: Mind the Gap
Bei Verdienst und Rente stehen Frauen nach wie vor schlechter da als Männer. Sie sollten sich so früh wie möglich mit den eigenen Finanzen beschäftigen
Von Kristina Simons
Es ist ein Dreiklang des Schreckens: Gender Pay Gap, Gender Care Gap und Gender Pension Gap. Heißt: Bei Löhnen, unbezahlter Betreuungsarbeit und Renten gibt es deutliche Gefälle zu Ungunsten von Frauen. Und sie hängen alle drei unmittelbar miteinander zusammen.
Frauen verdienen pro Stunde durchschnittlich 16 Prozent weniger als Männer. Das liegt zum großen Teil daran, dass sie häufiger in schlechter bezahlten Berufen und Branchen arbeiten. Doch selbst bei vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien bekommen Frauen 6 Euro weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Bei einer 40-Stunden-Stelle summiert sich das auf rund 1.040 Euro im Monat.
Hinzu kommt, dass fast jede zweite erwerbstätige Frau und 73 Prozent der Mütter mit Kindern unter 3 Jahren in Teilzeit arbeiten, aber nur 12 bzw. 9 Prozent der Männer respektive Väter. Und hier kommt der Gender Care Gap ins Spiel. Denn es sind weiterhin vor allem Frauen, die sich – unbezahlt – um die Betreuung von Kindern, die Pflege von Angehörigen und den Haushalt kümmern – im Schnitt knapp 29,5 Stunden in der Woche. Für eine Vollzeitstelle bleibt da schlicht keine Zeit. „Und viele Frauen, die wegen der Kinder in Teilzeit gewechselt sind, bleiben dabei, auch wenn die Kinder dann älter sind“, sagt Tabea Bucher-Koenen, die am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) den Forschungsbereich „Altersvorsorge und Nachhaltige Finanzmärkte“ leitet und an der Universität Mannheim eine Professur für Finanzmärkte inne hat. „Das wird in Deutschland mit dem Ehegattensplitting sogar steuerlich begünstigt: Verheiratete profitieren durch die Aufteilung in die Steuerklassen 3 und 5 finanziell davon, wenn ein Partner, in der Regel die Frau, deutlich weniger verdient als der andere.“ Heißt: Wer mehr Geld hat, wählt Steuerklasse 3 und kann in der Steuererklärung neben dem eigenen Grundfreibetrag auch noch den der Partnerin geltend machen. Die muss hingegen in Steuerklasse 5 ihr gesamtes Einkommen versteuern und zahlt am Ende trotz niedrigerem Bruttojahreseinkommen unter Umständen mehr Lohn- oder Einkommensteuer. Auch wenn Ehepartner Verdienst und Steuer als gemeinsames Geld ansehen, wirkt sich das niedrigere Einkommen der Frau spätestens im Alter negativ aus. Denn je weniger Geld man im Laufe seines Lebens verdient und je mehr Lücken die Erwerbsbiografie hat, desto geringer sind später die Rentenansprüche.
Woran erkenne ich unabhängige und seriöse Anlageberater*innen? „Preistransparenz, eine anerkannte Ausbildung und eine Zulassung, die im Impressum stehen muss, sind drei wesentliche Kriterien“, sagt Finanzcoach Dani Parthum. Sie rät Frauen, bei einem Beratungsgespräch nach möglichen Provisionen und anderen Kosten der Geldanlage zu fragen. „Und zwar in absoluten Zahlen für einen definierten Zeitraum. Nur so lassen sich Angebote vergleichen und mögliche Interessenskonflikte offenlegen.“ Werde man in der Beratung gedrängt, einen Vertrag direkt zu unterschreiben, solle man lieber Abstand nehmen. „Seriöse Anlageberater*innen machen niemals Druck oder Angst.“
Dani Parthum: „Frauen können Finanzen! So gestaltest du mit Geld dein Leben“. Haufe, Freiburg 2025, 258 S., 22 Euro
Und schon sind wir beim Gender Pension Gap. Frauen ab 65 Jahren haben – inklusive Hinterbliebenenrenten oder -pensionen – im Schnitt 25,8 Prozent weniger Alterseinkünfte als Männer. Laut Statistischem Bundesamt lebten 2024 rund 2,1 Millionen Rentnerinnen und 1,3 Millionen Rentner unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze von aktuell 1.378 Euro (nach Steuern und Abgaben). „Viele Frauen in Deutschland kommen sogar nur auf eine Rente von durchschnittlich 960 Euro“, sagt Dani Parthum, Ökonomin und Finanzcoach, die unter dem Namen „Geldfrau“ auf ihrem Blog, in Kursen und einem Podcast Frauen Finanzwissen vermittelt. Altersarmut trifft also vor allem Frauen.
Frauen sollten sich so früh wie möglich mit den eigenen Finanzen beschäftigen. Doch Analysen, unter anderem der OECD, zeigen, dass sie im Schnitt über ein geringeres Finanzwissen verfügen als Männer. „Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Finanzbildung halten sich hartnäckig, und zwar sowohl über die Zeit als auch über soziodemografische Gruppen und Bildungsgrade, über alle Altersklassen und auch über Länder hinweg“, sagt Bucher-Koenen. „Forschungen zeigen, dass das auch mit der finanziellen Sozialisation zu tun hat. Zum Beispiel sprechen Eltern mit Söhnen öfter über Geld als mit Töchtern und erstere erhalten im Durchschnitt mehr Taschengeld. Auch Geldgeschenke, zum Beispiel zum Eröffnen eines Online-Broker-Accounts, bekommen Jungen häufiger.“ Es seien viele kleine Bausteine, die schon früh zum Entstehen eines Gender Gap im Finanzwissen führen würden. „Und das hat dann auch massive Auswirkungen auf spätere Finanzentscheidungen. Frauen investieren beispielsweise signifikant seltener am Kapitalmarkt.“ Aktuelle Untersuchungen des ZEW zusammen mit der Goethe-Universität in Frankfurt hätten zudem gezeigt, dass Bankberater Frauen deutlich teurere Produkte verkaufen als Männern. „Als Gründe dafür haben wir ausgemacht, dass die Berater Frauen als signifikant weniger finanzgebildet, weniger selbstbewusst und weniger preissensitiv bei Finanzentscheidungen wahrnehmen.“ Schon vermeintlich kleine Unterschiede in den Kostenstrukturen würden über einen langen Anlagehorizont riesige Unterschiede ausmachen. Bucher-Koenen rät Frauen dazu, sich in ihrem eigenen Interesse mehr mit finanziellen Fragen zu befassen. Dafür brauche es vor allem qualitätsgesicherte Angebote mit niedrigen Zugangsbarrieren. Das können zum Beispiel zertifizierte Finanzberatungen von und für Frauen sein, von denen sich einige zudem auf nachhaltige Geldanlagen spezialisiert haben. „Zugleich sind strukturelle Veränderungen nötig“, betont Bucher-Koenen. „Es ist meines Erachtens zwingend notwendig, Finanzbildung schon in den Schulunterricht zu integrieren. Hier kommen Jungen und Mädchen gleichermaßen damit in Berührung und können sich von alten Rollenmustern lösen, die ihre Eltern ihnen möglicherweise vorleben.“
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