NS-Kontinuitäten im Bundeskanzleramt: Corona verzögert Aufarbeitung
Drei Forschungsprojekte, die die NS-Belastung des Kanzleramts aufarbeiten, sollten eigentlich bereits abgeschlossen sein. Nun dauert es länger.
Eigentlich hätten die Forschungen des Münchner Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), des Potsdamer Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) und der Universität Siegen bis November zum Abschluss kommen sollen. Doch die Auswirkungen der Coronapandemie hätten den vorgesehenen Ablauf „erheblich beeinträchtigt“, heißt es in der Regierungsantwort.
Nach aktuellem Planungsstand sei nun „angestrebt“, die Forschungsprojekte im kommenden Jahr zwischen Ende März und Ende September abzuschließen. Die zentralen Ergebnisse würden dann voraussichtlich im Oktober 2021 im Rahmen des Deutschen Historikertags in München vorgestellt.
Erst nach einem längeren politischen Hin und Her hatte sich die Bundesregierung dazu durchringen können, die NS-Belastung des Bundeskanzleramts sowie zentraler deutscher Behörden wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Im August 2017 entschied sie sich schließlich, insgesamt zehn Forschungsprojekte mit rund 4 Millionen Euro zu fördern, wovon sich drei explizit mit dem Kanzleramt beschäftigen: Das ZZF untersucht dessen politischen Umgang mit der NS-Zeit, das IfZ die Personalpolitik und NS-Bezüge, die Uni Siegen seine Kommunikationspraktiken und Netzwerke.
Adenauers Staatssekretär war vorbelastet
Zur Finanzierung der pandemiebedingten Projektlaufzeitverlängerungen stellt die Regierung nun zusätzliche Bundesmittel von insgesamt bis zu 600.000 Euro zur Verfügung. „Das Verfahren zur Bewilligung der jeweils von den Forschungsprojekten beantragten zusätzlichen Fördermittel dauert noch an“, heißt es in der Regierungsantwort auf die Linken-Anfrage.
Das Bundeskanzleramt wurde zwischen 1953 und 1963 von Hans Josef Maria Globke geleitet. Konrad Adenauers mächtiger Staatssekretär, einst Kommentator der Nürnberger Rassengesetze und bis 1945 in Hitlers Reichsinnenministerium tätig, steht wie kein anderer für die Kontinuität nationalsozialistischer Funktionseliten, die in Westdeutschland ihre Karrieren fortsetzen konnten.
„Wenn man verstehen will, wie es dazu kam, dass in der frühen Bundesrepublik ‚der große Frieden mit den Tätern‘ zu einem Fundament der Staatsgründung wurde, dann kommt man um eine Aufarbeitung der Rolle des Kanzleramts nicht herum“, sagt der Linksparteiabgeordnete Jan Korte. „Deshalb bin ich gespannt, welche Ergebnisse die Forschungsprojekte im kommenden Jahr vorlegen.“
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