NS-Kontinuitäten in deutschen Behörden: Regierung will Kanzleramt schonen
Kulturstaatsministerin Monika Grütters will keine eigene HistorikerInnenkommission zur NS-Aufarbeitung. Dabei hätte gerade das Kanzleramt es nötig.
Danach beabsichtigt das Bundeskanzleramt, nur ein „ressortübergreifendes Forschungsprogramm auszuschreiben“. Damit sollen „Forschungslücken zu bislang nicht näher untersuchten zentralen deutschen Behörden – einschließlich des Bundeskanzleramts – geschlossen und ressortübergreifende Querschnittsprojekte initiiert werden“, heißt es in dem Schreiben Grütters, das der taz vorliegt.
Insgesamt 4 Millionen Euro will die Regierung dafür bis zum Jahr 2020 bereitstellen. Das Programm solle „als Ergänzung neben die bislang übliche Forschung in und zu den einzelnen Ressorts“ treten. Über die genaue konzeptionelle und inhaltliche Ausgestaltung seien „aktuell keine abschließenden Aussagen möglich“, so Grütters.
Damit setzt sich die Staatsministerin über das einhellige Votum der Sachverständigen hinweg, die Anfang Juni vom Kulturausschuss des Bundestags angehört wurden. Alle geladenen HistorikerInnen hatten sich dafür ausgesprochen, dass die Geschichte des Bundeskanzleramts aufgrund seiner zentralen Bedeutung gerade in der Adenauer-Ära eigenständig erforscht werden sollte.
In den vergangenen Jahren haben siebzehn Ministerien und oberste Bundesbehörden HistorikerInnenkommissionen eingesetzt, um ihre Geschichte aufarbeiten zu lassen. Selbst der Bundesnachrichtendienst hat sich durchleuchten lassen. Davon ausgenommen ist allerdings bislang ausgerechnet das Bundeskanzleramt.
Dabei wurde es zwischen 1953 und 1963 von Hans Josef Maria Globke geleitet. Adenauers mächtiger Staatssekretär ist eine der schillerndsten Personalien in den Anfängen der Bundesrepublik. Der Name des Kommentators der Nürnberger Rassegesetze, der bis 1945 in Hitlers Reichsinnenministerium gearbeitet hatte, steht wie kein anderer für die Kontinuität nationalsozialistischer Funktionseliten, die in der Bundesrepublik ihre Karrieren fortsetzen konnten.
Die Linksfraktion hatte deswegen vor zwei Jahren einen Antrag zur Einrichtung einer eigenen HistorikerInnenkommission für das Bundeskanzleramt eingebracht, über den das Parlament aber noch nicht entschieden hat. „Das Kanzleramt war von Anfang an die Schaltzentrale der bundesdeutschen Politik“, sagt der Linksparteiabgeordnete Jan Korte. Die zentrale politische Verantwortung für die Rückkehr der alten Eliten in die Schaltstellen der Macht dürfe nicht vernebelt werden. „Seine Rolle muss daher umfassend und nicht nur unter ferner liefen untersucht werden.“
Deswegen hält der Linksparteiler auch wenig von dem von der Bundesregierung präferierten Forschungsprogramm. „Hinter dem erst einmal gut klingenden ‚ressortübergreifenden Ansatz‘ steckt der Versuch einer gewollten geschichtspolitischen Verwässerung“, kritisiert Korte.
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