Mietendemo in Kreuzberg: Berlins MieterInnen machen Druck
Rund 850 TeilnehmerInnen demonstrierten am Samstag gegen steigende Mieten. Nun sollen neue Bündnisse geschmiedet werden.
Eins eint die rund 850 TeilnehmerInnen der Mietenstoppdemo. Von der neuen Regierung im Abgeordnetenhaus versprechen sie sich nach der Wahl gar nichts. Rund 850 Menschen zogen am Samstagnachmittag über den Mehringdamm und die Großbeerenstraße durch Kreuzberg. Ihr Protest richtete sich explizit gegen die Parteipolitik.
„Der Wahlslogan ‚Berlin bleibt bezahlbar‘ ist der blanke Hohn“, sagte ein Redner. „Von Senat und Bezirken haben wir nichts zu erwarten, die Politik will nur ihre Vorstellungen einer kapitalistischen Stadt durchsetzen.“ Gesetze zur Mietpreisbremse und dem Milieuschutz würden nur erlassen, um das Gesicht zu wahren. „Wir müssen den Widerstand selbst organisieren“, sagte er.
Die teilnehmenden Bündnisse und Kiezinitiativen vertraten dabei unterschiedliche Anliegen – etwa gegen steigende Mieten, gegen Zwangsräumungen, Sanierung, Privatisierung, gegen die Isolierung von Flüchtlingen oder gegen die Kriminalisierung ihres Protests.
Auf einer Fahrradrikscha sitzend demonstrierten zwei ältere Damen mit Sonnenhüten von der Mietergemeinschaft Hansa-Ufer: Seit 30 Jahren wohnen sie in Moabit, gerade wird ihr Wohnhaus saniert – danach, so erzählen sie, sollen die Mieten steigen.
Friedel54, Rigaer94, Schönleinstraße 4
Die Vertreter einer anderen Initiative aus Moabit beklagten die „Massenbaumfällungen“ im kleinen Tiergarten. Die Gruppe vom Schmargendorfer Mietprotest hingegen trug Dämmplatten mit dem Slogan „Dumm, dümmer, Dämmung“ vor sich her. Ihr Protest wendet sich gegen Luxussanierungen und Mietsteigerungen von bis zu 180 Euro im Monat, „einige Familien sind bereits aus Angst weggezogen“, berichtete eine Schmargendorferin.
Der schwarze Block wiederum protestierte gegen die drohende Räumung des Kiezladens Friedel54 und für Solidarität mit den linken Aktivisten Aaron und Balu, die bei der Soli-Demo für die Rigaer94 verhaftet worden waren.
Cristina Francesconi
Cristina Francesconi vom MieterInnenprotest Schönleinstraße 4 ist es wichtig, zu betonen, dass „auch Kleininvestoren schlimme Sachen machen“, und führt auch gleich ein Beispiel an: Ihr Hausbesitzer möchte die Wohnungen mit Balkonen ausstatten, die Miete soll um 80 Euro im Monat steigen. Seine Pläne verkündete er vor eineinhalb Jahren, als der Kiez längst zum Milieuschutzgebiet erklärt worden war. „Wir wollen die Balkone nicht und haben dagegen geklagt“, erzählte sie, doch die Klage wurde abgewiesen, vom Bezirk kam gar keine Antwort. „Ich gebe nicht auf“, sagt Francesconi.
Enttäuschtt von der Mietpreisbremse
Doch seien nicht alle betroffenen MieterInnen so kämpferisch, sagt Francesconi: „Viele sind enttäuscht, weil die Mietpreisbremse und der Milieuschutz nichts bringen“, sagt sie. „Ich habe das Gefühl, dass Alteingesessene und Flüchtlinge, Zwangsgeräumte und von Sanierung Betroffene gegeneinander ausgespielt werden.“
„Die Demo hat gut widergespiegelt, wie viele Konfliktherde es aktuell in der Stadt gibt“, sagt Frank Möller aus dem Orga-Team der Mietenstoppdemo. Immer mehr Menschen stünden unter Druck. Der Protestzug habe die vielen verschiedenen Initiativen in der Stadt sichtbar gemacht. „Es ist notwendig, dass Leute sich in Kiezen und Bündnissen zusammenschließen und Gegendruck aufbauen“, sagt er. Beim Nachbereitungstreffen der Demo sollen nun neue Bündnisse und Pläne geschmiedet werden.
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