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Mietendeckel für Berlin beschlossenLinker Mut für Berlin

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat das Mietendeckelgesetz beschlossen. Eine mutige Entscheidung und ein Signal: Linke Politik ist möglich!

Massenproteste zeigen Wirkung: Demonstration gegen hohe Mieten in Berlin 2019 Foto: Karsten Thielker

F ortschritt kann auch schnell gehen: Am Donnerstag hat die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin den sogenannten Mietendeckel verabschiedet. Es ist das wichtigste Projekt der linken Koalition und zugleich die Einlösung eines Versprechens: Wir holen uns die Stadt zurück.

Lange war damit nicht mehr gerechnet worden. Statt den Schwung der Anfangsphase vor drei Jahren zu nutzen, verkeilte sich R2G schnell in Grabenkämpfe. Es herrschte die Profilierungssucht. Keiner gönnte den jeweils anderen beiden Koalitionspartnern einen Erfolg für deren eigene Klientel: In die von den Grünen verantwortete Klimapolitik etwa grätscht liebend gern die SPD rein. Weitreichende Gesetze wiederum – etwa das von einer Bürgerinitiative erkämpfte Radgesetz – kamen mit Verspätung und werden meist nur schlampig umgesetzt. Die häufigste Begründung dafür: Die Stadt sei jahrelang kaputtgespart worden; es gebe nicht genügend Mitarbeiter*innen in der Verwaltung, um die rot-rot-grünen Projekte umsetzen zu können.

Dass es auch anders geht, beweist nun der Mietendeckel, der die Mieten in der Hauptstadt rückwirkend zum Juni 2019 für fünf Jahre einfriert und die Möglichkeit einer Senkung von hohen Mieten vorsieht. Nicht mal ein Jahr dauerte es von der Idee bis zur Verabschiedung des Gesetzes. Das dürfte, bei einem Entwurf ohne Vorbild, Rekord sein. Es ist auch ein Signal: Wenn eine linke Koalition progressive Politik machen will, geht das – wenn sie nur etwas wagt.

Es dürfte wenig Gesetze geben, die so vielen Menschen zugutekommen wie dieses Mietengesetz: Es gilt für 1,5 Millionen Wohnungen, also für mehr als 2 Millionen Berlinerinnen und Berliner, über die Hälfte der Bevölkerung des Bundeslandes.

Natürlich gibt es viele Einwände gegen das neue Gesetz- und bestimmt wird dagegen geklagt werden. Die Auseinandersetzung vor Gericht ist auch richtig. Schließlich muss klar werden, ob das Neuland, das Berlin hier betritt, auch für andere Länder Vorbild sein kann. Aber selbst wenn Teile des Gesetzes oder auch das ganze in ein paar Monaten oder Jahren einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten: Von Rot-Rot-Grün in Berlin wird bleiben, dass sie etwas versucht haben. Dass sie Mut gezeigt haben. Schon das allein wäre ein gutes Vorbild.

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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20 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Wahnsinnig progressiv. Wieviele zusätzliche Wohnung bringt das ganze jetzt nochmal?

  • „Aber selbst wenn Teile des Gesetzes oder auch das ganze in ein paar Monaten oder Jahren einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten: Von Rot-Rot-Grün in Berlin wird bleiben, dass sie etwas versucht haben.“

    Nicht ernsthaft...

  • Viel Rauch um Nichts. Ein Phyrrussieg: Hat der Mietendeckel wider Erwarten trotz des deutlichen juristischen Dilletantismus rechtlichen Bestand, dann kommt die Bautätigkeit in Berlin zum Erliegen. Hat er keinen Bestand -was aufgrund der handwerklich mieserablen Machart des Gesetzes anzunehmen ist-, dann hat RRG die Wähler verkohlt.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Der Erwin:

      "dann kommt die Bautätigkeit in Berlin zum Erliegen."

      Wetten nicht? Der Deckel gilt doch gar nicht für Neubauten.

      www.stadtentwicklu...raum/mietendeckel/

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Herr Meier hat einen Kiosk. Er verkauft pro Monat 500 Becher Kaffee und 500 warme Brötchen, beides zu je 1 Taler . Macht also 1000 Taler Unternehmensgewinn pro Monat. Die laufenden Kosten (Personal/Miete etc). für den Kiosk sind 750 Taler. 250 Taler bleiben Herrn Meier zum Leben.

        Jetzt führt Stadt Preisdeckel von 0,5 Taler für den Becher Kaffee ein.

        Herr Meier nur noch 250 Taler aus dem Kaffeeverkauf + 500 Taler aus Brötchenverkauf = 750 Taler. Die laufenden Kosten sind aber immernoch 750 Taler. Also bleiben Herrn Meier 0 Taler zum Leben.

        Meier macht den Kiosk zu, weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt.

        Und Dhimitry so: "Warum verkauft der Meier keine Brötchen mehr? Der Preisdeckel galt doch nur für Kaffee???"

      • @74450 (Profil gelöscht):

        ... aber die Renovierung bzw. Instandhaltung von Bestandsobjekten, die nicht als "Neubau" gelten.



        Darüberhinaus werden die Vermieter jede Kleinreparatur in der Wohnung auf den Mieter abwälzen. Etc. etc.

  • Ich würde mich nicht so früh freuen. Die Klagen kommen jetzt. Ich persönlich glaube nicht, dass die Höhe von Mieten in der freien Marktwirtschaft begrenzt werden kann. Wir leben nicht in einem sozialistischen Staat.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Jossi Blum:

      "Ich persönlich glaube nicht, dass die Höhe von Mieten in der freien Marktwirtschaft begrenzt werden kann."

      Deshalb nennen wir unser System auch meist "soziale Marktwirtschaft". Das Beste aus zwei Welten. ;)

    • 6G
      68514 (Profil gelöscht)
      @Jossi Blum:

      Es ist aber altbekannt, daß an tunlichst darauf achten sollte, daß Wohnraum nicht zum Spekulationsobjekt verkommt. Und wir wissen außerdem, daß die freie Marktwirtschaft nicht die Menschen im Blick hat sondern ausschließlich den Gewinn. Und deswegen: Ja wir können die Mieten begrenzen, z.B. indem wir den unsinnigen Mietspiegel abschaffen, in den nur Neu und Wiedervermietungen eingehen und nicht die aktuellen Bestandsmieten. Schneller als mit solch einem Mietspiegel kann man Mieten nur erhöhen, wenn es gar keinen Mietspiegel gibt. Die Mieterrechte sind seit den 90er Jahren immer weiter aufgeweicht worden. Wir leben zwar nicht in einem sozialistischem Staat, aber immerhin in einem Staat, der sich auch soziale Belange auf die Fahne geschrieben hat. Also handeln wir endlich entsprechend.

      • @68514 (Profil gelöscht):

        Komisch... Wasser, Gas, Bildung, ÖPNV, Bahn, Autobahn, usw...



        Alles reguliert und massiv subventioniert.



        Wie kann das nur sein, in einer "freien" Marktwirtschaft?



        Leben wir etwa in einem sozialistischen Staat?

        • 6G
          68514 (Profil gelöscht)
          @zzzap:

          Ich sprach davon, daß Wohnraum nicht dazu dienen darf, maximalen Profit abzuschöpfen, nicht von Subventionen. Und was die Dinge, die Sie ansprechen betreffen, wo sollen Wasser und Gas subventioniert sein? Bildung, öffentliches Verkehrswesen, Straßenbau dagegen wird es ohne staatliche Unterstützung wohl kaum in zufriedenstellendem Maße geben. Die Rechtspflege möchte ich hier auch noch explizit erwähnen, sowie das Aufrechterhalen von Ordnung und Sicherhet. Für all das werden Steuer gezahlt und diese auch entsprechend verwendet. Ansonsten kann von sozialem Zusammenleben wohl keine Rede sein. Nun könnte man das vielleicht auch auf die Wohnungswirtschaft anwenden, wir aber wohl kaum funktionieren, da wohnen dann doch zu individuell ist. Aber es sollte jeder ein Dach über'n Kopf haben, und wenn es auch nur eine kommunal verwaltete Wohnung ohne sonderlichen Komfort ist. Und was das Verkehrswesen angeht, die freie Marktwirtschaft wird hier zu 100% Individualverkehr führen, was aber bekanntermaßen für den Massenverkehr nicht funktioniert und deswegen staatlicher Lenkung bedarf, siehe öffentliche Massenverkehrsmittel.

          Bin ich Ihnen jetzt vielleicht zu konkret geworden, oder hätte ich mit allgemeinen Floskeln, so wie in Ihrer Reaktion, antworten sollen?

      • @68514 (Profil gelöscht):

        @Josan, die Mieterrechte sind viel zu stark. Als Vermieter bekommen Sie ja nicht einmal mehr einen Mieter los welcher Ihnen die Miete nicht zahlt. Also keinen Blödsinn erzählen. Zudem wird dieses Gesetz nur eines zeigen, die Wohnungssituation wird sich verschlechtern. Nur baut halt kein Privater mehr Mietwohnungen. Würde ich auch nicht in diesem Berlin.

        • @Swiss39:

          "Als Vermieter bekommen Sie ja nicht einmal mehr einen Mieter los welcher Ihnen die Miete nicht zahlt"

          Haben Sie dafür Belege?

        • 6G
          68514 (Profil gelöscht)
          @Swiss39:

          Wenn jemand die Miete nicht zahlt, können Sie als Vermieter kündigen.



          Und warum wird sich die Wohnungssituation verschlechtern? Etwa, weil kein Investro mehr bauen will, weil die Renditeaussichten schlechter werden?



          Es gibt auch die Möglichkeit, Wohnungsbaugenossenschaften zu gründen. Die sind nicht an hohe Renditeerwartungen gebunden.

          • @68514 (Profil gelöscht):

            Sogar die Wohnungsbaugenossenschaften lehen den Deckel ab.



            Und vom Vermieten haben sie offenbar keine Ahnung..



            Als Privatperson geht es nicht um Rendite sondern um Rücklagen um auch mal eine Reparatur bezahlen zu können. Mit Mietendeckel ist das oft nicht mehr möglich. Daher sind besonders die Bestandsvermieter die gekniffenen. Aber ich weiß, ein linkes Mantra ist ja, dass man als Privatperson ohnehin nicht in Immobilien investiert weil das böse ist...

            • 6G
              68514 (Profil gelöscht)
              @charly_paganini:

              Die Genossenschaften fordern Korrekturen am Mietendeckel, nicht dessen Verhinderung. Durch den radikalen Glauben an den freien Markt ist die Situation inzwischen recht verfahren. Es gibt durchaus Vermieter, die die Wirtschaftlichkeit ihrer Immobilie im Blick haben, aber nicht den großen Gewinn. Und es gibt inzwischen die großen Player am Markt, z.B. Vonovia oder Deutsche Wohnen, die eben die Rendite vor Augen haben und entsprechend die Preise nach oben treiben, ist ja nun nix neues. Und wieso soll ich vom Vermieten keine Ahnung haben? Und die Welt ist auch nicht so einfach, wie es von Ihnen und manch anderem im Forum hier immer versucht wird darzustellen.Wer sich mit der Materie nicht nur auf BILD-Niveau auseinandersetzt, wird die Vielschichtigkeit erkennen, und auch, daß ein freier Markt dem sozialen Zusammenleben entgegenwirkt.

  • Krass über was man sich hier schon freuen muss. Die richtigere Überschrift wäre wahrscheinlich "Sozialdemokratie ist möglich". Mehr ist es ja letztlich nicht.

  • Klar ist Linke Politik möglich, warum sollte sie nicht möglich sein? Die Frage ist doch eher ob diese Politik das Ziel "bezahlbarer Wohnraum für alle" erreicht. Oder ob am Ende weniger Wohnraum zur Verfügung stehen wird, weil mehr Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden und kaum neue Wohnungen gebaut werden.

  • Jetzt heißt es "linke Politik ist möglich", in 5 Jahren werden alle in punkto Mietendeckel schereiben "linke Politik gescheitert" wetten?