Ministerpräsidentenwahl in Thüringen: Ein unwürdiges Gewürge
Um nicht noch mehr Glaubwürdigkeit zu verspielen, sollte sich die CDU auf ein Bündnis mit Ramelow einlassen.
V ielleicht setzt sich in der Thüringer CDU ja doch die Einsicht durch. Die Einsicht, die vielen außerhalb der machtverliebten Thüringer Christdemokraten, die noch immer nicht verwunden haben, nur noch drittstärkste Kraft im Erfurter Landtag zu sein, gleich am Montagabend kam: Dass Bodo Ramelow, ziemlich ausgefuchst, ihnen mit dem Vorschlag, die CDU-Politikerin Christine Lieberknecht zur Übergangsministerpräsidentin zu machen, die Neuwahlen herbeiführen soll, ein Angebot unterbreitet hat, das sie schwer ablehnen können.
Dass sie nach ihrem Tabubruch vor zwei Wochen, als sie gemeinsam mit der AfD den FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten wählten und damit ein politisches Beben auslösten, dazu beitragen müssen, in Erfurt eine neue Regierung ins Amt zu bringen, deren Chef wahrscheinlich letztlich Ramelow heißt. Und dass sie Gefahr laufen, das letzte bisschen Glaubwürdigkeit zu verspielen, wenn sie sich Neuwahlen aus Angst verschließen, dabei noch weiter abzustürzen.
Am Dienstagabend, nach den Gesprächen zwischen Rot-Rot-Grün einer- und der CDU andererseits, konnte man die Hoffnung haben, dass sich bei der CDU doch noch die Vernunft durchsetzt. „Es geht um eine Ausnahmesituation, in der sich Demokraten zusammenfinden müssen“, sagte CDU-Landesvize Mario Voigt. Die Verhandlungen sollen am Mittwoch weitergehen. Glaubt man Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow, soll bis Freitag eine Einigung stehen.
Und jetzt setzt auch Lieberknecht selbst ihre Partei weiter unter Druck. „Ich bin aus der Debatte raus“, sagte die CDU-Frau der Thüringer Allgemeinen. Sie habe nur für Ramelows Vorschlag zur Verfügung gestanden. Und: „Wer jetzt keine Neuwahlen will, muss Bodo Ramelow mit verlässlicher Mehrheit zurück ins Ministerpräsidentenamt verhelfen und dann am besten mit ihm in eine Regierung gehen.“
Lieberknecht macht Druck auf die Partei
Das allerdings würde gegen einen Parteitagsbeschluss der CDU verstoßen und einen Teil der Thüringer ChristdemokratInnen nun wirklich auf die Barrikade bringen. Im besten Fall gibt Lieberknechts Einlassung nun der CDU den nötigen Schubs, sich auf Ramelows Vorschlag in leicht modifizierter Form – sprich etwas spätere Wahlen – einzulassen. Und Lieberknecht kehrt zu ihrer ursprünglichen Zusage zurück. Dass die Linke zu solchen Zugeständnissen bereit sei, hatte Hennig-Wellsow am Dienstagabend bereits gesagt.
Im schlechtesten Fall platzt mit der Aussage Lieberknechts der Vorschlag Ramelows ganz. Und alles in Thüringen müsste wieder zurück auf Los. Das aber könnte die CDU der Öffentlichkeit, die in großen Teilen mit Zustimmung auf Ramelows Vorschlag reagiert hatte, kaum vermitteln. Und, was viel schlimmer wiegt: Es würde das Chaos, das in Thüringen herrscht, weiter verlängern – und damit der Demokratie schaden.
Aus diesem unwürdigen Gewürge aber muss nicht nur die Thüringer CDU, sondern auch die Bundespartei dringend Lehren ziehen. Sie muss einsehen, dass sie mit ihrem fatalen Beschluss, eine Zusammenarbeit nicht nur mit der AfD, sondern auch mit den Linken grundsätzlich auszuschließen, ihre ostdeutschen Landesverbände in unlösbare Probleme stürzt. Das nächste Drama könnte bereits im Juni kommenden Jahres in Sachsen-Anhalt anstehen – kurz vor der Bundestagswahl.
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