piwik no script img

Mindestabstand für WindräderMehr, nicht weniger Platz

Zerschießt der geplante 1.000-Meter-Abstand die Chance, das Ökostrom-Ziel der Bundesregierung für 2030 zu erreichen? Ja, meint ein neues Gutachten.

Was ist die richtige Lösung: Immer größere oder immer mehr Windräder und in welchem Abstand? Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Rund 800 Windräder stünden schon in seinem Wahlkreis, sagt Jens Koeppen. Der CDU-Politiker ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter unter anderem für die Uckermark, ein Gebiet, das vom nördlichen Stadtrand Berlins bis nach Mecklenburg reicht. Und er warnt: „Wir können nicht das ganze Land zubauen und einfach über die Sorgen und Ängste der Menschen hinweggehen. Sonst brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sich die Leute von der Politik noch weiter abwenden.“

Koeppen setzt sich für strengere Regeln ein, die den Ausbau der Windenergie in Grenzen halten sollen. In der Fraktion der Union ist er einer der stärksten Befürworter eines Mindestabstandes von 1.000 Metern zwischen Windrädern und Siedlungen. Diese Entfernung haben SPD und Union in ihrem Klimapaket vereinbart. Die Christdemokraten legen sie allerdings restriktiver aus als die Sozialdemokraten. Die geplante Entscheidung im Bundeskabinett deshalb wurde auf Anfang Dezember verschoben.

Für Koeppen sind die 1.000 Meter nur „ein erster, wichtiger Schritt“. Angesichts der immer höheren Anlagen würden „auch größere Entfernungen zu Siedlungen nötig“. Dabei sei er kein Gegner der Energiewende, betont der CDU-Politiker. „Weil die Leistung der Windräder steigt, können wir das 2030-Ziel auch mit weniger Anlagen erreichen.“ Die Bundesregierung will, dass in zehn Jahren 65 Prozent des Stroms aus regenerativer Erzeugung stammt.

Ein neues Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes widerspricht nun Koeppens Annahme, dass das auch mit der strengen Windregel funktioniert. Die zentrale Aussage lautet: „Der Ausbau der Windkraft droht durch die geplante Einführung einer Abstandsregel zum Erliegen zu kommen.“ Statt weniger müssten mehr Flächen für Windräder zur Verfügung gestellt werden. Sonst könne Deutschland sein 65-Prozent-Ziel „deutlich verfehlen“. Pauschale Mindestabstände seien das falsche Mittel, stattdessen brauche man „Einzelfallabwägung vor Ort entlang klarer Leitlinien“.

Hälfte der ausgewiesenen Fläche schon bebaut

Veröffentlicht wurde das Gutachten der Institute Fraunhofer IEE und Navigant am Mittwoch. Das von der CDU geführte Bundeswirtschaftsministerium, das die harte Windregel augenblicklich unterstützt, hat es finanziert, das Umweltbundesamt hat es in Auftrag gegeben.

Ein zentrales Problem: Nicht alles, was möglich ist, wird auch gebaut

Die Analyse zeigt, „dass deutschlandweit eine Fläche von rund 3.100 Quadratkilometern auf Ebene der Regional- und Bauleitplanung für die Windenergienutzung ausgewiesen ist“ – etwa 0,9 Prozent der Landesfläche. Die eine Hälfte davon sei bereits mit Wind­anlagen bebaut. Die andere stecke „im Entwurfsstadium“ und sei jetzt noch nicht nutzbar.

Die entscheidende Frage ist nun, wie viele Windräder auf diesem Platz hinzugebaut werden können – und ob die Leistung dann ausreicht, um das Ziel für 2030 zu erreichen. Heute stehen in Deutschland rund 30.000 Rotoren mit einer Leistung von etwa 50 Gigawatt (GW). Für 65 Prozent Ökostrom 2030 braucht man ungefähr 70 GW.

„Die rechtskräftigen Bestandsflächen verfügen aktuell über ein Zubaupotenzial von 23 GW“, heißt es nun in dem Gutachten des Umweltbundes­amtes. Eigentlich müsste dieses Potenzial reichen, um in zehn Jahren ausreichend Windstrom an Land zu produzieren. Zumal die Expert*innen ein „theoretisches Leistungspotenzial der nutzbaren Flächen bis 2030 von rund 81 GW“ sehen. Trotzdem, so schränken sie ein, sei es fraglich, ob sich so das 65-Prozent-Ziel erreichen lässt.

