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Mutierende CoronavirenVarianten des Schreckens

Die Angst geht um, dass die nächste Coronavariante infektiöser ist als die bereits existierenden. Über die Lambda-Mutante gibt es kaum Daten.

Impfärzte auf dem Weg zu einem abgelegenen Dorf in Peru Foto: Denis Mayhua/dpa

Das griechische Alphabet hat 24 Buchstaben. Und je länger die Pandemie dauert, desto zweifelhafter erscheint, ob diese Zahl an Zeichen reichen wird, um allen Aufsehen erregenden Varianten von Sars-CoV-2 einen Namen zu geben. Immerhin ist man, während Alpha Geschichte ist und Delta sich noch zügig verbreitet, schon längst mit den nächsten Mutanten befasst.

Lambda zum Beispiel wurde vor gut einem halben Jahr erstmals in Proben aus Peru entdeckt, die Variante breitete sich dort anschließend stark aus, weshalb sie schon als Delta-Nachfolger gehandelt wurde. Das Virus besitzt drei auffällige Mutationen im Stachelprotein, jenem Eiweiß, mit dem sich der Erreger an menschliche Zellen heftet, um in sie eindringen und sich vermehren zu können. Eine der veränderten Stellen wurde bisher bei keiner der anderen Variante gesehen, welche von Experten beobachtet werden.

Was das bedeutet, ist trotz einiger Preprints, also vorab ins Netz gestellter, nicht begutachteter Studien, unklar. In Labortests wollen etwa japanische Forscher für Lambda zwar eine klar erhöhte Infektiosität und sogar eine Resistenz gegen Impfstoffe erkannt haben, allerdings geben die gemachten gentechnischen Experimente und Zellversuche keine so weitreichenden Schlüsse her, wie sie von den Autoren gezogen werden. Es bleibt abzuwarten, ob diese und zwei andere Arbeiten überhaupt ordentlich publiziert werden – oder wie viele andere der massenhaft online gestellten Preprints im Netz stecken bleiben.

Lambda jedenfalls hatte in Peru wenig Konkurrenz. Wo sich dagegen die Deltavariante ausbreitet, taucht Lambda bislang nur sporadisch auf, so auch in Deutschland. Ähnliches gilt für die Variante Delta-plus, bei der es sich um Delta mit einer zusätzlichen Mutation handelt. Das Virus wurde im Juni schon als nächste Variante des Schreckens durch die Medien gejagt, konnte sich bislang aber nirgends durchsetzen.

Das Mutantenkarussell dreht sich derweil jedoch zuverlässig weiter: Vor wenigen Tagen wurde aus Belgien bekannt, dass gleich sieben Bewohner eines Altenheims starben, nachdem sie und 14 weitere Menschen im Heim sich mit der noch nicht weiter benannten Variante B.1.621 infiziert hatten.

Geschwächtes Immunsystem

Alle sieben Verstorbenen waren vollständig geimpft gewesen, allerdings auch schwer vorerkrankt und hochbetagt. Gerade bei älteren Mitmenschen wirkt die Impfung wegen des im hohen Alter schwächeren Immunsystems oft nicht so gut wie bei jüngeren. Dennoch ist seit dem Zwischenfall wieder von Besorgnis die Rede.

Das Virus war im Januar erstmals aus einer Probe aus Kolumbien isoliert worden und taucht beim Robert Koch-Institut in der wöchentlichen Betrachtung (pdf-Datei) der Varianten bislang nicht auf. Das Europäische Zentrum für Seuchenkontrolle führt B.1.621 dagegen als Variant of Interest, also als dringend zu beobachten. Die WHO stuft die Variante wieder weniger besorgniserregend ein. Die Uneinigkeit rührt vor allem daher, dass es bisher nur wenige tragfähige Erkenntnisse zum Charakter von B.1.621 gibt.

Zwar besitzt das Virus gleich fünf nennenswerte Veränderungen im Stachelprotein, allerdings konnten aus dieser Information bisher nur Vermutungen über eine höhere Infektiosität und Effekte auf die Immunabwehr im Menschen abgeleitet werden. Alle fünf Mutationen sind aus früheren Varianten bereits bekannt, nur eben nicht in dieser speziellen Kombination. Auch die Zusammenstellung der Veränderungen ist für das ansteckende, krankmachende und immunitätsmodulierende Verhalten der Mutanten bisweilen bedeutsam.

Dass B.1.621, anders als alle anderen Mutanten bisher, die Pandemie noch einmal zugunsten des Virus drehen könnte, muss aber wie bei den anderen Varianten bezweifelt werden. Einfache Immun-Escapes, die einzelne Antikörper der sehr komplex strukturierten Immunabwehr aus dem Verkehr ziehen, reichen für so ein Szenario nicht aus. Das würden einer aktuellen Untersuchung der Rockefeller University zufolge nicht einmal fünf gezielte Mutationen im Stachelprotein tun, im Vergleich zur oft Wildtyp genannten Wuhanvariante.

Wie die Gruppe hochrangiger Forscher berichtet, abermals noch in einem Preprint, ist die genetische Barriere sehr hoch, damit das Virus allein die erste Barriere einer Immunität gänzlich unterlaufen kann. Die sogenannte Antikörperantwort besteht aus einer Vielzahl verschiedener Immuneiweiße, die sich jeweils sehr spezifisch an Oberflächenmerkmale des Virus binden. Einige sind in der Lage, den Eindringling zu neutralisieren. Der Vorgang dient dem Abfangen von Erregern, die dem Körper durch vorherige Infektion oder Impfungen bekannt sind. Antikörper schützen also in erster Linie vor einer Infektion.

20 gezielte Mutationen im Stachelprotein müsse Sars-CoV-2 in einer einzigen Variante anhäufen, um der Gesamtheit der Antikörper zu entwischen, schreiben die Wissenschaftler.

Der Schutz durch Impfung vor schwerer Erkrankung bleibt für alle Coronavarianten bestehen

Und selbst dann ist die Immunantwort noch nicht ausgeschaltet: T-Zellen, die für den Kampf gegen die Erkrankung zuständig sind, zielen wiederum auf andere Eigenschaften des Virus. In dieser zweiten Reihe der Verteidigung wurde bisher für keine der Varianten beobachtet, dass die Wirkung der Vakzine geschwächt wird. Der Schutz vor schwerer Erkrankung bleibt für alle Varianten bestehen, zumindest bei Menschen, deren Immunsystem durch die Impfung den nötigen Schutz aufbauen kann.

Das ist, wie nicht nur der Fall in Belgien gezeigt hat, bei vielen Hochbetagten offenbar nicht zwingend die Regel. Die meisten Experten halten Booster-Impfungen für diese hochgefährdete Gruppe deshalb inzwischen für sinnvoll. In Deutschland hat die Regierung ein entsprechendes Angebot empfohlen, in Israel wird bereits aufgefrischt.

Was die Zukunft des Mutantenkarussells betrifft, muss man vermutlich feststellen, was bislang schon zu erfahren war: Keine der Varianten ist in der Lage, sich den Maßnahmen zu entziehen. Solange nicht alle Erwachsenen weitgehende doppelt geimpft sind, bleiben Kontaktbeschränkungen und Hygiene das beste Mittel, die Pandemie zu stoppen. Man darf dabei nicht vergessen, dass Corona ein globales Ereignis ist, das weiterhin auch global zu bekämpfen ist.

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