Dieselgate in Deutschland: Viele VW-Käufer gehen leer aus
Der Bundesgerichtshof wirft dem Autobauer „sittenwidriges“ Verhalten vor. Trotzdem entscheidet er konzernfreundlich.
Der Einbau einer Abgasreduzierung, die nur auf dem Prüfstand funktionierte, habe die arglosen VW-Kunden dem Risiko ausgesetzt, dass ihr Fahrzeug von den Behörden stillgelegt wird, weil es im normalen Verkehr die Abgas-Grenzwerte nicht einhält. Die Kunden haben daher, wenn sie rechtzeitig geklagt haben, Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags. Das heißt, sie bekommen grundsätzlich den Kaufpreis zurück, wenn sie auch das Auto zurückgeben.
Bei Kunden, die ihren VW-Diesel erst nach dem September 2015 gekauft haben, entfällt aber der Anspruch auf Rückabwicklung. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei das Verhalten von VW danach nicht mehr als sittenwidrig anzusehen, so der Vorsitzende Richter Stephan Seiters.
Im September 2015 habe VW eingeräumt, dass es Probleme mit den Motoren gebe und man in Kontakt mit den Behörden stehe. Die Medien hätten über den Skandal umfassend berichtet. Auf die Kenntnis des Käufers, ob auch sein Fahrzeug betroffen war, komme es gar nicht an, so Richter Seiters. Das erspart den Gerichten nun viel Arbeit bei der Beweisaufnahme.
Bei 10.000 Klagen entfällt der Schadensersatzanspruch
VW-Käufer, die mit ihrem Fahrzeug sehr viel gefahren sind, haben zwar Anspruch auf Rückabwicklung, könnten aber dennoch leer ausgehen. Schon im Mai hatte der BGH entschieden, dass bei der Rückzahlung des Kaufpreises der Gegenwert der Nutzung abzuziehen ist. Das aktuelle Urteil kommt zu dem Schluss, dass im Extremfall der Nutzungsersatz den Kaufpreisanspruch völlig aufzehren kann. Die Grenze liegt nach den Urteilen der meisten Oberlandesgerichte bei 250.000 Kilometern.
Laut VW sind noch 60.000 Klagen von Käufern offen. In rund 10.000 Fällen entfalle nun der Schadenersatzanspruch, weil das Fahrzeug nach dem September 2015 gekauft wurde. In den übrigen 50.000 Fällen will VW den Kunden eine individuelle Einmalzahlung vorschlagen. Vorteil für die Kunden: Sie können das Auto behalten. Allerdings will VW bei der Höhe der Einmalzahlung die BGH-Rechtsprechung zum Nutzungsersatz berücksichtigen.
Das heißt: Wer viel gefahren ist, bekommt weniger. Für die 240.000 VW-Kunden, die bei der Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale einen Vergleich geschlossen haben, stellt sich das Vielfahrerproblem nicht. Sie erhalten 15 Prozent des Kaufpreises, unabhängig von der Fahrleistung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé