Ministerpräsidentenwahl in Sachsen: Kretschmer bekommt absolute Mehrheit
Im zweiten Anlauf hat CDU-Chef Michael Kretschmer überraschend 69 Stimmen bekommen. Damit führt er nun Sachsens erste Minderheitsregierung an.
Kretschmer führt nun die erste Minderheitsregierung in Sachsen an. Seine CDU unterzeichnete am Dienstag mit der SPD einen Koalitionsvertrag. Gemeinsam verfügen beide Parteien im Landtag nur über 51 Stimmen. Die Linke kündigte kurz vor der Wahl an, Kretschmer mit ihren sieben Stimmen zu unterstützen. Für eine Mehrheit wären jedoch mindestens 61 Stimmen nötig.
So auch im ersten Wahlgang. Dort war der bisherige Amtsinhaber Kretschmer (CDU) noch gescheitert. Von den 120 Abgeordneten des Landtags stimmten 55 für ihn. Auch keiner der anderen beiden Kandidaten erhielt die nötige absolute Mehrheit von mindestens 61 Stimmen. Für den sächsischen AfD-Landeschef Jörg Urban stimmten 40 Abgeordnete – vermutlich alle aus seiner Fraktion. Der einzige Freie Wähler im Sächsischen Landtag, Matthias Berger, bekam 6 Stimmen. Nachdem Landtagspräsident Alexander Dierks das Ergebnis verkündet hatte, applaudierte die AfD.
Auffällig ist, dass der Freie Wähler Berger im zweiten Wahlgang deutlich an Stimmen gewinnen konnte, während AfD-Kandidat Urban verlor. Die Annahme liegt nahe, dass die AfD-Abgeordneten auf einen Kemmerich-Moment aus waren. In Thüringen war es 2020 ihren Partei-Kolleg:innen gelungen, den überrumpelten FDP-Chef Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu wählen.
Seit der Wahl im September sind sieben Parteien im Sächsischen Landtag vertreten. Die CDU stellt mit 41 Abgeordneten die größte Fraktion, gefolgt von der AfD mit 40. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat 15 Stimmen, die SPD 10, die Grünen 7, die Linke 6, und für die Freien Wähler sitzt allein Matthias Berger im Parlament. Trotz dieser Vielfalt fand sich keine Koalition mit Mehrheit.
Die Sondierungsgespräche zwischen CDU, SPD und dem BSW scheiterten im November. Danach erarbeiteten CDU und SPD einen gemeinsamen Koalitionsvertrag, obwohl zehn Stimmen bis zur Mehrheit fehlten. Gespräche mit den anderen Fraktionen ergaben zunächst keine Zusagen für eine stabile Tolerierung.
Die Fraktionschefin der Linken, Susanne Schaper, begründete die Unterstützung ihrer Partei damit, dass es darum gehe, einen Ministerpräsidenten der rechtsextremen AfD zu verhindern, und außerdem könne die Linke so eigene Positionen in die Regierung einbringen. Wie die weitere Unterstützung aussehen solle, ließ die Linke allerdings offen. Die Kretschmer-Regierung muss auch nach seiner Wahl weiter nach Mehrheiten suchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko