Misshandlung von Asylbewerbern: Es geht nicht nur um Gewalt

Die Betreiber von Asylbewerberunterkünften sollen besser kontrolliert werden. Menschenrechtsorganisationen fordern mehr.

Bewohner einer Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenberg, Thüringen. Bild: dpa

KÖLN taz | Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl fordert die Einführung von Zertifizierungen für Betreiber von Flüchtlingswohnheimen – und unabhängige Beschwerdestellen für die Bewohner. Gewalt gegen Flüchtlinge sei nur eines von vielen Problemen dort, sagt Tobias Klaus von Pro Asyl. Auch die hygienischen Zustände seien vielerorts katastrophal.

Für die Asylbewerberheime sind die Länder zuständig. Entsprechend unterschiedlich sind die Regeln für die Betreiber. Die Einrichtungen werden sowohl von Wohlfahrtsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) als auch von profitorientierten Anbietern wie European Homecare betrieben.

Bewerben können sich Interessiert bei den zuständigen Behörden, in Nordrhein-Westfalen ist das die Bezirksregierung Arnsberg. Die Betreiber anderer Heime – etwa im Bereich Altenpflege – müssen ihre Einrichtungen zertifizieren lassen. Für die Betreiber von Unterkünften für Flüchtlinge ist weder in NRW noch in anderen Bundesländern eine Zertifizierung erforderlich, kritisiert Klaus: „Es braucht immer erst einen Skandal, bis sich etwas ändert.“

Mit einer Zertifizierung könnte sichergestellt werden, dass ein Mindestmaß an Standards in den Wohnheimen für Asylsuchende aufrechterhalten wird – wenn es dabei auch engmaschige Kontrollen durch die Behören gibt. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen sind die aber zurzeit gegenüber den Betreibern sehr kulant. „Gerade im Moment ist man froh, wenn die Flüchtlinge überhaupt untergebracht werden“, so Klaus. „Es kann aber nicht sein, dass deshalb überhaupt keine Standards mehr eingehalten werden.“

Keine Chance, sich zu wehren

„Asylantenschwemme“: Es gibt nicht genug Unterkünfte, um dem Heer der Schutzsuchenden Herr zu werden, klagen deutsche Politiker. Das erinnert an die unsägliche Diskussion Anfang der 90er Jahre.

„Asylkompromiss“: Auch European Homecare (EHC) begründet die Nichteinhaltung von Standards mit der derzeitigen Notsituation. Doch die ist von der Politik selbst herbeigeführt - eine Folge des unsäglichen Asylkompromisses von 1993. Im Jahr zuvor betrug die Anzahl derjenigen, die einen Erstantrag auf Asyl stellten, 438.191. Von da an gingen die Zahlen dramatisch nach unten. Folge: Vielerorts wurden Aufnahmeeinrichtungen geschlossen.

„Notstand“: Seither suchen hier wieder mehr Menschen Schutz. 2013 beantragten 109.580 Flüchtlinge Asyl. Im Jahr 2014 waren es bis August bereits 99.592. Das sind zwar weit weniger als 1992. Nur gibt es heutzutage noch viel weniger Flüchtlingsheime.

Für die Bewohner gibt es bislang kaum Möglichkeiten, sich zu wehren. Die aktuellen Misshandlungen und Demütigungen in den NRW-Flüchtlingsheimen sind eher zufällig bekannt geworden. „Bis solche Vorfälle ans Licht kommen, dauert es sehr lange“, sagt Antonia Kreul vom Flüchtlingsrat NRW. Die Einrichtungen müssten viel stärker kontrolliert werden.

Wie Pro Asyl fordert auch der Flüchtlingsrat ein unabhängiges Beschwerdemanagement, an das sich Heimbewohner anonym wenden können. Dabei dürfe aber nicht die Heimleitung Anlaufstelle sein, warnen die Organisationen. Den Flüchtlingen müsse bereits bei der Ankunft im Heim mitgeteilt werden, wo sie sich beschweren können.

Zudem fordert der Flüchtlingsrat, dass Wohnheime und Erstaufnahmeeinrichtungen grundsätzlich nicht von gewinnorientierten privaten Organisationen betrieben werden dürfen. Stattdessen sollen Wohlfahrtsverbände die Verantwortung für die Einrichtungen übernehmen. „Die haben satzungsgemäß andere Ziele als kommerzielle Anbieter“, so Kreul.

Eine Garantie für eine humane Behandlung ist das allerdings nicht. In einer Flüchtlingsunterkunft des DRK im siegerländischen Bad Berleburg sollen zwei Wachleute einen Bewohner verletzt haben. Gegen die 30 und 37 Jahre alten Männer wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

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