Mobilfunkausbau in Deutschland: Gestern UMTS, heute LTE, morgen 5G
Ab dem 19. März sollen die Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G versteigert werden. Ein ABC der wichtigen Begriffe.
Autonomes Fahren: eine der Anwendungen, die ohne den neuen Mobilfunkstandard 5G nicht denkbar sind. Denn 5G soll ermöglichen, dass Fahrzeuge untereinander kommunizieren. Und bei dieser Kommunikation müssen die Reaktionszeiten, die sogenannten ▶Latenzen, niedrig sein. Sonst gibt es einen Auffahrunfall, weil ein Fahrzeug die Information darüber, dass das Auto davor gerade bremst, zu spät bekommt.
Bundesnetzagentur: Die Bundesbehörde, die in letzter Zeit wohl für den meisten Ärger in den Chefetagen gesorgt hat. Sie ist dafür verantwortlich, die Versteigerung der Frequenzen für 5G zu organisieren und die Teilnahmebedingungen festzulegen. Aktuell anvisiert ist ein Auktionsstart ab dem 19. März – wenn nicht noch etwas dazwischen kommt (Klagen). Vier Unternehmen dürfen mitbieten: die aktuellen Netzbetreiber Telekom, Telefónica und Vodafone sowie die ▶Drillisch Netz AG. Wer Frequenzen ersteigert, darf hinterher auch Mobilfunkmasten für 5G betreiben.
China: Heimatland von Huawei, einem der wesentlichen Hersteller von Mobilfunk-Infrastruktur, also zum Beispiel Mobilfunkmasten. Die USA befürchten, dass Huawei der chinesischen Regierung Einfallstore zum Beispiel für Wirtschaftsspionage schafft. Auch in Europa gibt es daher Stimmen, die fordern, dass die Netzbetreiber statt der Produkte von Huawei solche von Nokia und Ericsson verwenden.
Drillisch Netz AG: Ein Neueinsteiger. Das Unternehmen, das zum Konzern United Internet gehört, darf bei der Versteigerung mitbieten – als einziges, das bislang kein eigenes Mobilfunknetz hat. Sichert es sich tatsächlich Frequenzen, gäbe es wieder einen vierten Netzbetreiber auf dem deutschen Mobilfunkmarkt (Wettbewerb).
Die Frequenzauktion für den schnellen Mobilfunk-Übertragungsstandard 5G kann wie geplant stattfinden. Das Kölner Verwaltungsgericht lehnte am Freitag Eilanträge der bisherigen Mobilfunk-Netzbetreiber gegen die Rahmenbedingungen der Versteigerung ab. Durch die Abweisung der Anträge kann die Versteigerung der Frequenzblöcke nun wie geplant am kommenden Dienstag starten.
Enabler: Marketingwort, das der Telekom-Chef Timotheus Höttges gerne für 5G verwendet. Was er damit sagen will: Es! Ist! Etwas! Total! Neues! Nie! Dagewesenes! Nur, was das ganz genau sein wird – das ist noch nicht so richtig klar (▶Geschäftsmodelle).
Frequenzen: 2 Gigahertz und 3,4 bis 3,7 Gigahertz – das sind die Frequenzbereiche, die aktuell versteigert werden. Diese Bereiche haben eine eher geringe Reichweite. Für einen großflächigen ▶Netzausbau sind sie daher wenig geeignet. Die niedrigeren Frequenzen, die eine höhere Reichweite bieten, werden erst in einigen Jahren frei.
Geschäftsmodelle: etwas, das für 5G noch weitgehend fehlt. Zwar wird die Industrie ein Interesse daran haben, ihre Produktion weiter zu automatisieren und dafür auch Geld ausgeben. Doch werden Autobesitzer:innen eines Tages zahlen, damit ihre selbstfahrenden Autos mit den aktuellen Baustellenwarnungen versorgt werden? Oder Unternehmen dafür, Videokonferenzen abhalten zu können, bei denen alle mit Virtual-Reality-Brillen gefühlt im selben Raum sitzen? Werden die Krankenkassen bereit sein, sich an den Infrastruktur-Kosten für telemedizinische Anwendungen zu beteiligen? Absehbar ist: Für Nutzer:innen wird es teurer. Denn die Netzbetreiber werden ihre Kosten – von der Ersteigerung der Lizenzen bis zu neuen Masten – wieder reinholen wollen.
Hype-Cycle: typische Entwicklung von neuen Technologien, die die US-Beratungsfirma Gartner schematisch in einer Kurve dargestellt hat. In Sachen 5G befinden wir uns noch relativ am Beginn der Kurve: Marktreif ist die Technologie noch nicht, aber der Hype in den Massenmedien hat schon begonnen. Was noch kommt: der Höhepunkt des Hypes, das Tal der Desillusionierung und dann eine Konsolidierungsphase mit marktreifer Technik und Produkten, die nutzbar sind und genutzt werden.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Industrie: der Player, der am meisten von 5G profitieren soll. Zum Beispiel dadurch, dass mehr Daten in weniger Zeit übertragen werden können, dass sich mehr Geräte vernetzen lassen und diese schneller miteinander kommunizieren können. Und natürlich, weil sich Verbraucher:innen neue Geräte und Dienstleistungen verkaufen lassen.
Jederzeit: Versprechen oder Drohung – je nach Standpunkt. „In Zukunft wird es schwierig sein, nicht online zu sein“, sagte Ende vergangenen Jahres Ken Hu, damaliger Vorsitzender von Huawei (▶China). Damit würden noch mehr Dienste und Anwendungen in der Cloud, also nicht auf dem eigenen Computer, laufen. Die Kontrolle über die eigenen Daten sinkt damit weiter.
Klagen: Versuch, die eigenen Pfründen zu sichern. Fast alle Mobilfunkunternehmen hierzulande haben etwas an den Bedingungen der Bundesnetzagentur für die 5G-Vergabe auszusetzen. Die derzeitigen Netzbetreiber (▶Telekom, Telefónica und Vodafone) lehnen vor allem die Ausbaupflichten ab. So klagt etwa Telefónica gegen die Auflagen zur Versorgung in der Fläche. Potenzielle Neueinsteiger (▶Drillisch Netz AG) dagegen finden, dass es ihnen zu schwer gemacht wird, auf dem Markt Fuß zu fassen. Sollten sich die Kläger vor Gericht durchsetzen, würden die Vergaberegeln unwirksam. Dann müsste die Bundesnetzagentur die Regeln für die 5G-Vergabe neu erarbeiten.
Latenz: Die Reaktionszeit im Netz soll bei 5G unter einer Millisekunde liegen. Wichtig ist das für Anwendungen, bei denen es darauf ankommt, dass es bei der Kommunikation schnell geht – etwa beim ▶autonomen Fahren. Gemeinsam mit der Datenrate ist die Latenz einer der Punkte, an dem sich 5G am stärksten von den Vorgängernetzen unterscheiden soll. So soll die Datenrate mit 5G zunächst auf 10 Gigabit pro Sekunde steigen. Zum Vergleich: Die Telekom verspricht im aktuellen LTE-Netz bis zu 300 Megabit pro Sekunde – die aber selten erreicht werden.
Moos: Möglichkeit zum Greenwashing. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona präsentierte die Telekom die Idee einer Mobilfunkantenne als Stadtmöbel – rechteckig und niedrig, oben mit Moos bepflanzt, das die Luft verbessern soll, unten mit einer Sitzbank. Offen bleibt, ob das tatsächlich umgesetzt wird. Und wer sich zum Verweilen direkt vor eine Antenne setzen mag.
Netzausbau: die große Frage bei 5G. Denn ein neuer Mobilfunkstandard bietet die Gelegenheit, den Netzbetreibern Vorschriften zu machen, wie viel Fläche sie abdecken müssen. Während es in Städten ohnehin attraktiv ist, das Netz auszubauen – viele potenzielle Kunden –, sieht es in ländlichen Regionen anders aus. Die ▶Bundesnetzagentur hat daher eine ▶Quote vorgeschrieben.
Olympische Spiele: beliebte Gelegenheit, um zu zeigen, was man als Land 5G-mäßig so drauf hat. Südkorea nutzte sie bereits bei den Winterspielen 2018, Japan will bei den Sommerspielen 2020 nachziehen. In Pyeongchang konnten Zuschauer:innen live die Abfahrt von Bobfahrer:innen aus deren Perspektive sehen – dank einer Kamera am Helm, die die Daten per 5G weiterfunkte.
Pillepalle: So ließe sich zusammenfassen, was, jenseits von selbstfahrenden Autos, aktuell an Einsatzideen von 5G für Privatanwender:innen vorhanden ist. Etwa eine Anwendung, über die Nutzer:innen synchron ein Duett vortragen können. Im aktuellen Mobilfunknetz wäre die ▶Latenz zu hoch.
Quote: Vorgabe der ▶Bundesnetzagentur. Bis 2022 müssen mindestens 98 Prozent der Haushalte mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde angebunden sein. Das heißt aber erstens noch nicht, dass auch 98 Prozent der Fläche funklochfrei sind. Und zweitens nicht, dass die Haushalte 5G haben. Denn 100 Megabit pro Sekunde lässt sich auch mit dem aktuellen Standard, LTE, erreichen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) etwa fordert daher statt 98 Prozent eine flächendeckende Versorgung.
Roaming, nationales: Streitpunkt bis hin zu einer Glaubensfrage: Wenn in einem Gebiet das Funknetz schlecht ist – sollen Kund:innen, die dort im Funkloch sind, das vorhandene Netz eines anderen Anbieters mitnutzen dürfen? Muss also zum Beispiel die Telekom ihr Netz für die Telefónica-Kundin im Funkloch öffnen? Die Bundesnetzagentur hat darauf verzichtet, das vorzuschreiben. Eine Glaubensfrage ist der Punkt vor allem deshalb, weil es unterschiedliche Auffassungen dazu gibt, was so eine Vorschrift für Konsequenzen hätte. Würde es die Situation für Nutzer:innen verbessern, weil nicht mehrere Anbieter ihre Netze parallel aufbauen müssen, was natürlich viel teurer ist? Oder verschlechtern, weil Netzanbieter im Zweifelsfall lieber den einzigen Mast abbauen, als Kunden der Konkurrenz mit rein zu lassen?
Strahlung: Was beim Mobilfunk entsteht, sind hochfrequente elektromagnetische Felder. Die haben nachgewiesenermaßen eine thermische Wirkung auf Menschen. Das heißt: Die Körperstelle, an der sich das Telefon befindet, erwärmt sich. Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat hochfrequente elektromagnetische Felder 2011 in der Gruppe 2B der IARC-Skala eingestuft, als „möglicherweise krebserregend“. Angesichts von Studien, die schädliche Auswirkungen nahelegen, fordern über 50.000 Unterzeichner:innen aus aller Welt in einem Appell daher, den 5G-Ausbau zu stoppen. Aktuell gelten lediglich Grenzwerte, unter anderem für Endgeräte. Für Handys und Smartphones ist dabei der SAR-Wert maßgeblich. Der gibt die Strahlung in Watt pro Kilogramm Gewebe an. Die Geräte sollen dabei einen SAR-Wert von 2 nicht überschreiten. Das tut hierzulande auch kein Hersteller, doch 2 ist immer noch ein recht hoher Wert. Das Umweltbundesamt empfehlt höchstens 0,6. Auffallend schlecht schneiden übrigens Apple-Geräte ab. Das iPhone 8 bringt es laut der Liste des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) auf einen SAR-Wert von 1,32 – die anderen iPhones liegen mehrheitlich um 0,9. Zum Vergleich: Es gibt diverse Modelle, die bringen es nur auf SAR-Werte im Bereich von 0,3. Und dabei ist die Methode, mit der der SAR-Wert eines Telefons ermittelt wird, nur bedingt realistisch. Laut BfS sieht die entsprechende Messnorm vor, dass die Hersteller die Strahlung bei einem Abstand von 0,5 Zentimetern vom Gerät zum Körper ermitteln. Wer sein Telefon also direkt ans Ohr hält, ist höherer Strahlung ausgesetzt.
Telekom, Telefónica und Vodafone: Die drei aktuellen Betreiber von Mobilfunknetzen in Deutschland, die gerne unter sich bleiben würden (▶Wettbewerb).
UMTS: 3G und damit Vorvorgängerstandard von 5G. Dazwischen kommt 4G alias LTE – selbst da befindet sich das Netz noch im Aufbau.
Verbrauch: Zwar soll der Stromverbrauch pro übertragenem Bit im Vergleich zur Vorgängertechnologie LTE um den Faktor 1.000 sinken, zumindest laut Netzwerkausrüster Huawei. 5G wäre damit deutlich effizienter. Doch: Die Menge der übertragenen Daten soll drastisch steigen. Ziemlich wahrscheinlich also, dass unterm Strich der Stromverbrauch steigt.
Wettbewerb: im Mobilfunksektor in Deutschland nur in Spuren vorhanden. Denn seit der Übernahme des Mobilfunkanbieters E-Plus durch Telefónica vor fünf Jahren gibt es nur noch drei Betreiber von Mobilfunknetzen in Deutschland. Die Folge des überschaubaren Wettbewerbs: mittelmäßiger Service, hohe Preise. Die finnische Beratungsfirma Rewheel untersuchte im vergangenen Oktober, wie viele Gigabyte Mobilfunk-Kund:innen für 30 Euro bekommen. Im Vergleich der 28 EU-Länder landete Deutschland dabei auf Platz 21 – mit 50 Gigabyte für 30 Euro. Zum Vergleich: In Österreich gibt es für 13,99 Euro unbegrenzten Zugang. Die Situation wird sich wohl auch mit 5G nicht großartig verändern. Denn die ▶Bundesnetzagentur garantiert Mobilfunkanbietern ohne eigenes Netz – zum Beispiel die Anbieter von Lebensmitteldiscountern – keinen Zugang zum 5G-Netz der Netzbetreiber. Dafür hatte unter anderem das Bundeskartellamt geworben.
X-fach: Ausmaß, in dem das Angriffsrisiko steigen wird, wenn immer mehr Geräte vernetzt werden zum Internet der Dinge, für das 5G die Voraussetzung sein soll (▶autonomes Fahren). Mehr Geräte heißt mehr Software heißt eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo eine Sicherheitslücke drin ist. Oder mehrere.
Yttrium: Metall aus der Gruppe der Seltenen Erden und Bestandteil von Smartphones, steckt zum Beispiel in Speicherchips. Steigen Nutzer:innen in einigen Jahren auf 5G-fähige Telefone um, wird wohl eine weitere Ladung Yttrium ungenutzt in Schubladen verschwinden.
Zeit: Komponente mit einigen Unwägbarkeiten. So die Versteigerung wie geplant im März startet (▶Klagen), ist auch das nur der erste Schritt. Der zweite: Der Aufbau des Netzes, also neue Kabel, Masten oder, wo sich bereits vorhandene Mobilfunkmasten auf 5G umstellen lassen, die Umstellung. Nutzer:innen in Deutschland werden voraussichtlich im kommenden Jahr erste Veränderungen merken. Dann soll die Technologie marktreif sein. Das heißt: erste Geräte, die im 5G-Netz funken können, und entsprechende Verträge seitens der Mobilfunkanbieter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen