Missstände in der Massentierhaltung: Aldi will für Tierschutz zahlen
Wenn es Schweinen und Hühnern besser geht, sollen Bauern mehr Geld von Supermärkten bekommen. Die Bedingungen für „mehr Tierwohl“ sind mau.
BERLIN taz | Die großen Supermarktketten wollen Bauern Zuschläge zahlen, wenn sie ihre Tiere besser behandeln. Schweinehalter sowie Hähnchen- und Putenmäster bekämen einen Kostenausgleich, „wenn sie über das gesetzliche Maß hinausgehende Leistungen für mehr Tierwohl erbringen“, teilte die brancheneigene Qualitätssicherungsfirma QS mit. Die ersten Betriebe sollen 2014 nach „unabhängigen Kontrollen“ zertifiziert werden.
Branchenkreisen zufolge werden Aldi, Lidl/Kaufland, Edeka/Netto, Metro und Rewe/Kaiser‘s Tengelmann mehrere Millionen Euro in einen Fonds zahlen, der die Zuschläge für die Landwirte finanziert. Die Bedingungen für die Bauern hat die Initative bisher nicht bekanntgegeben. Beteiligten zufolge wird diskutiert, dass jeder Landwirt mehrere Kriterien erfüllen muss.
Diese werden offenbar sehr niedrig sein, zum Beispiel die Teilnahme am sogenannten QS-System, das vor allem die Einhaltung der Gesetze überprüft. Das für Schweine wichtige "Beschäftigungsmaterial" Stroh, mehr Platz im Stall als gesetzlich vorgeschrieben und der Verzicht auf das Kürzen der Schwänze werden bisher nur als Wahlkriterien verhandelt. Für sie sollen die Bauern zusätzlich Geld bekommen.
Wiesenhof macht auch mit
Der Deutsche Bauernverband und Schlachtkonzerne wie PHW/Wiesenhof - der gerade wieder in einen Tierquälerskandal verwickelt ist -, Tönnies und Vion beteiligen sich ebenfalls an der Initiative.
Doch das neue Konzept hat Lücken: Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kritisierte, dass auf den Produktverpackungen nicht zu erkennen sein werde, welche Kriterien der Erzeuger erfüllt hat. „Handel und Schlachtindustrie scheuen beim Fleisch die Transparenz und damit die Wahlfreiheit der Kunden“, sagte AbL-Chef Bernd Voß.
Die Tierschutzorganisation ProVieh forderte, dass unabhängige, von anerkannten Tierschutzverbänden entsandte Kontrolleure die Betriebe unangekündigt überprüfen können. „Damit steht und fällt die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Initiative“, erklärte Geschäftsführer Stefan Johnigk. Bisher ist das nicht geplant.
Grundsätzlich hält Johnigk viel von der Idee hinter der Initiative. „Mit Labeln wie dem Bio-Siegel lassen sich höchstens 20 Prozent des Marktes erreichen.“ Das fondgestützte Bonussystem für die Bauern könne den Massenmarkt erobern, weil es von marktbeherrschenden Handelskonzernen getragen werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben