Mullah Baradar bekommt ein Gesicht: Der Verhandler der Taliban

Erstmals lässt sich der afghanische Taliban-Vizechef Mullah Abdul Ghani Achund, besser bekannt als Mullah Baradar, fotografieren – in Moskau.

Vier bärtige Männer mit Turbanen

Der Vizechef der Taliban, Mullah Baradar (2. v.l), mit seiner Delegation am Dienstag in Moskau Foto: Alexander Zemlianichenko/ap/dpa

BERLIN taz | Es war ein Markenzeichen der afghanischen Taliban, dass sich ihre Anführer ungern fotografieren ließen. Von ihrem Vizechef Mullah Abdul Ghani Achund, besser bekannt als Mullah Baradar („Bruder“), kursierten diverse Aufnahmen, die aber in Wirklichkeit andere Personen zeigen.

Am Dienstag dann trat er in Moskau vor die Kameras der Weltpresse. Würdevoll im Taliban-Stil – weißes Gewand, schwarzer Turban und Vollbart – stand er im Gruppenbild neben Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der auf der anderen Seite vom afghanischen Ex-Präsidenten Hamid Karsai und dem Chef des offiziell unabhängigen, aber regierungsnahen afghanischen Hohen Friedensrates Muhammad Karim Chalili flankiert wurde.

1994 gehörte Baradar zu einer Gruppe islamischer Geistlicher – deshalb der Beiname Achund –, die in der Koranschule des inzwischen verstorbenen Taliban-Gründervaters Mullah Muhammad Omar diese Bewegung ins Leben riefen. Seinen Rufnamen erhielt er von Mullah Omar, der ihn wegen ihrer gegenseitigen Nähe als Bruder betrachtete.

Die Taliban beendeten bis 2001 fast den afghanischen Fraktionskrieg, mit Baradar als Vizeverteidigungsminister ihrer Regierung. Doch ihr Bündnis mit al-Qaida erwies sich als Fehler. Der US-geführte Nato-Einmarsch in Afghanistan nach den Anschlägen vom 11. September 2001, deren Vorbereitung den Taliban verborgen geblieben war, trieb sie zurück in die Berge. Baradar wurde Vizechef der Taliban-Guerilla.

Verheiratet mit der Schwester von Mullah Omar

Er soll 1968 in der Südprovinz Urusgan geboren und mit Mullah Omars Schwester verheiratet sein. Geburtsdaten sind aber gerade im ländlichen Teil Afghanistans kaum von Bedeutung, weil man dort wenig Behördenkontakt hat. Wichtiger ist, dass er zum Paschtunen-Stamm der Popalsai gehört, wie auch Karsai.

So waren es Baradar und ein Bruder Karsais, die sich 2010 in einer afghanisch-pakistanischen Grenzstadt heimlich zum Gespräch trafen. Das brachte Baradar zehn Jahre Haft in Pakistan ein, denn die Machthaber des Nachbarlandes – vor allem die Armee – spielen zwar die Schutzmacht der Taliban, unterbinden aber jeden Kontakt, der nicht von ihnen abgesegnet ist.

Das beiderseitige Verhältnis ist alles andere als spannungsfrei, denn als islamistische Nationalisten erkennen die Taliban wie bisher alle Regierungen in Kabul seit Pakistans Staatsgründung 1947 die umstrittene Grenze nicht an.

Im Oktober 2018 wurde Baradar auf Druck der USA entlassen, die gerade in neue Verhandlungen mit den Taliban über einen Truppenabzug und die Beendigung des Krieges eingetreten waren. Die Taliban ernannten Baradar sofort wieder zum Vizechef.

Damit steht er über dem Chef der Delegation, die seit Oktober 2018 in Katars Hauptstadt Doha mit den Amerikanern redet. Die USA erhoffen sich von Baradars Autorität, die aus seiner Nähe zum legendären Omar erwächst, dass er durchsetzen kann, dass ein Abkommen dann auch von den Taliban-Frontkommandeuren und ihren Kämpfern geachtet wird.

Dies zu fördern, aber auch Russlands neue internationale Rolle zu stärken, dienen die zweitägigen Moskauer Treffen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.