piwik no script img

Mieterverein über Preisbremse in Bremen„Das ist reines Geldverdienen“

Bremse defekt: Kornelia Ahlring vom Mieterverein erklärt, warum das Mieterschutzgesetz in Bremen nicht funktioniert.

Hier ist Miete ungebremst: Europahafen in der Bremer Überseestadt Foto: dpa
Gareth Joswig
Interview von Gareth Joswig

taz: Frau Ahlring, sind Vermieter in Bremen nach Mietpreisbremse und dem neuen Mieterschutzgesetz eingeschüchtert und erhöhen seltener die Miete?

Kornelia Ahlring: Nein, leider gar nicht. Das Gesetz ist ein zahnloser Tiger. Schon die erste Mietpreisbremse hat wenig bewirkt und die Verschärfung bringt auch nicht viel. Selbst in Städten mit anerkanntem Mietspiegel haben sich die Änderungen nicht bemerkbar macht. Jeder ist froh, überhaupt eine Wohnung zu finden.

In Bremen gibt es nicht einmal einen Mietspiegel, anhand dessen man gegen eine Erhöhung vorgehen könnte …

… wobei das auf der anderen Seite keine schlechte Sache ist: Denn hier müssen Vermieter Erhöhungen mit Vergleichswohnungen oder einem Mietwertgutachten rechtfertigen. Für die vielen kleinen und privaten Vermieter, die es in Bremen gibt, sind übermäßige Mieterhöhungen so schwierig zu rechtfertigen. Andererseits gäbe ein Mietspiegel Rechtssicherheit und ohne ihn ist in Auseinandersetzungen das Prozessrisiko größer, weil Sachverständigen-Gutachten schnell über 2.500 Euro kosten.

Bild: Privat
Im Interview: Kornelia Ahlring

Kornelia Ahlring, 54, Geschäftsführerin des Deutschen Mieterbundes, Mieterverein Bremen e. V.

Nach der neuen Regelung müssen Vermieter unaufgefordert Ausnahmegründe nennen, wenn die Miete zehn Prozent höher liegt als der ortsübliche Mietspiegel. Wäre es nicht sinnvoll, in Bremen einen Mietspiegel einzuführen?

Das sehe ich ambivalent: Wenn man nach dem rapiden Preisanstieg der vergangenen Jahre einen Mietspiegel festlegen würde, würde er in der Regel nur die neuen Mietverträge der letzten vier Jahre berücksichtigen. Um einen angemesseneren Mietspiegel zu erstellen, müsste man mindestens die Mieten der vergangenen zehn Jahre einbeziehen.

Wie wirksam kann das vom Bund beschlossene Mieterschutzgesetz ohne Mietspiegel in Bremen sein?

Muss ich das wirklich kommentieren? Das Gesetz ist gut gemeint, aber es wird an der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt nur wenig ändern: Vermieter werden trotzdem bei Wiedervermietung zu viele draufschlagen.

Wohnen in & um Bremen

Einen anerkannten Mietenspiegel gibt es in Bremen nicht. Eine erste regionale Wohnraumbeobachtung präsentierte hingegen der Kommunalverbund Niedersachsen-Bremen für Bremen und umzu am Donnerstag.

Dingend benötigt wird bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen. Die Bestände an gefördertem Wohnraum schrumpfen rapide und beschränken sich auf wenige Standorte in Bremen, Delmenhorst sowie Wildeshausen, Verden und Osterholz-Scharmbeck.

36.000 neue Wohnungen werden laut Kommunalverbund in der Region bis 2030 benötigt. Um die erforderlichen Bedarfe zu decken, sei eine gemeinsame Wohnungsmarktstrategie erforderlich, damit alle Städte und Gemeinden im Verbund Flächen an guten Standorten in der Nähe von Schulen, Nahverkehr und Einkaufsmöglichkeiten bereitstellten. Insgesamt verfügt die Region über 550.000 Wohnungen, 55 Prozent davon in Bremen.

Der demografische Wandel führe zu einem erhöhten Bedarf an kleineren Wohnungen. 22.000 neue Ein- bis Zweizimmerwohnungen braucht die Region, um den Bedarf älterer Paare und Alleinstehender zu decken.

Angebotsmieten in der Stadt Bremen sowie in den meisten Landkreisen der Region sind zwischen 2016 und 2017 um über fünf Prozent gestiegen.

Am höchsten sind die Mietpreise der angebotenen Wohnungen im Zentrum Bremens mit über acht Euro pro Quadratmeter. Im übrigen Bremen und in den meisten Nachbarorten liegen die Quadratmetermieten zwischen fünf und sieben Euro.

(Quelle: Kommunalverbund)

Warum?

