bei diesem Satz wohl denken?
Ziel sei ein „valider Eindruck“ über die Sparkasse zwischen 1933 und 1945 gewesen und „Licht ins Dunkle“ zu bringen, schreibt Sparkassen-Sprecherin Daniela Pommer auf taz-Anfrage und spricht von „Übernahme von Verantwortung“. Zur mehrere Generationen langen Ignoranz beschränkt sie sich auf: „Warum die Aufarbeitung in vorherigen Jahrzehnten nicht stattgefunden hat, können wir aus der heutigen Perspektive nicht sagen.“ Das ist mager. Aber bestimmt sind inzwischen alle tot, für die es sonst hätte peinlich werden können.
Nah am Nationalsozialismus
Die Ereignisse lägen mehr als 80 Jahre zurück, gibt Pommer zu bedenken, viele Quellen seien verloren. Das Dossier könne daher „kein vollumfängliches Bild und keine starke Detailtiefe darstellen“. Aber: „Wir haben den gewünschten Eindruck vorliegen.“
Warum die Aufarbeitung nicht früher erfolgt ist? „Die Frage kann man zu Recht stellen“, schreibt Michael Hagedorn der taz, Osnabrücker Ratsmitglied der Grünen, Mitglied des Verwaltungsrats der Sparkasse. „Ich begrüße es sehr, dass die Sparkasse das diesjährige Jubiläum, was ja in das 80. Jahr der Befreiung vom Nationalsozialismus fällt, genutzt hat, um dieses Versäumnis nachzuholen.“ Das Ergebnis sei „mit großer Ehrlichkeit präsentiert“.
H&C Stader sei in der Wahl der Quellen „völlig frei“ gewesen, schreibt Pommer. „Der Rechercheauftrag umfasste die Sichtung und Analyse öffentlicher Quellen sowie unseres gesamten Archivs.“ Man habe wissen wollen, „wie groß die Nähe der Sparkasse Osnabrück zum Nationalsozialismus war“, so Johannes Hartig, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse. Die Antwort: Schockierend groß.
Erfüllungsgehilfen der NS-Diktatur
Das Ergebnis hätte sich absehen lassen: In ihrer Dissertation „Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband zur Zeit des Nationalsozialismus“ (DSGV) hat Janina Salden 2019 geschrieben: „Da er sich selbst aktiv als Akteur ins Spiel brachte, um an dem Unrecht des NS-Regimes zu partizipieren, lässt sich nicht argumentieren, der DSGV wäre gezwungenermaßen zum Erfüllungsgehilfen der NS-Diktatur geworden.“ Überraschung ist also nicht angebracht.
Werbe-Rhetorik übrigens auch nicht. „Ein Hoch auf 200 Jahre Gemeinschaft“, beglückwünscht sich die Sparkasse Osnabrück auf ihrer Jubiläums-Website. Die 12 Jahre ihrer Willfährigkeit, das Hitler-Regime zu unterstützen, fallen hier kurzerhand unter den Tisch.
Bleibt die Frage: Wie stellt die Sparkasse sicher, dass sich ein Verhalten wie das damalige nicht wiederholt? Man habe nun „genaues Wissen um die Historie“, so Pommer. Damit gehe man „sehr transparent um“ und sorge so dafür, „dass die damaligen Mechanismen und Abläufe im Hause klar werden“. Besonders konkret klingt das nicht.
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