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Molekularbiologin über DNA-FahndungEs geht nicht um „helle Haut“

Die Molekularbiologin Isabelle Bartram warnt vor Racial Profiling und anderen Gefahren der erweiterten DNA-Analyse.

Mit Abstrichbürste und Reaktionsgefäß: So klappt's mit dem DNA-Test Foto: ap
Katharina Schipkowski
Interview von Katharina Schipkowski

taz: Nach einem Gesetzesentwurf des Justizministeriums sollen Ermittler durch DNA-Analyse Haut- und Haarfarbe von Tätern feststellen dürfen. Als hellhäutiger Mensch mit straßenköterblonden Haaren hat man von der erweiterten DNA-Analyse nichts zu befürchten, oder?

Isabelle Bartram: Die weiße Durchschnittsbevölkerung ist davon wenig betroffen. Der Hinweis „helle Haut“ wird den Kreis der Verdächtigen nicht stark eingrenzen. Unter anderem daran sieht man, dass es nicht darum geht, weiße Verdächtige zu finden. Sondern eher darum, Minderheitenmerkmale zu finden.

Was bedeutet das Instrument für Angehörige einer optisch unterscheidbaren Minderheit in Deutschland?

Es führt zu Racial Profiling und Pauschalverdächtigungen von Gruppen, die ohnehin schon rassistisch diskriminiert werden. Die Polizei ist sehr DNA-gläubig, DNA-Tests werden kaum hinterfragt. Dabei liefert eine erweiterte Analyse kein „genetisches Phantombild“, sondern einen Steckbrief, wo Merkmale nach unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten gegeben sein können – die können eben auch sehr niedrig sein.

Wie viele Hautfarben kann die Analyse unterscheiden?

In einer häufig genutzten Skala gibt es fünf Abstufungen von „sehr blass“ bis „dunkel bis schwarz“. Die Grenzen sind völlig willkürlich gezogen und die Anzahl der Abstufungen eine im Labor ausgedachte Zahl. Hinterher ordnet man die Leute in diese Schubladen und hat so seine eigene Forschung bestätigt.

Im Interview: Isabelle Bartram

Isabelle Bartram, 36, Molekularbiologin und Referentin für Medizin beim Gen-ethischen Netzwerk.

Was ist das Gefährliche daran?

Die ist Gefahr an dem ganzen Forschungszweig ist, dass der Glaube, man könne Menschen anhand von Genetik eindeutig unterscheiden oder Gruppen zuordnen, bestätigt wird.

Was kann DNA über die Herkunft verraten?

Man kann relativ genau, aber auch nicht immer, eine grobe kontinentale Einordnung vornehmen. Wenn zum Beispiel alle vier Großeltern aus demselben Dorf kommen, kann man das erkennen. Aber außerhalb des Labors, in der Praxis, ist das schwierig, weil die meisten Familien keinen linearen Lebenslauf haben.

Das BKA spricht von einer Trefferquote von 98 bis 99,9 Prozent – klingt gut.

Die Art, wie diese Wahrscheinlichkeiten dargestellt werden, ist inkorrekt. 99,9 heißt nicht, dass wir zu 99,9 Prozent sagen können „die Person kommt daher“. Das sind Zahlen aus dem Labor, die unter bestimmten Voraussetzungen entstehen. Man muss zum Beispiel auch einberechnen, wie oft das jeweilige Merkmal in der Bevölkerung vorkommt. Das kann total schwanken. In einer Großstadt bringt es meistens überhaupt nichts, auf dem Land, wo es kaum Migration gibt, ist das möglicherweise genauer.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Die DNA ist eine hoch sensible Datenform, weil sie viel mehr Infos enthält als jeder Steckbrief. Dass staatliche Behörden jetzt auch auf persönlichkeitsrelevante Teile, die „kodierende“ DNA, Zugriff kriegen, ist hochproblematisch. Auch weil wir ja nicht wissen, was später noch für Information aus der DNA herausgelesen wird.

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17 Kommentare

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  • Also ich finde die Antworten von Frau Bartram merkwürdig bis unwissenschaftlich. "Man kann relativ genau, aber auch nicht immer, eine grobe kontinentale Einordnung vornehmen. Wenn zum Beispiel alle vier Großeltern aus demselben Dorf kommen, kann man das erkennen.". Wenn ich von "kontinentaler Einordnung" rede, stelle ich mir Afrika oder Europa vor, nicht en einzenlnes Dorf.



    "Die Art, wie diese Wahrscheinlichkeiten dargestellt werden, ist inkorrekt. 99,9 heißt nicht, dass wir zu 99,9 Prozent sagen können „die Person kommt daher“". In dem Artikel geht es um die Haut- und Aufgenfarbe, nicht wo jemand herkommt. Natürlich kann jemand mit heller haut aus Europa. Ameriika oder sogar Afrika kommen. Die Antwort hat mit der Fragestellung nichts zu tun, es scheint eher so als ob Frau Bartram hier ausweichen und ihren Vorurteilen Raum geben will.

  • Die geplante Auswertung einer Genanalyse kann auch unschuldige vor falschen Verdächtigungen schützen.

    • @Poseidon:

      Wenn jemand fälschlich verdächtigt werden sollte, beweist das der individuelle Abgleich der DNA auch jetzt schon!



      Hier geht es um Fahndungsprofiling - damit werden mehr Menschen verdächtig, als vorher - v.a. von Minderheiten!

    • @Poseidon:

      In dem Interview wird die gegenteilige Gefahr deutlich.

  • Bei der Täterfahndung geht es immer darum, besondere Merkmale in Erfahrung zu bringen und innerhalb einer unbestimmten Menschenmenge gezielt danach Ausschau zu halten. Das kann eine Narbe sein oder eine auffällige Tätowierung. Besonders ist alles, was den einzelnen von allen anderen deutlich unterschiedet. Es geht mithin selbstverständlich darum festzustellen, in welcher Hinsicht der Täter zu einer Minderheit gehört. Wer das nicht will, sollte erklären, warum er die polizeiliche Ermittlungsarbeit zich zulassen möchte.

  • "Der Hinweis „helle Haut“ wird den Kreis der Verdächtigen nicht stark eingrenzen."

    Augen- und Haarfarbe lassen sich aus dem Genom ebenfalls ableiten. Auch das Geschlecht. Ist die gezielte Suche nach einem männlichen Täter demnach "Sexismus"?

    "Dabei liefert eine erweiterte Analyse kein „genetisches Phantombild“, sondern einen Steckbrief, wo Merkmale nach unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten gegeben sein können – die können eben auch sehr niedrig sein."

    Praktisch alle Indizien, mit denen Polizisten arbeiten, haben einen Wahrscheinlichkeitscharakter. Im Vergleich zur Fehlbarkeit menschlicher Zeugenaussagen dürften DNA-Untersuchungen deutlich überlegen sein.

  • "dass es nicht darum geht, weiße Verdächtige zu finden. Sondern eher darum, Minderheitenmerkmale zu finden." Wie bitte? Natürlich hilft es der Polizei auch, wenn sie weiß, dass der Tatverdächtige hellhäutig ist und alle Menschen mit dunkler Haut in diesem Fall ignoriert werden können.

    Am Ende des Tages ist die DNA-Analyse genauso "diskriminierend" wie die Aussage von Zeugen, die den Täter als einen Rot/Schwarz/Braunhaarigen beschreiben. Sollen Zeugen etwa ab sofort auch ignoriert werden, nur weil sie unter Umständen Minderheiten beschreiben?

    • @gyakusou:

      Mooment:



      Sie schreiben allgemein von "Tätern". Dadurch implizieren Sie, dass Straftaten ausschließlich von Männern begangen werden - wenn das mal keine Diskriminierung ist, was dann?



      Als Service des Hauses nenne ich Ihnen gerne korrekte Alternativen.



      Gesucht werden:



      1: Täter (m/w/d), á la Stellenanzeige



      2: Täter*innen, Genderstern



      3: Täter_innen, Unterstrich



      4: TäterInnen, Binnenmajuskel



      5: Täterixe, á la Hornscheidt.



      Oder, wenn Sie Partizipien lieber mögen:



      6: Tuende (wenn die Straftat gerade begangen wird)



      7: Getan Habende (wenn die Straftat in der Vergangenheit liegt).



      Bitte vergessen Sie nie das Sprachhandeln!

      Gern geschehen!

      • @Filburt:

        wie wärs mit "Täteräh"



        ...oder was soll dieser Sprachkarneval...

      • @Filburt:

        Tja, wenn mal wieder hinter einer Vergewaltigung ein Flüchtling vermutet wird kann es schon recht hilfreich sein wenn die DNA Anlyse einen "weißen" als Täter identifiziert....



        Aber wenn man in allem gleich Rasissmus sieht fallen einem die einfachsten Dinge nicht mehr auf.

      • 0G
        05344 (Profil gelöscht)
        @Filburt:

        Finde ich toll, Sprachhandeln.

        Klasse Service, Filburt. :-)

        Ich selbst bevorzuge beim Schreiben eher wie im Artikel wenn möglich schlicht eine neutrale Form, die alle meinen soll.

        Das wird sicher noch lustig mit den ganzen Fällen...

    • @gyakusou:

      Zeugenaussagen sind notorisch unzuverlässig und haben eine deutlich höhere Fehlerquote als DNA-Analysen. Logischerweise sind sie damit noch wesentlich diskriminierender. Deshalb: Nur noch völlig merkmalsfreie, genderneutrale Fahnungsaufrufe! Und irgendwie muss es doch auch noch hinzukriegen sein, dass die Uhrzeit und das Datum des untersuchten Vorfalls als kulturelles Konstrukt, das nicht mit dem historisch gewachsenen Zeitverständnis möglicherweise involvierter Minderheiten im Einklang steht, ebenfalls aus wohlbegründeten Überlegungen zur Diskriminierungsprävention aus den Akten herauszunehmen ist.

    • 9G
      93138 (Profil gelöscht)
      @gyakusou:

      So isches.

  • Man kann sich auch alles als rassistisch zurecht legen. Und dann bemäkeln.

    Gruppenmerkmale sind in der Kriminologie nichts besonderes. Anders geht es nun mal nicht. Jegliche Studien zu irgendwas basieren auf irgendwelche Merkmalen. Alle potentiell rassistischen Items rauszufiltern, ist doch absurde Antiwissenschaft.

    Wäre es besser, jeder Mensch wird zu Beginn seines Leben DNA-typisiert, um später anhand seiner genetischen Spuren in der Umwelt identifiziert werden zu können?