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Mit GEZ-Schulden im GefängnisNeues aus der Anstalt

Ein Mann zahlt jahrelang keinen Rundfunkbeitrag. Dafür muss er in den Knast. Schuld daran sind aber nicht die Öffentlich-Rechtlichen.

GEZ-gebührenfreier Aufenthalt: eine Gefängniszelle in Deutschland Foto: Max Kovalenko/imago

W ie kaputt ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, wenn er zu solchen Mitteln greift“, fragt gerade mal wieder die Community der GEZ-Hasser auf Twitter. Denn da sitzt ein Mensch seit rund drei Monaten im Knast. So viel ist sachlich richtig, dann hört es mit den Fakten aber schon auf. Nicht der WDR, dem dieser Mensch ein paar Jahre Rundfunkbeitrag schuldet, hat da wen eingebuchtet. Dieser Ordnungswidrige sitzt in der so genannten Erzwingungshaft, weil er keine Vermögensauskunft abgeben möchte.

Die wird fällig, wenn jemand angemahnte Gelder, Beiträge oder Gebühren nicht zahlt und den Ge­richts­voll­zie­­he­r*in­nen keinen Einblick in seine Finanzen gewährt. Nichtgezahlte Überziehungsgebühren bei der Bibliothek oder Schwarzfahren und eben auch der Rundfunkbeitrag sind gerne mal so Fälle.

Für die Öffentlich-Rechtlichen ist die dadurch entstehende Aufregung so überflüssig wie ein Kropf oder „Sprüche vor acht“. Vor allem wenn sich wie jetzt auch sofort die AfD mit ihrem „ARD abschaffen“ dranhängt. Wenn WDR-Chef Tom Buhrow, der gerade passenderweise auch ARD-Vorsitzender ist, den Fall nur aus der Presse kennt, ist das hoffentlich fromm geflunkert. So hat es Buhrow aber am Montag beim Pressegespräch zum Start der neuen Verbundmediathek von ARD und ZDF gesagt. Und dass er zu Einzelfällen ohnehin nichts sagen dürfe. Versuch macht also doch nicht klug.

Denn es gab in den letzten Jahren immer wieder solche Vergehen. Damit endlich Ruhe im Erzwingerclub einkehrt, müssen alle Anstalten und die Vollstreckungsbehörden zu besseren Lösungen kommen. Denn pro 100 Euro, die ARD, ZDF und Deutschlandradio geschuldet werden, entsteht ein Imageschaden von locker 100.000 Euro.

Es gibt auch bessere Ansätze wie die Auskunftsrechte der Behörden über das Bundeszentralamt für Steuern. Doch viele Ge­richts­voll­zie­he­r*in­nen scheuen den Papierkram und reiten lieber so sheriffmäßig mit der Polizei im Schlepptau ein. Bevor sich jetzt der gesamte Berufsstand aufregt: Ja, auch ihr habt eure Vorschriften und teilweise macht es jede Kommune, jedes Landratsamt auch noch ein bisschen anders. Ein Austausch findet kaum statt.

„Warum gibt es denn hier eigentlich keinen Gerichtsvollzieherverbund, wo sich alle verlinken wie bei den Mediatheken,?“, fragt die Mitbewohnerin. Klar ist das mühsam und dauert wie das „Strea­ming-Netzwerk“ von ARD und ZDF. Nen Versuch wäre es aber wert.

Immerhin stimmt eins versöhnlich. In der Anstalt muss keiner für die Anstalt zahlen. Denn „Hafträume in Justizvollzugsanstalten“ gelten nicht als Wohnung oder Betriebsstätte und sind deshalb vom Rundfunkbeitrag befreit.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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8 Kommentare

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  • Wer in den Knast will, der geht eben in den Knast... hätte der gute Mann seine Vermögensauskunft abgegeben, dann hätte der Gerichtsvollzieher nicht zu dem Mittel auf Antrag des Gläubigers greifen können.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Getreu dem Motto: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.

    20 Mrd. Euro durch Schlamperei und Nichtstun in den Sand gesetzt beim Wirecard Skandal.



    Wäre ich Scholz oder Schäuble, ich würde vor Scham im Boden versinken. Das Tollste aber ist, beide werden damit durchkommen und das dumme Volk wird die CDU und SPD wieder wählen.



    Das größte Kapitalverbrechen seit dem 2. Weltkrieg!!!!!

  • Das Problem an Zwangsmitteln ist: Wenn jemand erst mal so wütend ist, dass er/sie/es aus Frust alles in Kauf nimmt, womit andere drohen können, sind sie relativ wirkungslos.

    Es liegt leider in der Natur des (untauglichen) Prinzips, dass Leute, die Zwangsmittel nutzen (wollen), nicht genug Fantasie und/oder Mut haben, sich das tatsächlich vorzustellen.

    Das Sprichwort sagt: „Das, was ich selber denk‘ und tu‘, trau‘ ich auch allen and’ren zu.“ Eigentlich müsste es anschließend noch weiter gehen: „Und was nicht, das nicht.“ Aber wir Deutschen sind nun mal das „Volk der ersten Strophe“ - und außerdem ganz große Freunde fett gedruckter Überschriften.

  • "Wie kaputt ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, wenn er zu solchen Mitteln greift“, fragt gerade mal wieder die Community der GEZ-Hasser auf Twitter. Denn da sitzt ein Mensch seit rund drei Monaten im Knast. So viel ist sachlich richtig, dann hört es mit den Fakten aber schon auf."

    Danach hört es mit dem Mut Steffen Grimmbergs vom Turm zu springen ebenfalls auf, nach dem Kernproblem in trüben Wassern unseres Rechtsstaates zu tauchen, der aus Ordnungswidrigkeiten sog. Containern, Mundraub, Schwarzfahren, GEZ Gebühren Schulden nach Opportunität Gemüsehändlern, Tante Emma Läden, Supermarkteignern, Aldi, Lidl, Netto, Tengelmann, Kaiser Kaffeegeschäften, Penny, ÖPNV-Betreibern, öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Deutschland Straftatbestände macht, im Falle von Nichtbezahlung der Schulden samt überzogenen Mahngebühren Erzwingungshaft anordnet, die allein für sich genommen öffentliche Hand um Vielfaches an Kosten mehr belastet, als nach eingehender Belehrung in Mediationsverfahren gegebenenfalls ersatzweise Zahlung der Schuldner *nnen gegenüber zivil-, öffentlich-rechtlichen Gläubigern und sei es durch zinsloses Darlehen zu übernehmen.

    www.zeit.de/gesell...g-verbot-diebstahl

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Joachim Petrick:

      "Wie kaputt ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, ...

      Das ist deutsches Recht!!!



      So kaputt ist diese Republik.

  • Diskussionen über dieses Thema sind übrigens unerwünscht:



    www.youtube.com/watch?v=JcLeQ0j5SPE

  • Ich habe noch nie begriffen, warum man sich eine ganze Behörde leisten muss, um Geld für die ÖR Sender einzutreiben - dafür gibt es doch das Finanzamt. Wenn eh alle beitragen müssen, dann kann man doch gleich aus Steuermitteln finanzieren. Das hätte gleich noch den Charme, dass im Idealfall starke Schultern viel Last tragen und schwache Schultern gar keine. Die leidige Diskussion um säumige Zahler wäre auch gleich vom Tisch.

    Dass die Sender durch eine separate Gebührenbehörde angeblich irgendwie von der Politik unabhängiger sind, ist doch sowieso Augenwischerei.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Winnetaz:

      Wenn eh alle beitragen müssen, dann kann man doch gleich aus Steuermitteln finanzieren.

      So wie bei der Kirchensteuer?

      Aber sie haben nicht ganz unrecht. Das war auch mal mein Gedanke.



      Folgende Unternehmen/Institutionen können über Steuermittel gleich finanziert werden, die ja von allen in Anspruch genommen werden.



      Krankenkasse - ein bis drei wären ausreichend.



      Telekommunikation - staatlich!



      Bahn - staatlich



      Versicherungen - staatlich



      Stromanbieter - staatlich



      Wasserversorgung - staatlich

      Das würde natürlich zu einer enormen Kosteneinsparung führen - Effizienz und Gewinne gäbe es meist gar nicht.



      Obst- und Schuhverkäufer sowie Friseure wären natürlich ausgenommen.