Jeder ist froh, überhaupt eine Wohnung zu haben. Wenn ich dann schon bei der Besichtigung frage, ob der Vermieter die über die Grenze hinausgehende Erhöhung mit einer umfassenden Modernisierung begründet, ist klar, wer nicht einzieht.

Was dürfen Vermieter offiziell und wie kann ich dagegen vorgehen, wenn Sie sich nicht an die Vorgaben halten?

Auch in Bremen dürfen sie nicht mehr als zehn Prozent im Vergleich zu den Vormietern erhöhen. Eine der Ausnahmen ist der Erstbezug nach umfassender Modernisierung. Wenn der Vermieter nicht darauf hinweist und sie feststellen, dass Sie trotzdem mehr zahlen, haben Sie Rückforderungsrechte.

Aber wie soll man dagegen vorgehen, wenn man gleichzeitig in die Wohnung einziehen will? Erst den Mietvertrag unterschreiben und dann selbst die Miete kürzen?

Ja, das können sie tun. Wenn sie feststellen, dass sie über zehn Prozent mehr zahlen als der Vormieter – ohne dass der Vermieter Sie bei den Vertragsverhandlungen auf einen der Ausnahmetatbestände hingewiesen hat – können Sie das rügen und haben Anspruch darauf, weniger zu zahlen.

Wie oft kommt das vor?

Eher selten. Für das Mietverhältnis ist ein solcher Beginn natürlich nicht schön. Und wenn man schon so anfängt, haben die meisten Vermieter dann doch noch irgendwie Verwandtschaft. Und so eine Eigenbedarfskündigung geht schnell. Deswegen sind viele Mieter verständlicherweise vorsichtig.

Bremen gilt als angespannter Wohnungsmarkt, also dürfen hier künftig nur noch acht statt elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden. Ist wenigstens das eine gute Neuerung?

Auch das ist noch zu viel. In Bremen ist das besonders relevant, weil Vonovia hier gerade groß modernisiert. Man darf nach der neuen Kappungsgrenze für Modernisierungen nicht mehr als drei Euro pro Quadratmeter innerhalb von sechs Jahren erhöhen. Aber das ist schon ganz schön heftig, wenn sie noch eine Miete von sechs Euro pro Quadratmeter zahlen.

Was wäre besser?

Nicht mehr als vier Prozent im gesamten Bundesgebiet der Modernisierungen dürften umgelegt werden. Selbst so machen die Vermieter noch ordentlich Profite. Das Ungerechte bei der Modernisierungsmieterhöhung ist ja, dass die Modernisierungskosten nach zehn Jahren bezahlt sind, die Miete aber nicht wieder gesenkt wird. Eingeführt wurde die Regelung übrigens aufgrund hoher Kreditzinssätze, die es aber schon seit Jahren nicht mehr gibt. Das ist reines Geldverdienen. Selbst die von uns geforderten vier Prozent wären immer noch mehr als jetzige Zinssätze.

Was fehlt noch?

Es fehlen wirkungsvolle Sanktionen für Vermieter, die sich nicht an das Gesetz halten. Ebenso müssten die Regelungen flächendeckend und nicht nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten. Die Ausnahmetatbestände und Sonderregelungen müssten entfallen. Außerdem sollte eine Kappungsgrenze von anderthalb Euro pro Quadratmeter und Monat eingeführt und festgelegt werden, dass die ortsübliche Vergleichswohnung nach einer Modernisierung höchstens um 10 Prozent überschritten werden darf.

Die Aktiengesellschaft Vonovia ist Bremens größter Vermieter und hat einen schlechten Ruf. Wie viel Ihrer Zeit beansprucht dieser Konzern?

Sehr viel. Allein die Betriebskostenabrechnungen jedes Jahr sind ein Großteil unserer Beratungszeit. Es geht um viele neu hinzugekommene Nebenkostenpositionen, deren Berechtigung zur Umlage im Hinblick auf den geschlossenen Mietvertrag infrage zu stellen sind. Und jetzt kommen noch umfangreiche Modernisierungsmieterhöhungen dazu. Beide mit Mietrecht befasste Kammern des Landgerichts Bremen haben bereits gegen den Konzern geurteilt wegen der formellen Unwirksamkeit der Modernisierungsmieterhöhung.

Machen die kleinen privaten Vermieter in Bremen ähnliche Probleme?

Es ist meist nicht so gravierend. Zu privaten Vermietern hat man meist ein viel persönlicheres Verhältnis, viele Eigentümer wissen auch langjährige und zuverlässige Mieter zu schätzen. Es gibt aber auch private Vermieter, die keinerlei Rücksicht darauf nehmen, ob eine erhebliche Modernisierungsmieterhöhung für den Mieter tragbar ist und darauf verweisen, der müsse eben ausziehen, wenn er sich die Miete nicht leisten könne.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!