Mietenpolitik der Berliner SPD: Error 404 not found

Das Scheitern des Wohnungsbündnisses ist das letzte Glied in einer Reihe von SPD-Versäumnissen. Die Nähe der SPD zur Baulobby ist nur ein Grund.

Kein Herz für Mieter. Bausenator Gaebler steht in einer langen SPD-Tradition Foto: picture alliance/dpa | Soeren Stache

Um jemandem ein Langzeitzeugnis auszustellen, und darum soll es hier gehen, muss etwas ausgeholt werden. 2009 schon betitelte der Berlinteil der taz den Beginn einer Serie zur „sozialen Stadt“ mit „Kein Herz für Mieter“.

Gemeint war die bereits damals herzlose SPD. Statt auf die immer häufiger zu vernehmenden Meldungen zu reagieren, dass die Mieten nach der Finanzkrise in Berlin deutlich anziehen, verwies die damalige Bausenatorin auf den Berliner Leerstand. Vom Wort „Betongold“ hat sie wahrscheinlich bis heute nichts gehört.

An den Namen der Bausenatorin zu erinnern, wäre an dieser Stelle müßig. Denn auch ihre Nachfolger bekleckerten sich nicht mit Ruhm. Mal war angeblich der Bund schuld, weil er die gebetsmühlenartigen Bundesratsinitiativen ablehnte, mal die mitregierende CDU. Die zögerte das Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen so lange hinaus, bis es fast schon zu spät war.

Die Nachwendebilanz der sechs Bausenatoren und der erwähnten einen Bausenatorin der SPD ist also miserabel. Seit 2012 stiegen die Angebotsmieten in Berlin laut Statistischem Bundesamt von 6,65 Euro den Quadratmeter auf 14,93 Euro. Die Zustimmung der Wählerinnen und Wähler der SPD fiel in der gleichen Zeit ähnlich stark ab.

Was draus gelernt? Iwo, es geht hier ja um die Berliner SPD, und der ist die traditionelle Nähe zur Bauwirtschaft wichtiger als die Bezahlbarkeit der Mieten für die Berlinerinnen und Berliner. Wiederholt tanzte zum Beispiel die Vonovia der SPD-geführten Bauverwaltung auf der Nase herum.

SPD: bedauerlich

Zuletzt verschickte Vonovia an 40.000 Haushalten eine Mieterhöhung von 15 Prozent, obwohl sie sich im Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen selbstverpflichtet hatte, die Miete nur um elf Prozent zu erhöhen – jene Kappungsgrenze, die auch für die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gilt. Ein klarer Bruch der Vereinbarung, auf den SPD-Bausenator Christian Gaebler mit einem schmallippigen „bedauerlich“ reagierte.

Bedauerlich ist es wohl auch, wenn ein Investor in der Europa-City die Verpflichtung, 235 Sozialwohnungen zu vermieten, einfach ignoriert. Allerdings hatte das der Investor der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung laut RBB schon im vergangenen Herbst mitgeteilt. Die Mail war – bedauerlicherweise – nicht weitergeleitet worden.

Zwei Anmerkungen müssen der Ehrlichkeit halber gemacht werden. Die erste widerlegt die These, auf Landesebene könne ohnehin nichts gemacht werden. Bei Bausenatorin Katrin Lompscher von der Linken spürte man den politischen Willen, keine begleitende Sozialarbeit mit den Miethaien zu veranstalten, sondern ihnen die Zähne zu ziehen. Auch die Landeseigenen bekamen diesen Kurswechsel zu spüren. Eine entsprechende Vereinbarung zur Mietendämpfung wurde von der SPD aber wieder aufgeweicht.

Und einmal hat auch die SPD etwas versucht. Der Mietendeckel war eine ureigene SPD-Idee, auch wenn die Sozis nach seinem Scheitern am liebsten der Linken die ganze Verantwortung hierfür in die Schuhe geschoben hätte. Leider wurden aus dem Urteil aus Karlsruhe die falschen Schlussfolgerungen gezogen.

Fangspiel Wohnungsbündnis

Statt wieder ins Risiko zu gehen, spielt die SPD nun Verstecken oder Fangen. Das Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen war so ein Fangspiel. Erfunden wurde es von der damaligen Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey, um dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Statt zu enteignen, sollten sich die privaten Vermieter, und da vor allem die börsennotierten Wohnungsunternehmen, selbst verpflichten, die Regeln anzuwenden, die auch für die landeseigenen Wohnungsunternehmen gelten. Seit dieser Woche wissen wir: Machen sie nicht. Andere wie die Adler-Group waren da ehrlicher und sind von selbst ausgestiegen. Und warum? Weil sie wissen, dass sie immer ungeschoren davon kommen werden, wenn in Berlin die SPD den Bausenator stellt.

15 Jahre nach der Überschrift mit der herzlosen SPD bleibt als Bilanz nur noch das Benennen eines Komplettversagens. Wohnungspolitik? Error 404 not found.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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