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Mit Maskenmuffeln in der Straßenbahn„Hallo! Hören Sie mich?“

Was tun, wenn die Mitfahrenden in der Straßenbahn lieber Pommes essen als Maske zu tragen? Unsere Autorin zögert, dann greift sie ein.

Maske to go im U-Bahnhof Turmstraße in Moabit Foto: picture alliance/dpa | Carsten Koall

D ie Türen schließen. Mit einem Ruck fährt die nahezu vollbesetzte M10 los. Ich klammere mich wieder an die Stange, meine Finger schwitzen ununterbrochen in den Gummihandschuhen. Schrill quietschend schlängelt sich die Straßenbahn um die nächste Ecke. Etwas weiter nach hinten, inmitten des ersten Wagens, erweckt ein Fahrgast den Eindruck, die Kurve nicht zu kriegen. Seit dem Hauptbahnhof habe ich ihn im Visier.

Um die vierzig, Halstätowierungen, Dreitagebart, Latzhose mit einer offenen Lonsdale-Jacke. Auf seinem kahlgeschorenen Haupt trägt er eine Pudelmütze, die mit einem kabellosen Kopfhörer fixiert wird. Er trägt keinen Mund-Nasen-Schutz. Ganz im Gegenteil. Mit vollen Backen mampft der Kerl seine Pommes, nippt an seinem Bierchen. Sein Verhalten stört offenbar auch andere Passagiere, aber sie wagen es nicht, ihm etwas zu sagen.

Nach langem Zögern gedenke ich einzugreifen. Mit baumelnden Taschen mache ich mich auf den Weg. Ein junger Mann kommt auf die Füße und bietet mir seinen Sitzplatz. Ich verneine, augenzwinkernd, und erkläre ihm, dass ich den Maskenverweigerer ansprechen wolle. „Viel Glück“, sagt er, während er sich wieder hinsetzt. „Das bringt doch nichts“, meint seine Sitznachbarin. „Das gibt nur Ärger.“

Aus dem Nichts ertönt die automatische Ansage, die an die Maskenpflicht erinnert. Ich warte geduldig, bis der zweisprachige Hinweis durch ist. „Entschuldigung, aber würden Sie bitte Ihre Maske aufsetzen?“ frage ich mit 2-Meter-Abstand. „Die Maske. Bei der BVG ist es Pflicht.“

Wir fahren am Mauerpark vorbei, der Kerl mauert dementsprechend. „Hallo! Hören Sie mich?“

„Wat?“, erwidert er mit Stirnrunzeln, während er seine gepolsterte Ohrmuschel wegbiegt. Ein Rabauke mit Reibeisenstimme. „Lass mich in Ruhe, Mädchen. Ick will nüscht von dir.“

„Das beruht auf Gegenseitigkeit“, versichere ich. „Ich möchte nichts von dir bekommen. Stichwort Omicron. Ich bin sechzig, ich bin in der Risikogruppe. Zeig ein bisschen Mask-Ulinität. Würdest du höflicherweise deinen Mund und deine Nase bedecken? Wenn du eine Maske brauchst, kann ich dir eine geben. Frisch, einzeln verpackt. Hör mal, die Prüfer kommen, und dann wird’s teuer.“

„Ick hab’n Attest“, behauptet er. „Muss ich dir nicht zeigen, ja? Außerdem esse ick, verdamm’ noch mal.“

Er trägt keinen Mund-Nasen-Schutz. Ganz im Gegenteil. Mit vollen Backen mampft der Kerl seine Pommes, nippt an seinem Bierchen.

Den Maulkorb aufsetzen

Das ist natürlich keine Rechtfertigung seines Verhaltens, zumal die Beförderungsbedingungen der BVG das Mitführen von offenen Speisen und Getränken verbieten. Dies wird von den Hinweisklebern mit den durchgestrichen Pommes beziehungsweise Flaschen veranschaulicht. Sie befinden sich vertikal angeordnet an den Tramtüren, allerdings meist draußen. Gemeinsam mit den Schildchen, die das Rauchverbot aussprechen und daran erinnern, Hunde anzuleinen und mit Maulkorb zu versehen. Aber dieser fressende Hund denkt nicht daran, den Maulkorb aufzusetzen.

Echauffiert gehe ich zum Führerstand. Der hermetisch abgeriegelte Tramfahrer lässt sich aber nicht mal an der Haltestelle stören. So steigt der Maskenverweigerer unbehelligt an der Eberswalder Straße aus.

Einen Tag später am Alex weise ich einen pausierenden Straßenbahnfahrer der M2 darauf hin, dass eine niesende Passagierin keine Maske trägt. Achselzuckend quält er die Kippe. Er könne nichts unternehmen. „Die schimpfen, die spucken und die schlagen zu. Wer will det?“

Das wäre ein Fall für die Sicherheit. Wenn ich mich mittels der Service-Hotline beschwere, heißt es, das Eingreifen sei in der Diskretion des Fahrers. Also Ruhe bewahren, auf die Kontrolleure warten. Und gesund bleiben.

It’s impf-possible.

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Michaela Dudley
Journalistin/Kabarettistin
Michaela Dudley (Jg. 1961), eine Berliner Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln, bezeichnet sich als „Frau ohne Menstruationshintergrund, aber mit Herzblut, in der Regel“. So lautet ihr Signatur-Lied, und so kennt man sie als wortgewandte taz-Kolumnistin. Sie ist Kabarettistin, Filmschauspielerin, Keynote-Rednerin, Journalistin und gelernte Juristin (Juris Dr., US). Ihr 2022 veröffentlichtes Buch RACE RELATIONS: ESSAYS ÜBER RASSISMUS (2. Aufl. 2024), das als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus reüssiert, erklärt: „Die Entmenschlichung fängt mit dem Word an, die Emanzipierung aber auch“. Ebenfalls 2022 erschien ihr Essay „Weimar 2.0: Reflexionen zwischen Regenbogen und Rosa Winkel“ in dem vom NS-Dokumentationszentrum München und Hirmer-Verlag herausgegebenen Buch TO BE SEEN: QUEER LIVES 1900 – 1950. Die LGBTQ_Aktivistin ist auch Stammkolumnistin bei der „Siegessäule“ und Gastredakteurin beim „Tagesspiegel/Queerspiegel“. Auf der Frankfurter Buchmesse 2023 als eine von 75 erlesenen Story-Teller:innen auf dem Paulsplatz mit einem symbolischen Klappstuhl ausgezeichnet. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Italienisch, Latein und Hebräisch. Zudem Sie arbeitet sie mit dem Goethe-Institut zusammen. Gelobt wird sie überdies für ihren Auftritt im Spielfilm GESCHLECHTERKAMPF: DAS ENDE DES PATRIARCHATS (2023). In der neo-dokumentarischen Berliner Satire spielt sie sich selbst, und zwar in einer von ihr geschriebenen Szene. Auf dem 37. Braunschweiger Filmfest diente sie als Jurymitglied der Sektion „Echt“ für queere Filme. Von 2018 bis 2022 war sie eine offizielle Übersetzerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) für das Pressebüro und die Sektion Generation. 2019 agierte sie als Gastmoderatorin bei der Live-Übertragung von Berlin Pride (CSD) im RBB-Fernsehen. Regelmäßig erscheint sie in der „Kulturzeit“ (3Sat/ZDF). Im Aufklärungsvideo HAB’ ICH WAS GEGEN (2023) der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (44 Millionen Klicks) und in einem Beitrag für „ttt – titel, thesen, temperamente“ über das Selbstbestimmungsgesetz (110.00 Klicks in 24 Stunden) tritt sie auf. Als Impulsgeberin in puncto Diversity hielt sie Keynote-Reden bei der Deutschen Bahn, der Führungsakademie der Bundesagentur für Arbeit, dem DGB und im geschichtsträchtigen Schöneberger Rathaus. Oktober 2023 in der Arena Berlin moderierte sie für Funke-Medien eine brandaktuelle Diskussion über Antisemitismus und Rechtsextremismus. Ihr Solo-Kabarettprogramm EINE EINGEFLEISCHT VEGANE DOMINA ZIEHT VOM LEDER ist eine „sado-maßlose“ Sozialsatire mit eigenen musikalischen Kompositionen. Ihre diversen Auftrittsorte umfassen die Volksbühne, das SchwuZ, und die BKA (Berliner Kabarett-Anstalt.)
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11 Kommentare

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  • "Zeig ein bisschen Mask-Ulinität."

    Grandios :D

  • Es kann meines Erachtens auch nicht die Aufgabe der Bürger sein, andere Bürger zur Einhaltung staatlich verordneter Maßnahmen zu bewegen.

    Dass man im ÖPNV so eine Maske tragen soll, ist eine Regel, an die sich glücklicherweise die meisten Menschen halten. Dass es die Aufgabe der Polizei oder von Sicherheitsdiensten ist, solche Regeln durchzusetzen -- auch das ist eine Regel, an die sich zum Glück die meisten Menschen halten.

  • Die immer, wiederkehrende Frage nach dem Bürgermut oder auch Alltagsmut.(Coronamut)



    Die Frage nach dem, wie würde ich reagieren ist von vielem Abhängig.



    Thema. Tagesform. Physische Gegebenheiten. Gibt es Verbündete.



    Im Beitrag ist die Echtzeit sehr realistisch dargestellt.



    Wat, is zwar nur ein kleines Wort kann aber in stimmlichen Variationen vieles bedeuten!



    .. Aber dieser fressende Hund denkt nicht daran, den Maulkorb aufzusetzen...



    Hund, Elender!



    Kann ick nachvollziehen.

    • @Ringelnatz1:

      Jungs, ick bin bei Euch (R1 und 🏴‍☠️)



      Auch wenn ich aufm platten Land eher weniger Metro fahre, ick sach nur - Tagesform!



      🤬

    • @Ringelnatz1:

      Seh ick och so. Hängt von der Tagesform ab.

      Und Halstattoo, das ist meistens schlecht. Scheint mir das Tränentattoo der Knackis abgelöst zu haben.

  • "Ich bin sechzig, ich bin in der Risikogruppe. "

    Der Autorin scheint nicht klar zu sein, dass die Ansteckungsgefahr größer wird, wenn sie in die Nähe des Mannes geht und mit dem Mann spricht, so daß sie direkt seinem Atem ausgesetzt ist.

    Ich würde daher empfehlen, das nächste mal einfach größeren Abstand zu halten, anstatt sich (sinnlos) in Gefahr zu begeben.

    • @Zacharias Fögen:

      Mit Abstand und Schmackes durch's Abteil brüllen. Schafft Aufmerksamkeit und wahrt die Distanz ... hm ...

  • Was würde der Fahrer wohl machen, wenn ein Fahrgast:in sich eine fette Zigarre anstecken täte ?

    • @Bolzkopf:

      beim gleichen Typen? Auch wegschauen.

    • @Bolzkopf:

      Frahen'oppa ooch eene ham' kann, weila gleich Pause hat.

    • @Bolzkopf:

      nüscht - dit is berlin