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Mögliche neue Schul-LockdownsLasst die Schulen in Ruhe!

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Entwarnung vor Corona ist unangebracht – aber auch die Alarmstimmung mit Blick auf die Schulen. Die Situation ist anders als vor einem Jahr.

„Team Vorsicht“ sollte nicht immer die Richtung bestimmen Foto: Michael Weber/imago

E s ist gut, dass die Bundesregierung im Kampf gegen Corona meist relativ vorsichtig war. Niemand kann bestreiten, dass Deutschland auch wegen der lange geltenden Maßnahmen und Regeln besser durch die Pandemie gekommen ist als andere Länder. Aber das bedeutet nicht, dass das „Team Vorsicht“ immer mit allen Warnungen Recht behalten hat und deshalb auch in Zukunft immer die Richtung bestimmen sollte.

Es gibt keinen Anlass zur Entwarnung, aber erst recht keinen Grund für die Alarmstimmung, die schon wieder in manchen Debatten mitschwingt. Das gilt insbesondere für die Diskussionen um das neue Schuljahr. Manche Mahnungen und Warnungen vor möglichen erneuten Schulschließungen klingen so, als befänden wir uns noch im Frühjahr 2020, völlig schutzlos auf dem Höhepunkt der ersten Welle. Dabei gibt es inzwischen längst die zwei wichtigsten Schutzvorkehrungen, die damals händeringend herbeigesehnt wurden: Tests und Impfungen.

Die SchülerInnen können jetzt zum Glück flächendeckend regelmäßig getestet und immerhin ab 12 Jahren auch geimpft werden, was trotz der Stiko-Nichtempfehlung auch zunehmend geschieht. So gut wie alle LehrerInnen haben längst ein Impfangebot erhalten. Nach wie vor gilt die Gefahr von schweren Coronaverläufen bei Kindern als gering.

Derzeit ist kein Szenario erkennbar, das einen weiteren Schul-Lockdown nötig machen müsste. Selbst wenn SchülerInnen wirklich trotz aller Tests und Abstandsregeln in den Schulen das Virus einfangen und an Erwachsene übertragen sollten: Die meisten Erwachsenen sind inzwischen einmal geimpft, und es dauert nicht mehr lange, dann können alle, die es wollen, doppelt geschützt sein.

Die von SchülerInnen möglicherweise noch ausgehenden Ansteckungen träfen also vor allem konsequente Impfverweigerer. Wegen ihnen aber die Schulen zu schließen, kann niemand ernsthaft fordern. Kinder und Eltern hatten vorerst wirklich genug Lockdowns wichtiger Lebenszeit. Lasst uns darüber also bitte erst wieder diskutieren, falls eine Variante anrollt, gegen die auch keine Impfung hilft.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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14 Kommentare

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  • Währenddessen gibt es im Süden der USA, insbesondere Florida, ganz klar eine weitere Welle, die diversen Veröffentlichungen zufolge insbesondere auch Kinder betrifft.

    Hierzu Mark Kline vom Children's Hospital New Orleans:

    twitter.com/DrEric...423133720836558852

    Einige Bespiele aus der Presse:

    CNN: Covid-Fälle bei Kindern haben sich in einer Woche um 84% erhöht; Kinder machen 1.5% - 3.5% der Hospitalisierungen aus:

    edition.cnn.com/20...n-teens/index.html

    Kind auf der Intensivstation: twitter.com/DrEric...423118172857716736

    72000 Kinder in einer Woche positiv getestet in den USA: www.romper.com/lif...ovid-19-aap-report

    Kinder machen 19% der neuen Covid-Fälle aus:

    www.popsci.com/hea...covid-19-children/

    135 Kinder wegen Covid-19 im Krankenhaus in Florida: www.cbsnews.com/vi...talization-record/

    142 Kinder im Krankenhaus in Texas und 135 in Florida (der Artikel enthält zahlreiche weitere statistische Angaben) :

    nordot.app/796081752923176960

    Ersetzen solche Berichte harte wissenschaftliche Befunde, aufgrund derer speziell die StiKo entscheiden kann?

    Sicher nicht.

    Aber rechtfertigt dies andererseits weitgehende Untätigkeit seitens der Politik, dass es hierzu noch keine peer-reviewed wissenschaftlichen Veröffentlichungen gibt, die Monate brauchen?

    Ich denke, nein.

  • Bin Papa von zwei unter Zwölfjährigen hier in Meck-Pomm. Ich sitz noch immer im Home-Office, weil mein Chef weiß, welches seine wichtigste Resource ist: seine Mitarbeiter.



    In den Plenarsälen der Regierung gibt es mobile Luftfilter und Plxieglasabgrenzungen zwischen den Sitzplätzen. In den Schulen gibt es Beides nicht.



    Ja, die Lage ist eine andere. Die Inzidenz ist noch niedrig aber steigt. Es wird bei niedriger Inzidenz getestet. (Nicht so wie in der letzten Welle, wo bei hohen Zahlen mit dem Testen angefangen wurde.)



