Merkels Afrikabeauftragter Nooke: Hirngespinst des Kolonialismus
Der Afrikabeauftragte Günter Nooke lädt deutsche Afrikanisten zum Gespräch, damit sie aufhören, ihn zu kritisieren. Das geht nach hinten los.
Zur Erinnerung: Günter Nooke, seit 2010 im Amt und ehemaliger DDR-Bürgerrechtler im Untergrund, hatte im Oktober 2018 dem Berliner Boulevardblatt B.Z. ein kontroverses Interview gegeben. Die europäischen Kolonisierung Afrikas, sagte er, habe dazu beigetragen, den Kontinent „aus archaischen Strukturen zu lösen“, aber bis heute werde Afrika von „Clanstrukturen“ zurückgehalten, und am besten sollten afrikanische Staaten „ein Stück territoriale Hoheit abgeben“, damit Europa „mit klaren Regeln und Strukturen“ abgeschobene Migranten ansiedeln kann.
Dieses koloniale Hirngespinst hatte eine Gruppe von Afrikanisten dazu verleitet, in einem Offenen Brief Nookes Entlassung zu fordern. Es war in Reaktion darauf, dass Günter Nooke am Mittwoch in den Räumlichkeiten des BMZ zum Treffen lud.
Man wüsste nun gern genau, wie das ablief, aber leider erschien auf der nachfolgenden Pressekonferenz an der Berliner Humboldt-Universität nur die Seite der Wissenschaftler. Was die Afrikanistin Anne Storch, der Kolonialhistoriker Jürgen Zimmerer und der Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), Tahri Della, zu berichten hatten, bedarf dringend der Aufklärung.
Durchaus politische Fragen
Demnach verlief das Gespräch durchaus konstruktiv, wenngleich Nooke „kein Problembewusstsein“ habe erkennen lassen. Für Erstaunen habe dann gesorgt, dass am Ende eine vorbereitete Schlusserklärung auf den Tisch gelegt wurde, über die vorher gar nicht gesprochen worden war und der zufolge die Teilnehmer Günter Nooke bescheinigen, kein Rassist zu sein. Die Afrikanisten verweigerten sich, unter Verweis darauf, dass sie diesen Vorwurf nie erhoben hätten. Sie wollten stattdessen Nooke bescheinigen, seine Tätigkeit „kompetent“ und „reflektiert“ auszuüben. Das wiederum war ihm zu wenig.
Dieser Disput verrät schon viel, erklärt aber nicht, warum sich der Fachverband Afrikanistik im Anschluss gar nicht mehr in der Lage sah, sich offiziell gegenüber der Presse zu äußern. Seine Vorsitzende, Prof. Dr. Raija Kramer von der Uni Hamburg, hatte nämlich zum Ende des Treffens ein an ihren Dienstherren gerichtetes Rechtsgutachten in die Hand gedrückt bekommen, dessen Inhalt sie nicht verraten will. „Es gibt ja auch noch andere Afrikanisten und wir sollen aufpassen, was wir tun“, werden von anderen Teilnehmern Nookes Schlussbemerkungen wiedergegeben.
Autor des Gutachtens war demnach der Moderator des Treffens, Professor Matthias Vogt, Direktor des Instituts für kulturelle Infrastruktur Sachsen. „Herrn Vogt kenne ich schon aus Zeiten der Enquete Kultur“, also vor gut zwölf Jahren, lässt Nooke die taz auf Anfrage wissen.
Immerhin wird damit klarer, woher Nookes Afrikabild kommt. Nooke und Vogt bereisten vor einem Jahr gemeinsam Kamerun und stellten dann in ihrem Reisebericht fest, dass die „kulturelle und religiöse Dimension“ in der Entwicklungspolitik vernachlässigt werde. „Der europäische Weg der Aufklärung und Säkularisierung ist im globalen Maßstab ein Sonderweg,“ wird da geschwurbelt und die Förderung traditioneller Könige empfohlen. Ihr kamerunischer Reisebegleiter Fred-Eric Essam, Gründer des Vereins „ident-africa“ holte im Juni 12 Könige und drei Prinzessinen nach Sachsen und ließ sich selbst sowie Nooke und Vogt mit dem Ehrentitel des „Grand Notable“ auszeichnen.
Essam saß beim BMZ-Treffen mit den Afrikanisten mit am Tisch. Kameruns traditionelle Autoritäten sind eng in das autoritäre Machtsystem des Langzeitherrschers Paul Biya eingebunden. Es sind also durchaus politische und nicht nur wissenschaftliche Fragen, die sich hier an die von Nooke verkörperte deutsche Afrikapolitik richten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden