Jahrestag des Völkermords an Armeniern: Völkermord? Verräter!

Am Jahrestag des Beginns des türkischen Genozids zeigt der türkische Außenminister armenischen Demonstranten den Gruß der Grauen Wölfe.

Außenminister Cavusoglu

Cavusoglu zeigte den armenischen Demonstranten wortlos den Wolfsgruß Foto: ap

ISTANBUL taz | Wie seit einigen Jahren schon hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auch in diesem Jahr anlässlich des 107. Jahrestages des Völkermordes an den Armeniern dem armenischen Patriarchen in Istanbul, Sahak Masaljan, ein Beileidsschreiben zukommen lassen.

Allerdings erinnert der türkische Präsident darin an die Toten des Ersten Weltkrieges sowohl auf armenischer wie auf türkischer Seite. Die Einordnung als Völkermord lehnt die türkische Regierung und mit ihr auch der größte Teil der türkischen Bevölkerung nach wie vor ab, Erdoğan konzedierte lediglich das Leid bei den damaligen Deportationen der armenischen Bevölkerung.

Tatsächlich gedacht wird in der Türkei am 24. April der Landung der Entente-Mächte an den Dardanellen, die die Eroberung Istanbuls einleiten sollte. Diese überaus verlustreiche, aber letztlich für das Osmanische Reich siegreiche Schlacht gehört bis heute zu den Gründungsmythen der türkischen Republik.

Wie die heutige Regierung tatsächlich über den Völkermord an den Armeniern denkt, zeigte sich an drei anderen Ereignissen am Sonntag. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu war an diesem 24. April zu einem Staatsbesuch in Uruguay. Mitglieder der dortigen armenischen Gemeinde demonstrierten gegen Çavuşoğlu. Als seine Limousine an den Demonstranten vorbeirollte, ließ Çavuşoğlu das Fenster herunter und zeigte den Armeniern wortlos den Wolfsgruß, das Erkennungszeichen der extrem nationalistischen Grauen Wölfe, wie in einem Youtube-Video dokumentiert ist.

Parlamentsmehrheit will von „Völkermord“ nichts hören

Auch im türkischen Parlament zeigte die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten, was sie von der Forderung nach Anerkennung des Völkermordes hält. Am Freitag hatte der armenischstämmige Abgeordnete der HDP, Garo Paylan, eine Gesetzesvorlage eingebracht, die die Anerkennung des Völkermordes zum Jahrestag am 24. April zum Ziel hatte.

Die Gesetzesvorlage wurde vom Parlamentspräsidenten vom Tisch gewischt, führende Politiker der Regierung aber auch der Opposition bezeichneten Paylan als einen Verräter.

Im Kommentar in der Hürriyet am Montag heißt es dazu, nur Fanatiker könnten einen solchen Antrag stellen. Nicht als Fanatiker, aber als irregeleitet wird US-Präsident Joe Biden in Ankara bezeichnet, nachdem er am Sonntag erneut seine im letzten Jahr zum ersten Mal ausgesprochene Anerkennung des Völkermordes bekräftigte. Das könne er gar nicht beurteilen, beschied ihn das türkische Außenministerium.

Trotz dieser harten nationalistischen Haltung in der Leugnung des Völkermordes wird allerdings weiterhin zwischen der Türkei und Armenien über eine Normalisierung der Beziehungen verhandelt. Ziel ist der Austausch von Botschaftern und die Öffnung der Grenze zwischen den beiden Ländern. Beide Länder haben dafür Sondergesandte ernannt, die sich regelmäßig treffen.

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