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Mindestlohn-ErhöhungLöst die Kommission endlich auf!

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Der Mindestlohn bleibt auch 2027 unter 15 Euro. Das magere Ergebnis zeigt: Das entscheidende Gremium ist eine Fehlkonstruktion.

Drei Vertreter der Mindestlohnkommission, gut gelaunt scheint nur Steffen Kampeter, Vertreter der Deutschen Arbeitgeberverbände Foto: Michael Kappeler/dpa

E s war nicht mehr als ein sozial­demokratischer Wahlkampfgag: „Wir garantieren 15 Euro Mindestlohn“, tönte die SPD vollmundig. Sogar noch bei der Vorstellung des schwarz-roten Koalitionsvertrags tat die Parteiführung so, als ob sie Wort halten würde – entgegen ihrer äußerst vagen Vereinbarung mit der Union. Nun steht fest: Es wird keinen Mindestlohn von 15 Euro geben. Der Beschluss der Mindestlohnkommission, mit dem die Bundesarbeitsministerin und neue SPD-Vorsitzende Bärbel Bas nach eigenem Bekunden „gut leben“ kann, liegt deutlich darunter. Die Betroffenen werden damit weniger gut leben können.

Zu Recht spricht der Ökonom Marcel Fratzscher von einer verpassten Chance, da ein höherer Mindestlohn nicht nur Millionen Beschäftigten helfen, sondern auch die Produktivität steigern, faire Wettbewerbsbedingungen fördern und den Arbeitsmarkt attraktiver machen würde. Allerdings war nichts anderes zu erwarten.

Erneut hat sich gezeigt, dass die Mindestlohnkommission eine Fehlkonstruktion ist. Denn die paritätische Besetzung mit jeweils drei Ver­tre­te­r:in­nen der Gewerkschaften und der Ar­beit­ge­be­r:in­nen suggeriert nur einen Aushandlungsprozess auf Augenhöhe. Anders als in Tarifauseinandersetzungen fehlt der Gewerkschaftsseite jegliches Druckmittel.

In der Konsequenz führt das dazu, dass sie selbst völlig unzureichenden Erhöhungen zustimmt, damit es überhaupt eine Verbesserung gibt. Oder sie lässt sich, wie 2023, zur Gesichtswahrung auch mal überstimmen. Diesmal fiel der Beschluss für die 13,90 Euro im kommenden Jahr und die 14,60 Euro für 2027 mal wieder einstimmig. Dass DGB und SPD das auch noch schönreden, ist Ausdruck der Krise beider Institutionen.

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So jedoch funktioniert es nicht. Am besten wäre es, die Mindestlohnkommission aufzulösen. Stattdessen sollte sich das Arbeitsministerium einfach an der Europäischen Mindestlohnrichtlinie orientieren. Danach müsste ein Mindestlohn mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens entsprechen, um als angemessen zu gelten. Für Deutschland wären das schon heute etwa jene 15 Euro, die die SPD versprochen, aber nicht gehalten hat.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist Mitte vergangenen Jahres im Kohlhammer Verlag erschienen.
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14 Kommentare

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  • Die Mindestlohnkommission erreicht doch genau das, was sie soll. Die Mächtigen haben mit ihr ein gefügiges Gremium, das rationalisiert, warum im Exportland Deutschland die Löhne der Einheimischen nicht zu sehr steigen sollten. Binnennachfrage wird nicht gebraucht, Niedriglohnsektor schon.

  • "Es wird keinen Mindestlohn von 15 Euro geben. Der Beschluss der Mindestlohnkommission, mit dem die Bundesarbeitsministerin und neue SPD-Vorsitzende Bärbel Bas nach eigenem Bekunden „gut leben“ kann, liegt deutlich darunter."

    Klar, sie lebt mit diesem Beschluss und monatlichen Bezügen von knapp 12.000€ natürlich sehr gut. Diese sind automatisch um 5,74% erhöht worden weil die durchschnittlichen Löhne so gestiegen sind. Aber warum sollte man so einen Automatismus auch für den Mindestlohn einführen? Denen geht's ja gut, die sollen sich mal nicht so haben.

    Unser Land ist von Gerechtigkeit so weit entfernt wie von der entferntesten Galaxie.

  • Ich denk auch, man sollte die Mindestlohnkommission auflösen - und den Mindestlohn gleich mit.



    Es wäre hingegen an der Zeit für eine Politik, die jede Art von Arbeit würdigt (also auch selbstständige oder ganz unbezahlte) und Menschen unabhängig von ihrer möglichen Erwerbsbeteiligung finanziell absichert.

  • Danke für den prägnanten, wenn auch traurig stimmenden Kommentar. Und die treffende Bildunterschrift!



    Schon sehr frech, wie Herr Kampeter jetzt auch noch bei jeder Gelegenheit verlautbart, dass sich die Politik zu weit eingemischt habe! Dabei bleibt man ja unter den EU- Vorgaben!



    Ich finde die Forderung nach Auflösung dieser Kommission sehr nachvollziehbar!

  • So geht das:



    Nicht das gewünschte Ergebnis, sofort auflösen!



