Mieterhöhungen bei den Landeseigenen: Der Aufstand der Mieterräte
Mieter der kommunalen Wohnungsfirmen protestieren gegen Mieterhöhungen. Der Senat hatte mit einer neuen Kooperationsvereinbarung soziale Verpflichtungen abgeschafft.
Am Mittwoch haben sich Schröder und ein gutes Dutzend weitere Mieterräte der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen erstmals mit einer Pressekonferenz gemeinsam an die Öffentlichkeit gewandt. Der Grund: Der schwarz-rote Senat hat kurzen Prozess mit dem Hauch von sozialer Wohnraumversorgung gemacht, der von vorherigen Landesregierungen infolge des Mietenvolksentscheids 2015 als Kompromiss in einer sogenannten „Kooperationsvereinbarung“ geschaffen wurde.
Hinter dem sperrigen Wort verbergen sich von unten erkämpfte soziale Verpflichtungen, die angesichts von Mietsteigerungen und Verdrängung seit 2017 zumindest für die kommunalen Wohnungsunternehmen gelten sollten – und zwar unbefristet: Unter anderem Preisdeckelungen bei Neuvermietungen, eingeschränkte Mieterhöhungen, Sozialquoten und begrenzte Möglichkeiten zur Umlage von Modernisierungen.
Viele der direktdemokratischen Errungenschaften hat Schwarz-Rot im September mit einer neuen Kooperationsvereinbarung kurzerhand abgeräumt: Ab dem 1. Januar 2024 ermöglicht die Vereinbarung Mieterhöhungen von 11 Prozent in drei Jahren, 15 Euro pro Quadratmeter bei Erstvermietung sowie eine um 2 Euro pro Quadratmeter gesteigerte Modernisierungsumlage. Auch der Kündigungsschutz bei Energieschulden und der nach dem gescheiterten Mietendeckel eingeführte Mietendimmer, der Mieten senken und Erhöhungen bis 2025 begrenzen sollte, wurde gestrichen. Der Mieterverein sprach von einem „sozialen Kahlschlag“ und einem „Geschenk an die Wohnungsunternehmen“.
„Die Wut ist groß“
Vielen Mieter*innen sei in den vergangenen Wochen schmerzlich bewusst geworden, was sich hinter dem technischen Begriff „Kooperationsvereinbarung“ für sie praktisch verbirgt, sagt Gertrud Küttner vom Mieterrat Howoge: nämlich Mieterhöhungen. Viele davon sind bereits bei den Bewohner*innen angekommen, weitere sollen folgen.
Bis zu 11 Prozent sind es laut Mieterverein zumeist. Bei denjenigen, deren Kosten mit dem Mietendeckel gesenkt wurden, können es gar bis zu 44 Prozent auf einmal sein, wie Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Mietervereins, ausführt. Sie kritisiert, dass die alte Vereinbarung Mieter*innen geschützt und mietendämpfend auf die gesamte Stadt gewirkt habe, weil sie auch den Mietspiegel positiv beeinflusse. An dem orientieren sich auch private Vermieter.
Bei Problemen habe sonst immer das direkte Gespräch mit den Vermietern gesucht, sagt Mieterrätin Küttner. Angesichts des gewaltigen Richtungswechsels der Landeseigenen mit ihren 340.000 Wohnungen hätten sich die Mieterräte der verschiedenen Wohnungsunternehmen nun aber dazu entschlossen, zusammenzuarbeiten. „Die Wut ist groß“, sagt auch Heike Kasten Nkongolo von Stadt und Land. „Sie wird nicht geringer, wenn man die Mieter in die Gespräche zur neuen Vereinbarung nicht einbindet.
Die Mieterräte, die in Berlin nach eigenen Angaben rund eine Million Mieter repräsentieren, fordern ebenso wie der Mieterverein die alte Kooperationsvereinbarung zurück. Genauer: Rückkehr zur Begrenzung der Mieterhöhungen nach der alten Kooperationsvereinbarung, einen fünfjährigen Mietenstopp bei Neubauten, die Absenkung der Modernisierungsumlage, Mitbestimmungsrechte und alternative Finanzierungsmodelle für Neubau.
Petition gegen Erhöhungen
Über ihre Forderungen hinaus haben die Mieterbeiräte verschiedener Großsiedlungen noch einen offenen Brief an Bausenator Christian Gaebler (SPD), Finanzsenator Stefan Evers (CDU) und die Vorstände der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen geschrieben. Angesichts von Inflation ohne Lohnausgleich, hohen Betriebskostenabrechnungen und abgeschaffter Energiepreisbremse sei dies „eindeutig keine Zeit für Mieterhöhungen durch landeseigene Wohnungsunternehmen“, heißt es im Brief, aus dem man aufgrund des großen Zuspruchs kurzerhand eine Petition gemacht habe.
Der Senat findet das alles halb so wild. „Die Kritik des Mietervereins ist vollkommen überzogen“, sagt Martin Pallgen, Sprecher der Bauverwaltung von Gaebler. Zwei Drittel der Bestände seien nicht von Erhöhungen betroffen, zudem gebe es ja „das Leistbarkeitsversprechen“, nach dem die Nettokaltmiete nicht mehr als 27 Prozent des Haushaltseinkommens entsprechen dürfe – Mieter*innen könnten eine Absenkung beantragen.
Mieterrätin Küttner hält dagegen, dass sich die Grenze nur auf die Kaltmiete beziehe, die stark gestiegenen Betriebskosten würden nicht einbezogen. Daniela Hirsch aus dem Südblock ergänzt, dass man den Anspruch unter erheblichem bürokratischen Aufwand jährlich neu nachweisen müsse: „Zudem muss man sein Einkommen dem Vermieter offen legen – das ist auch nicht gerade ein Feel-Good-Moment.“
Hamann-Onnertz vom Mieterverein zog zu aller letzt dann noch einen schmerzlichen Vergleich. Denn sogar München nämlich habe gerade einen Mietenstopp für städtische Wohnungen bis 2026 verlängert. Hamann-Onnertz fragte: „Warum kann Berlin nicht das, was München kann?“. Zuständig dafür war in München übrigens die SPD.
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