Mord an einem Kind in Flüchtlingsheim: Was lief schief?
Ein afghanischer Straftäter hat einen russischen Jungen getötet und dessen Mutter verletzt. Die Landespolitik diskutiert über Konsequenzen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann etwa hat kein Verständnis für die Entscheidung des Münchner Verwaltungsgerichts, das ein Abschiebeverbot verfügt hatte. Der Grund: Der Afghane war in der Haft zum Christentum konvertiert, jetzt hätte ihm Todesgefahr in seiner Heimat gedroht. In Fällen, in denen Konvertiten die Todesstrafe droht, könne er das nachvollziehen, sagte der CSU-Politiker. „In diesem konkreten Fall ist es für mich nicht recht einsichtig.“ Hermann vermutet, dass der Übertritt nur vorgeschoben war, um einer Abschiebung zu entgehen.
Aber auch die Grünen haben eine Schuldige gefunden. Von einem schweren Fehler, für den die CSU-Regierung die Mitverantwortung trage, spricht die Grünen-Landtagsabgeordnete Christine Kamm. Sie fordert ein Gewaltschutzkonzept für Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften: Frauen, die allein oder nur mit ihren Kindern nach Deutschland geflüchtet sind, dürften nicht gemeinsam mit alleinstehenden Männern untergebracht werden.
Die genauen Hintergründe der Tat in der 2.000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Cham sind noch nicht geklärt. Fest steht für die Ermittler, dass der Täter den fünf Jahre alten Jungen in seine Gewalt brachte und ihn mit einem Messer tötete. Auch die Mutter erlitt gefährliche Schnittverletzungen. Der Täter wurde von einem Polizisten mit acht Schüssen getötet.
In der Vergangenheit soll es zu kleineren Streitereien zwischen dem Mann und der Mutter wegen Lärmbelästigung gekommen zu sein. Wie die Regierung der Oberpfalz mitteilte, gab es für die Mitarbeiter in der Unterkunft aber keinerlei Anhaltspunkte für eine Eskalation.
Gefährlichkeit bekannt
Dass der Mann nicht ungefährlich war, war freilich bekannt. Im Oktober 2009 war er in München wegen schwerer Brandstiftung infolge eines Familienstreits zu fast sechs Jahren Haft verurteilt worden. Nach deren Verbüßung wollte die Stadt München ihn abschieben, doch das Verwaltungsgericht untersagte dies. Nach seiner Entlassung war der Mann lediglich geduldet und musste eine elektronische Fußfessel tragen.
Wo der Mann untergebracht wurde, war die Entscheidung der Regierung der Oberpfalz. Der Afghane habe dem Asylbewerberleistungsgesetz unterlegen und sei verpflichtet gewesen, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, ließ diese in einer Pressemitteilung verlauten. „Aufgrund der damaligen Zugangssituation und der Konversion des Afghanen zum Christentum“ sei nur die „nicht überwiegend muslimisch geprägte Unterkunft in Arnschwang“ in Frage gekommen.
Aber hätte man dem besonderen Fall nicht doch anders Rechnung tragen müssen? Und gibt es noch weitere Straftäter in oberpfälzischen Asylunterkünften? Für weitere Angaben bat die Regierung der Oberpfalz um Geduld.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge