Molekularbiologin über DNA-Fahndung: Es geht nicht um „helle Haut“

Die Molekularbiologin Isabelle Bartram warnt vor Racial Profiling und anderen Gefahren der erweiterten DNA-Analyse.

Ein Chemiker streift eine Genprobe in ein Reaktionsgefäß

Mit Abstrichbürste und Reaktionsgefäß: So klappt's mit dem DNA-Test Foto: ap

taz: Nach einem Gesetzesentwurf des Justizministeriums sollen Ermittler durch DNA-Analyse Haut- und Haarfarbe von Tätern feststellen dürfen. Als hellhäutiger Mensch mit straßenköterblonden Haaren hat man von der erweiterten DNA-Analyse nichts zu befürchten, oder?

Isabelle Bartram: Die weiße Durchschnittsbevölkerung ist davon wenig betroffen. Der Hinweis „helle Haut“ wird den Kreis der Verdächtigen nicht stark eingrenzen. Unter anderem daran sieht man, dass es nicht darum geht, weiße Verdächtige zu finden. Sondern eher darum, Minderheitenmerkmale zu finden.

Was bedeutet das Instrument für Angehörige einer optisch unterscheidbaren Minderheit in Deutschland?

Es führt zu Racial Profiling und Pauschalverdächtigungen von Gruppen, die ohnehin schon rassistisch diskriminiert werden. Die Polizei ist sehr DNA-gläubig, DNA-Tests werden kaum hinterfragt. Dabei liefert eine erweiterte Analyse kein „genetisches Phantombild“, sondern einen Steckbrief, wo Merkmale nach unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten gegeben sein können – die können eben auch sehr niedrig sein.

Wie viele Hautfarben kann die Analyse unterscheiden?

In einer häufig genutzten Skala gibt es fünf Abstufungen von „sehr blass“ bis „dunkel bis schwarz“. Die Grenzen sind völlig willkürlich gezogen und die Anzahl der Abstufungen eine im Labor ausgedachte Zahl. Hinterher ordnet man die Leute in diese Schubladen und hat so seine eigene Forschung bestätigt.

Isabelle Bartram, 36, Molekularbiologin und Referentin für Medizin beim Gen-ethischen Netzwerk.

Was ist das Gefährliche daran?

Die ist Gefahr an dem ganzen Forschungszweig ist, dass der Glaube, man könne Menschen anhand von Genetik eindeutig unterscheiden oder Gruppen zuordnen, bestätigt wird.

Was kann DNA über die Herkunft verraten?

Man kann relativ genau, aber auch nicht immer, eine grobe kontinentale Einordnung vornehmen. Wenn zum Beispiel alle vier Großeltern aus demselben Dorf kommen, kann man das erkennen. Aber außerhalb des Labors, in der Praxis, ist das schwierig, weil die meisten Familien keinen linearen Lebenslauf haben.

Das BKA spricht von einer Trefferquote von 98 bis 99,9 Prozent – klingt gut.

Die Art, wie diese Wahrscheinlichkeiten dargestellt werden, ist inkorrekt. 99,9 heißt nicht, dass wir zu 99,9 Prozent sagen können „die Person kommt daher“. Das sind Zahlen aus dem Labor, die unter bestimmten Voraussetzungen entstehen. Man muss zum Beispiel auch einberechnen, wie oft das jeweilige Merkmal in der Bevölkerung vorkommt. Das kann total schwanken. In einer Großstadt bringt es meistens überhaupt nichts, auf dem Land, wo es kaum Migration gibt, ist das möglicherweise genauer.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Die DNA ist eine hoch sensible Datenform, weil sie viel mehr Infos enthält als jeder Steckbrief. Dass staatliche Behörden jetzt auch auf persönlichkeitsrelevante Teile, die „kodierende“ DNA, Zugriff kriegen, ist hochproblematisch. Auch weil wir ja nicht wissen, was später noch für Information aus der DNA herausgelesen wird.

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