    Trump könnte es nicht besser formulieren.

  • Ich kann diese vereinfachte Debatte nicht mehr hören. Der erhöte Mindestlohn wird zu einer Erhöhung der Preise führen. Produkte werden teurer (Bäcker, Friseur, Kino), da für die Unternehmen höhere Kosten entstehen, die auf die Waren und Dienstleistungen umgelegt werden. Wir benötigen eher mehr Netto vom Brutto, also weniger Abgaben auf den Lohn den man verdient. Denn wenn man den Mindestlohn erhöht muss man auch den Lohn von Facharbeitern erhöhen, und später auch das Bürgergeld es ist einfach eine Endlosschleife. Und nicht falsch verstehen, die unteren Einkommensschichten benötigen mehr Geld, aber die Erhöhung des Mindestlohns ist nur eine nutzlose Spirale, die niemand dauerhaft hilft.

  • Tatsächlich ist es besser, den Mindestlohn an ein objektives Kriterium zu koppeln.

    Das würde zum ersten verhindern, dass so etwas wie Tarifverhandlungen im Bundestag geführt würden und zum anderen kein Wahlkampfthema daraus gemacht werden könnte.

    Noch einmal zur Erinnerung:



    Es geht um dem MINDESTLohn, nicht um das gesamte Lohngefüge.

  • Die Mindestlohnkommission bringt VertreterInnen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zusammen. Sie hat die Aufgabe, einen Mindestlohn festzusetzen, der den „gebotenen“ Lohnabstand zwischen gewerkschaftlich organisierten ArbeitnehmerInnen und den kaum organisierten Beschäftigten im Niedriglohnsektor zu bewahren. Die Beteiligten wollen und können nicht darauf verzichten, die Früchte der Arbeit von Haushaltshilfen, Lieferboten usw. billig abzugreifen. Die Doppelmoral der Gewerkschaften zeigt sich auch daran, dass sie bis heute keine passenden Angebote für NiedriglohnempfängerInnen machen, sich aber andererseits auf die Seite der Arbeitgeberverbände stellen, wenn es um staatliche Wirtschaftsförderung geht. Eigene Jobs und Pfründe wollen verteidigt werden.

  • Faire Bedingungen für wen?



    Wenn die Lohnnebenkosten steigen, dann sind das für Unternehmen eben keine fairen Bedingungen auf dem globalen Markt.

    Es sollte auch weiterhin einer Kommission bestehend aus Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgeber überlassen sein, den Mindestlohn zu bestimmen.



    Sollten Politiker zukünftig darüber entscheiden, dann haben wir bald einen Überbietungswettbewerb.

    Am Ende wird es der Markt regeln, wer faire und gute Löhne bezahlt, wird das entsprechende Personal bekommen.



    Wer nicht, der muss eben schauen wie er das benötigte Personal bekommt.



    Außer er kann mit anderen Benefits die Konkurrenz überbieten.

  • Wenn die Politik den Mindestlohn bestimmt ist das nach meiner Meinung die schlechteste Lösung, dieser wird dann je nach Machtverhältnissen und Augenmerk auf das jeweilige Klientel festgelegt. Eine paritätisch besetzte Kommission ist wohl auch nicht optimal aber immer noch besser.

  • Ein höherer Mindestlohn würde auch die schwache Konjunktur ankurbeln. Denn Geringverdiener konsumieren quasi ihr vollständiges Einkommen. Aber darum geht es weder der Bundesregierung, noch der arbeitgebernahen Mindestlohn Kommission. Denen geht es darum, dass der größte Teil des Einkommens bei den Reichen, also den Arbeitgebern landet. Das wurde hier erneut zementiert.



    Dass die SPD keine Partei für Arbeitnehmer ist, dürfte eigentlich jedem inzwischen klar sein. Wohin die Reise für die Genossen gehen wird, können sie sich in Frankreich ansehen.

  • Warum nicht einfach den Mindestlohn an die Abgeordneten Diäten koppeln und den Lohn jährlich um 6 % angleichen ?

  • 13,90 Euro im kommenden Jahr und 14,60 Euro für 2027 finde ich ok. Das ist ein „Mindestlohn“, mehr nicht.







    Mal zum Vergleich: Ungelernte Pflegehilfskräfte erhalten ab Juli €16,10 - qualifizierte Pflegehilfskräfte mit mind. einjähriger Ausbildung €17,35 und Pflegefachkräfte €20,50



    (Das sind Pflegeeinrichtungen die unter den Pflegemindestlohn fallen).

  • Ich dachte zunächst, Beucker mache einfach nur wohlfeile Ergebnisschelte, weil ein Verfahren etwas anderes ergab als gewünscht.



    Doch am Schluss kam der Punkt: durch die EU müsste, wie auch im Koalitionsvertrag angepeilt, in etwa 15 € herauskommen. Wieso das nicht so war, dafür ist die Kommission eigentlich eine längere Erklärung schuldig.



    Die Lösung einer deutlich offen politischen Zahl wäre hingegen eher systemfremd. Tarifautonomie hat auch etwas für sich.