Mieterfreundlichkeit der SPD: Macht die Städte billiger
Bürgerversicherung, schnelles Internet: Die SPD hat sich bei den Sondierungen mit der Union viel vorgenommen. Nur keine mieterfreundliche Politik.
H at SPD-Chef Martin Schulz eigentlich etwas zum Thema Wohnungsnot gesagt? Zum Mietenirrsinn, der in den Ballungszentren von Hamburg über Berlin bis München grassiert, zu steuersparenden Share-deals und zu Luxusmodernisierungen, zur Spekulation mit Bauland oder der Verdrängung aus den Innenstädten, sodass auch in Deutschland Banlieues denkbar geworden sind?
Nein, Martin Schulz hat vor dem Beginn der Sondierungsgespräche mit der CDU zum Thema Wohnungsnot geschwiegen. Dabei gäbe es wohl keinen besseren Zeitpunkt, um klarzustellen: Wir wollen in einer neuen Großen Koalition die Bedingungen dafür schaffen, dass die Großstädte auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel wieder lebenswert werden. Denn nicht die Länder, sondern der Bund ist für das Mietrecht zuständig.
Die alte Große Koalition, die am 24. September abgewählt wurde, hat außer einer wirkungslosen Mietpreisbremse nichts vorzuweisen. Eine Reduzierung der Modernisierungsumlage wurde auf ein sogenanntes Mietrechtspaket II verschoben – und damit auf Eis gelegt. Dabei lassen sich mit geschickt geplanten „Modernisierungen“ die Mieten schnell nach oben treiben.
Während also die Spekulation mit Wohnraum immer mehr Stadtteile ergreift und am ersten Weihnachtsfeiertag sogar vom Kölner Kardinal Rainer Woelki gegeißelt wurde, blieb die Bundesregierung in den vergangenen Jahren untätig. Umso dringender wäre eine mieterfreundliche Politik in einer neuen Großen Koalition.
Milieuschutz muss gestärkt werden
Um zum Beispiel der Mietpreisbremse die nötige Bremskraft zu verleihen, müssten Vermieter gezwungen werden, die Verträge mit den Vormietern auf den Tisch zu legen. Ausnahmetatbestände müssten abgeschafft und endlich Sanktionen für unverschämte Vermieter eingeführt werden.
Damit Modernisierungen nicht nur Vermietern, sondern auch Mietern zugutekommen, müsste das Recht der Vermieter entfallen, den Mieterinnen und Mietern elf Prozent der Kosten aufzubrummen. Es reicht auch, wenn die modernisierte Wohnung im Mietspiegel ein paar Merkmale nach oben rutscht.
Uwe Rada, Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Ein weiterer Schwerpunkt ist Osteuropa. Zuletzt erschien bei Siedler sein Buch "Die Elbe. Europas Geschichte im Fluss".
Damit nicht noch mehr Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt werden, müsste der Milieuschutz gestärkt werden. Zudem müsste die Ausnahmeregelung entfallen, dass eine Umwandlung genehmigt werden muss, wenn der Eigentümer sieben Jahre lang nur an Mieter verkauft. Hört sich gut an, ist aber Quatsch, weil sich die meisten Mieter den Erwerb einer Wohnung gar nicht leisten können.
Es muss mehr bezahlbare Wohnungen geben, die im Besitz der Kommune oder der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften bleiben. Dafür könnte eine Gemeinwohlorientierung hilfreich sein, anstatt wie bisher private Bauherren zu subventionieren, wenn sie ein paar günstige Wohnungen zur Verfügung stellen. Auch der Bund sollte sich über 2020 hinaus an der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus beteiligen. Zum Beispiel im Rahmen einer Gemeinschaftsaufgabe Wohnungsbau.
Schnelles Internet ist wichtiger
Um die zunehmende Spekulation mit Grund und Boden einzudämmen, müsste – wie vom Bundesrat angeregt – die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) gesetzlich verpflichtet werden, ihre Grundstücke an die Kommunen zum Verkehrswert abzugeben. Bisher wird an den Meistbietenden verkauft.
Aber auch das Baugesetz muss reformiert werden. In die Wertermittlung eines Grundstücks darf die spekulative Erwartung nicht mehr einfließen. Vielmehr muss sich der Preis an den realen Erträgen orientieren. Sonst können gemeinwohlorientierte Bauträger Grundstücke nur noch zu Preisen kaufen, die ohne Verdrängung und Luxusmieten nicht refinanzierbar sind.
Alle diese Vorschläge würden Kommunalpolitiker der SPD aus Berlin, Hamburg oder Köln sofort unterschreiben. Doch in ihrer Partei finden sie kaum Gehör. Denn die Parteimitglieder haben sehr disparate Interessen: Dem Genossen vom Bodensee ist das schnelle Internet wichtiger als eine bezahlbare Wohnung in Stuttgart.
Also geht die SPD lieber mit der Bürgerversicherung und der Forderung nach schnellem Internet in die Sondierungen mit der Union. Metropolenpolitik bleibt somit nur Sache der Grünen und Linken. Absehbar werden also die Bewohnerinnen und Bewohner der wachsenden Städte gegenüber den Menschen in den Flächenländern benachteiligt.
Politische Selbstverstümmelung
Dabei haben die Grünen bereits einen Vorschlag eingebracht, mit dem auch die Flächenländer und nicht nur die Stadtstaaten leben könnten. Wenn man im Mietrecht generell nach angespannten und nicht angespannten Wohnlagen unterscheiden könnte, ließen sich die Gesetze verschärfen, ohne überall in Kraft treten zu müssen. Dann müsste Bayern eine schärfere Mietpreisbremse nicht unbedingt in der Oberpfalz einführen, könnte es aber in Nürnberg.
Doch bisher hat kein wichtiger Sozialdemokrat eine wirksame Mietpreisbremse zum Essential erklärt. Nicht einmal der zur Jahreswende überaus umtriebige SPD-Außenminister Sigmar Gabriel hat in einem seiner Zeitungsinterviews das Ultimatum gestellt: entweder mieterfreundlich oder keine Koalition mit der Union.
Von den SPD-Landesverbänden in Berlin oder Hamburg abgesehen, überlassen die Genossen das Thema Wohnungsnot der politischen Konkurrenz. Das ist nicht nur mieterfeindlich, sondern politische Selbstverstümmelung. Bei den letzten Bundestagswahlen haben Grüne und Linke in den Städten deutlich zugelegt.
Aber vielleicht rüttelt ja noch ein Argument die Genossen aus dem Tiefschlaf: Bisher ist es nicht automatisch die AfD, die in den Großstädten die Stimmen der Verdrängten einsammelt. Doch wenn sich die einstige Mieterpartei SPD nicht mehr um das Thema Wohnungsnot kümmert, könnte die Stimmung schnell kippen.
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