    Vom Bildungsministerium MV hört es sich so an, als wenn jetzt die ersten zwei Wochen getestet werden soll und als wenn die ersten zwei Wochen die Masken getragen werden sollen.



    Die Lehrerin von meiner kleinen hat keinen Bock auf die Maske. Von ihr kommen so Sprüche wie: „Wir sagen ja hier immer: Es ist nur so was wie eine Grippe. Was uns nicht umbringt macht uns stärker.“



    Die Zahlen steigen. Wenn ich sehe, dass die Maßnahmen nicht ernst genommen werden, nehme ich meine Kinder wieder aus der Schule.



    Beim letzten mal waren meine Kids von Nov. bis Juni nicht in der Schule, weil wir Distanzunterricht beim Schulamt beantragt hatten.



    Die Kinder sind uns als Gesellschaft nicht wichtig. Das Eltern arbeiten gehen können, dass ist wichtig für unsere Gesellschaft. Kosten-Nutzen-Betrachtungen sind wichtiger als die Sicherheit der Kinder in unserer Gesellschaft.

    • @Nikolai:

      Ihr Beitrag lässt mich sehr ungläubig zurück...

      Bitte nehmen Sie die Erkenntnisse der Wissenschaft an, dass Sars-CoV2 für Kinder und Jugendliche weitgehend ungefährlich ist und lassen Sie Ihre Kinder zur Schule gehen.

      Mehr kann ich dazu nicht sagen.

  • Das Problem ist halt, dass die Delta-Variante unter sonst gleichen Voraussetzungen etwa doppelt so viele Leute ansteckt wie die im März 2020 zirkulierende Variante (ihre Basisreproduktionszahl R0 liegt zwischen 5 und 8, eine Person kann im Schnitt bis zu acht weitere anstecken).

    Und das bedeutet schlicht und ergreifend, dass die Hygienemaßnahmen von letztem Winter allein nicht mehr ausreichen, bevor nicht ein sehr hoher Teil der Bevölkerung geimpft sind.

    Ob man jetzt bei Fußballspielen einschränkt, bei Reisen ohne Quarantäne, beim Shoppen, an Büroarbeitsplätzen, oder bei Schulen, das ist eine gesellschaftliche Entscheidung. In den letzten Wochen haben die Schulen dabei klar den Kürzeren gezogen, denn jede Lockerung z.B. bei Fußballspielen erzwingen später mehr Restriktionen an anderer Stelle.

    • @jox:

      In der Schule sitzen aber c.a. 25 Mitglieder verschiedener Haushalte über mehrere Stunden in engen Räumen sprechend zusammen.



      Das sind leider "ideale" Bedingungen zur Virusausbreitung.

      • @drafi:

        Die Virusausbreitung ist nicht das Problem. Die schweren Erkrankungen sind es.

        Und diese kann jeder verhindern, indem er sich impfen lässt. Noch ein paar Wochen, dann haben auch alle, die sich impfen lassen wollten, ihre zweite Impfung und es gibt keinen Grund mehr für signifikante Einschränkungen, schon gar nicht an den Schulen.

        Wir zögern die Pandemie derzeit nur noch hinaus.

        • @Co-Bold:

          > Die schweren Erkrankungen sind es.

          Es gibt durchaus auch Fälle von schweren Erkrankungen bei Kindern. Sie sind nur nicht so häufig wie dass Kinder vom Auto überfahren und getötet werden.

          Aber meinen Sie, das würde eine betroffene Mutter trösten?

        • @Co-Bold:

          > Und diese kann jeder verhindern, indem er sich impfen lässt.

          Theoretisch gäbe es, wenn sich jeder impfen lässt, nur noch sehr wenige schwere Erkrankungen. Praktisch können wir froh sein, wenn wir auf eine Quote von 80% oder 85% kommen. Und das dürfte bedeuten, dass die schweren Erkrankungen auf ca. ein Siebtel reduziert werden, aber eben sicherlich nicht auf Null fallen.

          Außerdem ist die (eher theoretische) Kombination von "alle Impfen" und "alle Hygienemaßnahmen beenden" keine annehmbare. Man wird in der Realität nicht umhin können, sowohl die Impfung als auch die Hygienemaßnahmen zur Reduktion der Verbreitung zu nutzen. Beides steht auch in keinem Gegensatz zueinander, vor allem _kann_ die Impfung ermöglichen, zusammen mit den Hygienemaßnahmen einen weiteren Lockdown zu verhindern - der ohne die Impfung angesichts des extrem hohen Ansteckungsvermögens der Deltavariante praktisch unausweichlich wäre.

  • Vielen Dank für den Kommentar.

    Es gibt exakt keinen Grund mehr für Schulschließungen. Die Schäden der momentan noch geltenden Einschränkungen generell sind aufgrund der immer weiter nachlassenden Gefahr, die eine Infektionswelle noch zu erzeugen in der Lage ist, schon lange nicht mehr zu rechtfertigen.