Klagen verzögern Ausbau

Die Gründe: Nicht alles, was möglich ist, wird auch gebaut. Viele Projektpläne werden jahrelang beklagt, etwa weil schützenswerte Vögel an geplanten Standorten brüten. Dadurch reduzieren sich die grundsätzlich in Frage kommenden Flächen. Es bestünden deshalb „erhebliche Unsicherheiten, ob selbst eine Leistung von 74 GW mit der aktuellen Flächenkulisse erreicht werden kann“. Deshalb warnen die Gutachter*innen davor, den Platz durch eine harte Abstandsregel noch weiter einzuschränken.

Stattdessen befürworten sie unter anderem „akzeptanzfördernde Maßnahmen“, mit denen sich im konkreten Fall Kompromisse vor Ort erzielen ließen. Auch eine „Ausweitung der Flächenkulisse“ komme in Betracht – also die Ausweisung zusätzlicher Gebiete, die über die bisherigen Planungen hinausgehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Unflexiblee Regelung.

    Wa sollte schlecht daran sein, wenn Kommunen eigene WKA in Ortsnähe errichten, und die Menschen dafür günstigere Strompreise oder andere Annehmlichkeiten erhalten? Was spricht gegen ein Gemeinschaftswindrad für Kleinsiedlungen? Nichts, und da regt sich auch kaum Widerspruch. Die Proteste gibt es hauptsächlich bei Investitionsobjekten von Ortsfremden Investoren, die die Steuern an anderen Orten entrichten, keine Arbeitsplätze schaffen, und auch sonst auf Bürger keine Rücksicht nehmen. Aber zur Lösung dieses Problems braucht man keine allgemeine Abstandsregelungen

  • Ein Kohlekraftwerk kann man mitten in die Bebauung setzen, Windräder nicht?



    .



    Bei diesem Thema wird so viel gelogen & "Sockenpuppen" als Argument vorgeschoben, dass einem schlecht werden kann.



    Naturschutz, Infraschall, uvam... und letztlich geht es doch nur um Aussicht & Verkehrswert von Grundstücken & Ideologie.



    Das Kohlekraftwerk Datteln geht demnächst in Betrieb. Einige 100m von der Wohnbebaung weg, doch da steht ja keinen Eigenheimsiedlung im Grünen, gar eine "Bebauung (wie immer die auch genehmigt wurde) im 35ger Bereich", bloss ein paar olle Arbeitersiedlungen.



    .



    Wir wollen keine Windräder, keine Fernleitungen in unserer Nähe, aber Strom satt & aus der Steckdose, damit der, besser die E-SUVs auch ordentlich schnell geladen werden können:-(



    .



    Rational wäre es, den Stromverbrauch in bestimmten Bereichen (Landkreisen, Bundesländern usw) mal zu messen & verpflichtend vorzugeben, das nur noch so viel Strom von außen "importiert" werden kann, wie dieser "Bereich" auch "exportieren" könnte wenn...



    .



    Lastenverteilung, gar solidarische Schultern dieser & anderer "Infrastrukturmaßnahmen" ist zu einem Fremdwort geworden & die ANDEREN sind uns "so was von egal"!



    .



    Tucholsky hatte ja so Recht, auch wenn der von Klimawandel & CO² noch nicht gschrieben hatte.:-(



    Gr Sikasuu



    .



    Kurt Tuscholsky, Das Ideal

    Ja, das möchste:



    Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,



    vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;



    mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,



    vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –



    aber abends zum Kino hast dus nicht weit.

    Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:



    (...)



    www.mumag.de/gedichte/tuc_k02.html

  • Was sind den „akzeptanzfördernde Maßnahmen“? Gibts da Beispiele?

  • Das Hauptziel der Bundesregierung war und ist ja viel weniger eine echte Lösung des Klimaproblems als vielmehr die Sicherung altbekannter Profitstrukturen innerhalb der Energiewirtschaft. Somit funktionieren die Geschäftsmodelle der Windenergie-Investoren nur mit hochsubventionierten Offshore-Anlagen und Trassen, die Milliarden kosten bzw. immer größere Windräder im Binnenland, die für die Menschen in der Nähe und die umliegende Umwelt untragbar hohe Belastungen darstellen. Selbiges gilt auch für die Wasserenergie und den größenwahnsinnigen Ideen mit Mega-Pumpspeicherkraftwerken oder 1000m tiefen Batterieseen in den ehemaligen Braunkohlegebieten (nach Abteufung der Braunkohle).

    Speziell bei der Standortfrage hat es einen Wechsel gegeben: Während früher dank hoher Subventionen die Bauern sich die Windräder selber auf ihre meist weit außerhalb menschlicher Siedlungen liegenden Äcker gestellt haben, werden sie nun aus Kostengründen in Wälder und Naturschutzgebiete oder in die Nähe von Wohnsiedlungen gesetzt, damit die Agrarkonzerne intensiver wirtschaften können.

    Obwohl es Alternativen wie gut funktionierende kommunale Lösungen für Windenergie oder Cluster-Kraftwerke in Fließgewässern gibt, wird weiterhin fast ausschließlich in die Großprojekte investiert und dabei obendrein vergessen, dass es längst spürbare Erfolge beim Energiesparen gibt, die allerdings durch verstärkte Stromexporte durch die Energiekonzerne ausgeglichen werden.

    Probleme der Zukunft wie verstärkter Stromverbrauch durch Geschäftsmodelle der Internetkonzerne wie Streaming und Cloud-Computing und demnächst die Elektrofahrzeuge kommen nicht einfach so daher wie schlechtes Wetter. Sie werden schon jetzt forciert und es wird schon jetzt politisch festgelegt, wer den hohen Preis für die Profite der Konzerne zahlen muss. Auch die ungehemmte Urbanisierung, ein Armutszeugnis der verfehlten Raumordnungspolitik, wird uns weitere Energie- und Klimaprobleme bescheren.

  • Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    So lange wie ihr eure Energieverschwendung weiter treibt, mit euren tonnenschweren SUV's, den 150m2 Lofts zu zweit, den Avocado Smoothies und was auch immer für energiefressenden Sch..., so lange kann man gegen den Ausbau der Windkraft sein.



    Wenn nicht massiv Energie gespart wird, brauchen wir alle 50 m ein Windrad.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Diese Menschen die Sie hier beschreiben leben ausschließlich in der Großstadt. Auf dem platten Land wird aber den Menschen das Windrad vor die Nase gesetzt. Warum fängt am nicht in den Stadtparks an?? Windräder im Tiergarten und am Tempelhofer Feld wären doch richtig platziert. Strom da erzeugen, wo er gebraucht wird!

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Eine der größten Illusionen ist die Annahme, dass der Energieverbrauch in der Zukunft abnehmen wird.



      Allein die Internet basierten Dienstleistungen sorgen für einen massiv wachsenden Energiebedarf - der elektrische Individualverkehr ist da nachrangig. Der Nachholbedarf der sich entwickelnden Länder ist additiv.

      • @alterego:

        Jein. Der Primärenergieverbrauch hängt auch von der Energieeffizienz ab. Der Verbrennungsmotor hat eine ausgesprochen schlechte Energieeffizienz. Auch beim effizientesten Verbrenner, geht mehr als die Hälfte der verbrauchten Energie verloren. Beim Elektromotor liegt der Wirkungsgrad bei über 90%. Im Stand oder Leerlauf verbraucht ein Elektromotor zudem genau null Energie. Auch muss er nicht zuerst einmal auf Touren gebracht werden, damit er Kraft erzeugt.



        Es gibt natürlich auch Modellrechnungen für Elektrofahrzeuge. 1 Million E-Fahrzeuge würden den Mengenbedarf an Strom um 0,5% steigern und können als Pufferspeicher für überschüssigen Windstrom verwendet werden. Wer zu Zeiten überbordenden Windstroms lädt, bekommt den Strom einfach billiger. Er würde damit helfen das Netz zu stabilisieren. Alte Batterien lassen sich zudem im stationären Bereich als Puffer noch Jahre weiterverwenden.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Sorry, E-Autos fahren mit Strom -:) um diesen zu benötigen müsste man alle 100 m eine Windkraftanle in Deutschland errichten. Schauen Sie sich mal diese Diagram an, da sieht es nmicht so sprizig mit Sonne und Wind aus.



      www.energy-charts.de/power_de.htm