Müll-Experte Fischer über „Bechermaut“: „20 Cent pro Becher würden wirken“
Stündlich landen 320.000 Coffe-to-go-Becher im Müll. Das ist zu viel, sagt Thomas Fischer von der Umwelthilfe und fordert eine Abgabe auf Becher.
Pro Stunde landen in Deutschland 320.000 Einwegbecher im Müll. Warum ist das ein Problem?
Auf die Zahl sind wir durch eigene Berechnungen anhand von Daten des Deutschen Kaffeeverbandes und der Gesellschaft für Konsumforschung gekommen. Pro Jahr werden in Deutschland demnach 2,8 Milliarden Becher verbraucht. Deren Herstellung verschlingt jährlich 64.000 Tonnen Holz, 22.000 Tonnen Rohöl, 1,5 Milliarden Liter Wasser und so viel Energie, wie eine ganze Kleinstadt in einem Jahr verbraucht. Zudem bestehen Coffee-to-go-Einwegbecher nicht nur aus Pappe, sondern auch aus dem Kunststoff Polyethylen. Die Einweg-Becherflut nimmt schon seit Jahren stetig zu, denn die Kaffeenachfrage steigt kontinuierlich an.
Statt der Einweg- wären Mehrwegbecher ressourcenschonender. Halten Sie es für realistisch, dass alle Coffee-to-go-Fans ihren eigenen Becher benutzen?
Verbraucher haben verschiedene Möglichkeiten, den Coffee to go aus wiederbefüllbaren Mehrwegbechern zu konsumieren. Neben dem klassischen Kaffee aus der Tasse vor Ort können auch individuell gestaltete und wiederverschließbare Mehrwegbecher für unterwegs oder Pool-Mehrwegbecher genutzt werden. Poolbecher werden, beispielsweise gegen Pfand, verliehen und können in der nächsten Kaffeehaus-Filiale wieder zurückgegeben werden. Ein Poolsystem wäre eine besonders umwelt- und verbraucherfreundliche Möglichkeit, Mehrwegbecher einzusetzen.
Was können die Verbraucher tun, wenn diese Option fehlt?
Wer auf dem Weg zur Arbeit oder in der Mittagspause täglich einen Coffee to go trinkt, sollte sich einen eigenen Mehrwegbecher zulegen. Die gibt es in allen Größen, Formen und Designs und aus unterschiedlichen Materialien wie Stahl, Porzellan oder auch Bambus. Der Individualität sind kaum Grenzen gesetzt. Hochwertige Produkte sind problemlos wiederverschließbar, lassen keinen Tropfen Inhalt nach außen und isolieren das Getränk in hervorragender Weise: Vorteile, die Einwegbecher nicht bieten.
Anbieter von Getränken zum Mitnehmen befürchten Umsatzeinbußen, wenn sie darauf bestehen, dass die Kunden ihre eigenen Becher mitbringen. Was sollten sie tun?
Den Verweis auf umsatztechnische Gründe halten wir für vorgeschoben. Handelsketten könnten sich von Konkurrenten abheben und glaubhaft Umweltschutz in der Praxis umsetzen, wenn sie Mehrwegbecher anbieten würden. Mitarbeiter sollten ihre Kunden fragen, ob sie ihren Kaffee überhaupt in Einwegbechern haben wollen und auf die Mehrwegalternative hinweisen. Falls ein Café nicht auf Einwegbecher verzichten will, sollten solche mit Recyclinganteilen bevorzugt werden, soweit diese nicht mit mineralölhaltigen Substanzen belastet sind.
Sie schlagen außerdem eine Abgabe von 20 Cent auf Einweg-Kaffeebecher vor. Wie sehen Sie die Erfolgschancen dieser Coffe-to-go-Maut?
Um in Deutschland kurzfristig den Verbrauch von Coffee-to-go-Einwegbechern zu reduzieren, ist eine Abgabe ein besonders geeignetes Instrument. Seitdem es in Irland eine Abgabe auf Plastiktüten gibt, ist der Verbrauch der Tüten dort von 328 Stück pro Kopf und Jahr auf heute nur noch 16 Stück gesunken. Bei einer Abgabe auf Coffee-to-go-Becher ist mit einer ähnlichen Wirkung zu rechnen. Es wäre aber wichtig, die Verbraucher dann darüber zu informieren, dass sie eine Abgabe für den Kauf eines jeden Einwegbechers bezahlen.
Warum ist das aus Ihrer Sicht so wichtig?
Wir rechnen damit, dass sich eine Abgabe in Höhe von mindestens 20 Cent unmittelbar auf das Käuferverhalten auswirken wird. Besonders bei regelmäßigem Konsum sind die Kunden dann aus Kostengründen gezwungen, abzuwägen: Nehme ich den Einwegbecher und zahle mehr oder lege ich mir einen umweltfreundlichen Mehrwegbecher zu?
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