    Vor allem lassen sich diese Gefahren auch nicht mehr reduzieren, wenn Menschen sich nicht impfen lassen wollen, allerhöchstens aufschieben.

    Momentan ist der einzige Effekt dieser Politik die weitere Spaltung der Gesellschaft. Das macht unser Land kaputt.

    Wieviele der Ungeimpften ohnehin bereits Antikörper besitzen, wissen wir in Deutschland aktuell ohnehin nicht. Es ist komplett verantwortungslos, solche wichtigen Kennzahlen nicht zu erheben und sich auf die im Absolutwert mittlerweile nichtssagende Inzidenz zu stützen.

    Wir haben überhaupt keine Chance mitzubekommen, wenn die Pandemie vorbei ist.

  • "Dabei gibt es inzwischen längst die zwei wichtigsten Schutzvorkehrungen, die [im Frühjahr 2020] händeringend herbeigesehnt wurden: Tests und Impfungen."

    Den PCR-Test auf Corona gab es bereits im Januar 2020. Das hätte man binnen drei Monate mit Pool-Tests auf die gesamte Republik ausdehnen können, wie es jetzt auch in Österreichs Schulen gemacht wird (Tests aller Schüler bei Ferienende).

    Oder, besser noch, hätte man im Januer/Februar 2020 mit einer Kombination aus Tests und stringenten Quarantänen bzw. lokalen Lockdowns den Virus fernhalten können.

  • "Die von SchülerInnen möglicherweise noch ausgehenden Ansteckungen träfen also vor allem konsequente Impfverweigerer." Träumen wir weiter. Oder fragen einmal die Packerin bei Amazon, den DHL-Ausfahrer, die Reinigungskraft in unseren Büros oder aber den Maurer, der unser Reihenhaus baut, ob sie geimpft sind.



    Ach so, mit denen reden wir nicht viel? Genau da aber liegt eines der zentralen Probleme im Moment.Vielleicht sind die ca. 40% Ungeimpften gar nicht alle Impfverweigerer. Sondern Menschen, mit denen wir seit Jahren die Kommunikation verweigern. Und die noch ganz andere Sorgen umtreiben als die um eine Impfung.



    Und nur so nebenbei: deren Kinder gehen auch auf unsere Schulen.

    • @Libuzzi:

      Libuzzi,



      lass uns reden, gar kein Problem. Wenige verweigern die Kommunikation mit mir, kenn aber auch "wir" nicht, wer ist das denn? Bin geimpfte Reinigungskraft in CH. Bin ja nicht blöd, nur weil ich putze.



      Ihr Paketbot wurde, wie auch die Amazonarbeiterin, vom Betriebsarzt oder -ärztin geimpft.



      Und der Maurer kann sich inzwischen vor'm Baumarkt impfen. Wie alle anderen auch.



      Genau, auch mein Kind, 20, geimpft, geht zur Berufsschule in DE mit geimpften LehrerInnen.



      Machen Sie sich mal nicht so'nen Kopf um uns. Wir kommen klar.



      Wenn die Schulen auf bleiben.



      Und alles andere, zumindest für Geimpfte.



      Dann können auch KellnerInnen mit jüngeren Kindern Geld verdienen.



      Die Ungeimpften können dann von uns aus schmollend zu Hause bleiben.



      P.S. Es gibt Länder, da war keine Schule zu, und auch sonst gab es nicht viele Schliessungen, Schweiz zum Beispiel.

      • @Sabine 62:

        > Dann können auch KellnerInnen mit jüngeren Kindern Geld verdienen.



        >



        > Die Ungeimpften können dann von uns aus schmollend zu Hause bleiben.

        Auch ne Lösung. Da wurde immer drauf herumgeritten auf der Situation der Kinder, Alleinerziehenden und der Menschen mit geringem Einkommen. Dass die Maßnahmen unfair wären gegenüber diesen.

        Und nun kann man konkret was machen, um die gesamte Situation zu verbessern - und damit auch die Lage dieser Leute zu verbessern: Nämlich durch die Impfung.

        Warum sollen ausgerechnet diese die Nachteile tragen, welche Leute die sich nicht impfen lassen wollen, verursachen?

    • @Libuzzi:

      Die Paketlieferanten, die unser Unternehmen beliefern, sind alle geimpft, zumindest laut eigenen Angaben. Kontrollieren kann ich das natürlich nicht. Viele Ausbringer wird es nicht geben, die nicht geimpft sind, weil sie nicht bescheid wüssten.

      Der größte homogene Teil der 40% sind zunächst mal Kinder. Dann haben Sie um die 20%, die generell gegen die Impfung sind und viele Jüngere, die sich für nicht besonders gefährdet halten.

      "Und nur so nebenbei: deren Kinder gehen auch auf unsere Schulen."



      Da von uns alle geimpft sind, die das vorziehen, wäre das selbst dann kein Problem, wenn deren Eltern ungeimpft sind.