piwik no script img

Milliarden für Dieselbetrug in den USADaimler legt Verfahren bei

Seit Jahren hat die US-Justiz den Autobauer wegen des Dieselskandals im Visier. Jetzt wurde ein Vergleich erzielt, abhaken kann der Konzern das Thema aber noch nicht.

Der Autohersteller Daimler zahlt fast zwei Milliarden Dollar für den Dieselskandal in den USA Foto: Silas Stein/dpa

Washington/Stuttgart dpa | Mit einer Zahlung von umgerechnet mehr als 1,9 Milliarden Euro will Daimler in den USA den Streit mit Behörden und Kunden um angebliche Verstöße gegen Abgasregeln abräumen. Der Autobauer legt mit zwei Vergleichen Ermittlungsverfahren der US-Behörden und zudem zahlreiche Klagen von Autobesitzern bei, wie das Justizministerium und der Konzern selbst am Montag mitteilten. Daimler und seiner Tochter Mercedes-Benz USA wurden überhöhte Abgaswerte bei rund 250.000 Dieselwagen vorgeworfen.

Der Vergleich sende eine „klare Botschaft“ an Autohersteller, dass die US-Regierung bei der Einhaltung von Emissionsstandards hart durchgreife, sagte der Leiter der Umweltbehörde EPA, Andrew Wheeler, bei einer Pressekonferenz in Washington. Daimler habe dubiose Software zur Abgaskontrolle gegenüber den Behörden nicht offengelegt. Das Justizministerium verhängte nach eigenen Angaben ein zivilrechtliches Bußgeld von 875 Millionen Dollar, insgesamt werde der Vergleich Daimler rund 1,5 Milliarden Dollar kosten.

Der Konzern selbst hatte bereits im August verkündet, bezüglich der Rechtskonflikte eine Grundsatzeinigung nicht nur mit den Behörden, sondern auch mit privaten Klägern in den USA erzielt zu haben. Am Montag lieferte Daimler auch hierzu Details. Demnach werden zur Beilegung der US-Sammelklagen von Autobesitzern rund 700 Millionen Dollar fällig, so dass sich der rechtliche Befreiungsschlag in den USA insgesamt auf deutlich mehr als 2 Milliarden Dollar summiert.

Ob die in den Fahrzeugen verwendeten Funktionen „defeat devices“ sind, also eine unzulässige Abschalteinrichtung der Abgasreinigung, werde in dem Vergleich aber nicht festgestellt, betonte Daimler. „In den Vergleichsvereinbarungen wird explizit festgehalten, dass das Unternehmen die Vorwürfe der Behörden sowie die Ansprüche der Sammelkläger bestreitet und keine Haftung gegenüber den USA, Kalifornien, den Klägern oder in sonstiger Weise einräumt.“

Mercedes-Besitzer erhalten Entschädigung

Die Klägeranwälte verbuchten den Kompromiss als Erfolg. „Besitzer von schmutzigen Mercedes-Dieselautos werden endlich die Kompensationen erhalten, die sie verdienen“, erklärte Steve Berman. Der bekannte US-Anwalt leitet die Großkanzlei Hagens Berman, die schon vielen anderen Konzernen, darunter VW in der „Dieselgate“-Affäre oder General Motors im Skandal um defekte Zündschlösser, zu schaffen machte. Seiner Firma nach können betroffene Mercedes-Besitzer durch den Vergleich je 3.290 Dollar oder mehr an Entschädigung erhalten.

Seit 2016 ist Daimler wegen angeblich frisierter Messwerte zum Ausstoß des Schadstoffs Stickoxid im Visier der US-Justiz. Gezielte Manipulationen der Abgastechnik mit einer Schummelsoftware, wie sie jahrelang bei Volkswagen (VW) zum Einsatz kam, hatte der Konzern jedoch stets zurückgewiesen. Anders als die Wolfsburger, die 2015 auf Druck der US-Behörden Abgasbetrug im großen Stil eingeräumt hatten, gibt Daimler im Rahmen der Vergleiche kein Schuldeingeständnis ab und muss auch keine Fahrzeuge von Kunden zurückkaufen oder sich künftig durch einen Aufpasser von den US-Behörden überwachen lassen.

Weitere juristische Konsequenzen sind nicht auszuschließen

Dafür muss Daimler die Autos ähnlich wie in Europa per Software-Update nachbessern, hinzu kommen weitere Umweltmaßnahmen, für die der Konzern zur Kasse gebeten wird. Zusätzlich zu den in den Vergleichen festgelegten Summen rechnet Daimler mit Kosten in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe für die Umsetzung der Einigung.

Ganz abhaken kann Daimler das Thema allerdings noch nicht. Die Vergleiche müssen in den USA noch gerichtlich genehmigt werden und beenden nur Zivilverfahren, so dass weitere strafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen sind. Die US-Umweltbehörden pochen seit den massiven Verletzungen des Luftreinhaltungsgesetzes durch VW penibel auf die Einhaltung der Emissionsstandards und haben auch dem italienisch-amerikanischen Autobauer Fiat Chrysler schon einen teuren Vergleich abgerungen. US-Sammelklagen wegen angeblicher Abgasmanipulationen laufen auch noch gegen einige andere Autobauer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Einerseits... erfreulich. Vielleicht fällt das endlich die Dinosaurier, da die Politik (nicht einmal im grünen Mantel -- hallo, Herr Kretschmann?) zu vermögen scheint, die zu stoppen.

    Andererseits habe ich die Erzählung der "armen, getäuschten Verbraucher" übersatt: Autofahrer*innen sind hier mehr mittäter*innen als Opfer.

    Manchmal habe ich den Verdacht, dass die Autoindustrie obiges Image (d.h. böse Autoindustrie vs. unschuldige Verbraucher*in) pflegt (wenn's auch teuer in Form von Entschädigungen kommt). Denn "SUV-Scham" [1] ist vermutlich für die ein grösserer Horror als den Schurken zu spielen und Entschädigungen zu zahlen.

    Ich wüsste zu gerne, was bei denen hinter den Kulissen läuft.

    [1] SUV-Scham hier für stellvertretend: beim Autokauf (1) nachdenken, ob überhaupt notwendig und (2) ob es ein Bisschen weniger auch tut.