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Migrationsdebatte in BerlinAbschiebefantasien der CDU in der Kritik

Die Union fordert Abschiebezentren in Berlin. Eine unnötige Symboldebatte, die niemand braucht, heißt es genervt vom Koalitionspartner SPD.

Zehn Plätze, seit Sommer 2024 sanierungsbedingt geschlossen: Abschiebehaftanstalt am Kirchhainer Damm in Lichtenrade Foto: Alexander Prautzsch/dpa

Berlin taz | Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion muss tief durchatmen. „Ich bin leicht genervt, aber es ist nun mal Wahlkampf“, sagt Martin Matz am Mittwoch zur taz zur jüngsten Forderung der CDU, Abschiebezentren in Berlin zu errichten.

Der Koalitionspartner bemühe sich offenkundig, beim Thema Migration „große Aktivität zu demonstrieren“. Das löse kein Problem. Er persönlich könne auf „diese ständigen Symboldebatten“ verzichten, sagt Matz.

Besagte Debatte hatte die Union am Dienstag weitgehend aus dem Nichts losgetreten. Im RBB erklärte CDU-Mann Burkard Dregger, es müsse jetzt mal etwas geschehen. Es gebe über 16.000 Ausreisepflichtige in Berlin. Dass im vergangenen Jahr „nur“ rund 1.300 abgeschoben wurden, gehe gar nicht.

„Wir sind zunehmend ungeduldig“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Berlin müsse die Zahl der Ausreisepflichtigen dringend reduzieren. „Und das Abschiebegewahrsam ist ein Mittel dazu“, so Dregger.

Großteil der Ausreisepflichtigen hat Duldung

Mariella Lampe vom Flüchtlingsrat Berlin kritisiert, ähnlich wie Martin Matz, die von Dregger angestoßene Debatte. „Die sorgt vor allem dafür, dass es zu noch mehr Spaltung in der Gesellschaft kommt“, sagt Lampe zur taz.

Faktisch operiert Dregger mit irreführenden Zahlen. Denn von den 16.763 ausreisepflichtigen Menschen, die in Berlin 2024 registriert waren, besaßen fast 90 Prozent eine Duldung. Unsicheres Herkunftsland, keine Zusammenarbeit der Behörden, fehlende Papiere, laufende Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnisse: Die Gründe für einen Aufschub der Abschiebung sind vielfältig.

„Das kann einem gefallen oder nicht, aber die Duldungen denkt sich ja keiner aus“, sagt Martin Matz von der SPD. Und daran werde auch das Wahlkampfgeklingel des Koalitionspartners nichts ändern.

Letztlich bleiben etwas mehr als 2.000 Betroffene, die rein rechtlich abgeschoben werden könnten. Es lohne sich daher schon zahlenmäßig nicht, eine Debatte zu entfachen, sagt Mariella Lampe vom Flüchtlingsrat.

Flüchtlingsrat warnt vor Grundrechtsverletzungen

Die Ausreisezentren, von denen jetzt in Berlin fabuliert werde, gingen nach Angaben von Lampe erfahrungsgemäß „mit signifikanten Grundrechtsverletzungen“ einher. Hilfsorganisationen bekämen nur erschwerten Zutritt, häufig gebe es hier keine Rechtsberatung.

Lampe sagt: „Die Idee der Zentren ist, dass alles möglich schnell geht. Damit die Leute so schnell wie möglich abgeschoben werden.“ Auch jene, die eigentlich das Recht hätten zu bleiben. Ein Unding, findet Lampe.

„Die CDU glaubt wirklich, dass sie der AfD durch krasse Parolen Stimmen wegnehmen kann“, sagt die Referentin des Flüchtlingsrats. Das hat bei keiner der vergangenen Wahlen funktioniert. Die CDU bekümmert das wenig.

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1 Kommentar

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  • Und wenn das Migrationsthema abgefrühstückt (oder wohl eher im Sinne der Ichbinaberkeinnazinazis endgelöst) ist, bläst die AfD zur Hatz auf Bürgergeld- und Grundsicherungsempfänger und wird nicht eher Ruhe geben, bis Deutschland flächendeckend von einem Netz aus privat betriebenen geschlossenen Hungerlagern ("Beschäftigungsresidenzen") überzogen ist, aus denen täglich live, in 4K und 60 fps das massenhafte Sterben der dort Internierten als Gewaltporno-Programm in die "sozialen" Medien hochgeladen wird... in einem trumpistisch verrohten Deutschland ist mit solchen Perversitäten zu rechnen!