Mietendeckel und Enteignung: Berlin brennt, Hamburg pennt

Die Hauptstadt debattiert über den Eingriff in Eigentumsrechte auf dem Wohnungsmarkt. In Hamburg ist Ruhe die erste Politikerpflicht.

Eigentumsfrage, gestellt auf einem Transparent in Prenzlauer Berg. So weit ist es in Hamburg nicht Foto: dpa

Hamburg taz | Die ganze Republik guckt nach Berlin. Die rot-rot-grüne Hauptstadtregierung hat in Sachen Mietenpolitik in den letzten Wochen Gesetzesentwürfe vorgestellt, die so stark in den wild gewordenen Markt eingreifen, dass profitorientierte Eigentümer*innen und Spekulant*innen in Panik verfielen.

Auf Seiten der Mieter*innen kamen Erinnerungen zurück: Man hatte schon fast vergessen, dass Regierungen zu solchen starken Martkeingriffen in der Lage sind und dass Wohnen ein Menschenrecht ist. Die Wohnsituation könnte sich für die Berliner*innen in naher Zukunft deutlich entspannen.

Und in Hamburg? Tut sich wenig. Dabei gibt es die Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden, hier schließlich auch, und zwar nicht erst seit gestern. Hamburger*innen haben sogar schon viel länger mit der Verdrängung von Gering- und Normalverdiener*innen aus dem Stadtzentrum zu kämpfen.

Auch in Hamburg brennt die Hütte, doch die Politiker*innen bemühen sich nach Kräften zu verhindern, dass die progressiven Berliner Vorschläge in die Hansestadt überschwappen. Als die Berliner linke Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher im Mai verkündete: „Der Mietendeckel kommt“, reagierten die mitregierenden Hamburger Grünen mit dem Vorschlag, nette Vermieter*innen, also solche, die nicht ganz so skrupellos agieren wie die Durchschnitts-Vermieter*in, mit Steuergeschenken zu belohnen. Das Vorhaben versandete zum Glück.

Die SPD wird nicht müde zu betonen, wie viel sie baut

Und während in Berlin der Mietendeckel vielen Aktivist*innen nicht weit genug geht und sie als eigentliches Ziel die Enteignung von Wohnungskonzernen ansteuern, kündigt Hamburg eine Bundesratsinitiative an: Man wolle lieber auf Nummer sicher gehen, statt ein so windiges Instrument einzuführen wie den Mietendeckel, gegen den sicher geklagt werde, argumentiert der rot-grüne Hamburger Senat. Und schlägt vor, die bislang völlig wirkungslose Mietpreisbremse nachzujustieren.

Anstatt dass Mieter*innen erst ab dem Zeitpunkt einer Rüge die überhöhte Miete von ihrem Vermieter zurückverlangen können, sollen sie diese zukünftig seit dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung zurückbekommen. Das wäre eine kleine Verbesserung. Die Betonung liegt auf klein. Denn den Vermieter*innen drohen keine Sanktionen, wenn sie Beträge verlangen, die über dem erlaubten Rahmen liegen. Das ist eine Einladung, erst mal auszuprobieren, mit dem Höchstpreis durchzukommen.

Woran liegt es, dass die Mietenpolitik in Hamburg so traurig herumkrebst? Klar, Berlin hat die Linke in der Regierung und diese besetzt den zentralen Posten der Stadtentwicklungssenatorin. Aber die bekommt auch ordentlich Druck von den stadtpolitisch Interessierten, von den Mieter*innen, die sich organisieren und Enteignungen fordern. In Hamburg hört man aus dem aktivistischen Spektrum wenig, was die Thematik angeht. Das hat mehrere Gründe.

Zum einen haben sich die Hamburger*innen ein Stück weit an den Leidensdruck gewöhnt, während er für Berliner*innen noch relativ neu ist. Auch in Hamburg gab es Hochphasen der Mobilisierung gegen den Mietenwahsinn. Das war in der Anfangszeit der Bewegung „Recht auf Stadt“, in 2008, 2009, 2010.

Und daraus sind Projekte entstanden: Das Gängeviertel wurde besetzt und dauerhaft gesichert, die Fux-Kaserne ist dem Markt entzogen, die Esso-Häuser werden als glänzendes Beispiel für eine echte Bürger*innenbeteiligung dastehen. Es sind Leuchtturmprojekte der Stadtgestaltung von unten, aber sie binden auch jahrelang Kapazitäten und am Ende profitieren wenige. Wenn man erst mal im genossenschaftlichen Wohnprojekt wohnt, ist Mietenpolitik vielleicht auch nicht mehr das drängendste Thema.

Von Tür zu Tür

Vernachlässigt wurde dagegen das Community Organizing, also das „von Tür zu Tür gehen“, mit Nachbar*innen und anderen Mieter*innen reden, sich verbünden. Das ist extrem aufwendig, aber schafft, wenn es nicht nur ein einzelnes Haus betrifft, eben auch eine breite Basis.

Dazu kommt, dass die SPD es in Hamburg geschafft hat, das Thema Wohnen zu kapern. Nachdem linke Aktivist*innen es auf die Agenda gesetzt hatten, sprangen die Sozialdemokrat*innen auf und werden seitdem nicht müde zu betonen, wie unglaublich viel sie bauen (lassen). Das ­stimmt auch, nur leider sind diese Wohnungen nicht bezahlbar, eine Entspannung des Wohnungsmarktes ist nicht in Sicht. Im Schulterschluss mit der Immobilienwirtschaft regieren SPD und Grüne geräuschlos, während das Mantra „bauen, bauen, bauen“ die Bürger*innen sediert. Für die außerparlamentarische Linke ist das Thema dadurch maximal unattraktiv geworden.

Strategien überdenken

Was bedeutet das für die Zukunft? Es wäre wohl an der Zeit, die Strategien zu überdenken.

Die Hamburger Linksfraktion fordert den Mietendeckel auch für Hamburg, aber die nahende Bürgerschaftswahl verspricht leider keine große Kräfteverschiebung nach links. Die linke Bewegung müsste deshalb evaluieren, ob sie es doch schaffen kann, Druck auszuüben.

Es muss ja nicht immer ein Volksbegehren sein. Vielleicht würde es sich doch lohnen, bei den Nachbar*innen anzuklopfen und zusammen von Tür zu Tür zu ziehen.

Mehr über die Berliner Aufbruchstimmung und den Hamburger Halbschlaf erfahren sie in der gedruckten taz am Wochenende oder hier.

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