Migrationspaket der Ampel: Von Paradigmenwechsel weit entfernt

Die Ampelkoalition will humaner mit Schutzsuchenden umgehen, aber die Abschiebungshaft ausweiten. Parallel zu Verbesserungen gibt es Verschärfungen.

Viele Menschen auf einem Bahnsteig

Willkommen: Ankunft von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine am Berliner Hauptbahnhof im März Foto: Jens Schicke/imago

Deutschland und die EU haben gezeigt, wie ein humanitärer Umgang mit Schutzsuchenden aussehen kann: Als Ukrai­ne­r*in­nen vor dem russischen Angriff auf ihr Land flohen, begegnete man ihnen mit Solidarität – auch auf der rechtlichen Ebene. Vieles war plötzlich möglich, was Hilfsorganisationen seit Langem forderten.

Die Ampelregierung hat im Koalitionsvertrag einen „Paradigmenwechsel“ in der Asyl- und Migrationspolitik versprochen: Es soll endlich Schluss sein mit staatlichem Handeln, das die Menschen vor allem draußen halten will – selbst in Zeiten des Fachkräftemangels.

Nun also kommen die ersten Verbesserungen für alle Schutzsuchenden. Es ist richtig, den Zugang zu Integrationskursen allen Asylsuchenden zu ermöglichen – nicht nur jenen mit Aussichten auf einen positiven Bescheid. Und es ist mehr als überfällig, Menschen nicht länger im Niemandsland jahrelanger Duldungen festzuhalten. Menschen, die ohnehin absehbar hier bleiben, hier auch ein Leben in Würde zu ermöglichen, statt sie für ihr Hiersein mit Unsicherheit auf allen Ebenen zu strafen.

Doch mit dem, was für Ukrai­ne­r*in­nen möglich gemacht wurde, hat die Bundesregierung die Messlatte sehr hoch gehängt. Was sie dort ermöglicht hat, geht über die Pläne des Koalitionsvertrags hinaus. Es ist jetzt an der Zeit, die Lehren aus dem Ukrainekrieg auf alle Flüchtenden zu übertragen: wie wichtig es etwa fürs Ankommen ist, nicht erst mal mit Arbeitsverboten behängt und zur Untätigkeit verdammt zu werden. Wie sehr man mit solchen Verboten auch beigetragen hat zu einem schiefen Bild von Asylsuchenden, die dem Land auf der Tasche liegen.

Doch es ist schade, dass die Ampel vom ewigen Mantra unionsgeführter Bundesregierungen nicht lassen kann: dass Verbesserungen immer nur mit Verschärfungen einhergehen können – in diesem Fall mit der Ausweitung der Abschiebungshaft. Von einem echten Paradigmen­wechsel sind wir noch weit entfernt – auch in der EU. Das hat der grausame Tod von Dutzenden Menschen am Grenzzaun von Melilla gerade erst deutlich gezeigt.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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