Merkel hofft auf Abkommen mit Libyen: Menschenunwürdige Verhältnisse

Um die Flüchtlingsabwehr zu verstärken, setzt die Kanzlerin auf die neue Einheitsregierung in Tripolis. Doch die ist ziemlich machtlos.

Flüchtlinge in einem Schaluchboot vor der libyschen Küste.

Deutsche und finnische Marinesoldaten legen an einem Flüchtlingsboot vor der libyschen Küste an Foto: ap

Berlin taz | Nach dem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei will Bundeskanzlerin Angela Merkel nun eine ähnliche Übereinkunft mit Libyen treffen. „Wir haben jetzt die Aufgabe vor uns, mit Libyen eine solche Kooperation hinzukriegen“, sagte Merkel am Wochenend vor Delegierten der Berliner Landes-CDU. „Wir haben nun eine Einheitsregierung, die in Tripolis angekommen ist“, so Merkel. Doch die kontrolliert nicht das Land.

Nach Schätzung der italienischen Regierung warten derzeit mindestens 200.000 Flüchtlinge und Migranten an der 2.200 Kilometer langen Küste Libyens auf die Überfahrt nach Lampedusa oder Sizilien. Der Ölstaat gilt unter den Arbeitssuchenden Westafrikas und der Nachbarländer als lukrativer Arbeitsmarkt.

Doch aufgrund der Expansion des „Islamischen Staates“ (IS) und der Willkür der Milizen versucht die Mehrheit der Nigerianer oder Eriträer, möglichst schnell nach Europa überzusetzen. Aber dieselben Milizen, vor denen die Menschen fliehen, sind mittlerweile in den Menschenschmuggel verstrickt.

„Seit dem Zusammenbruch der Ölförderung und den oft über Monate ausbleibenden Lohnzahlungen der Zentralbank ist Migration zu einem Wirtschaftszweig geworden“, sagt Aktivist Zacharias aus Tripolis. Zusammen mit libyschen Mitstreitern versucht er mit Aufklärungskampagnen auf die menschenunwürdigen Verhältnisse in den Internierungslagern hinzuweisen.

Mehr als 2.000 Menschen kommen täglich aus der Sahara in die Küstenstädte

Immer wieder werden Schwarzafrikaner von Milizionären aus Baustellen oder ihren Unterkünften abgeführt und über Monate festgehalten. Da die meisten Botschaften Libyen verlassen haben, ist eine Rückführung in die Heimatländer unmöglich.

Mehr als 2.000 Menschen kommen täglich aus der Sahara in die Küstenstädte Misrata, Zuwara oder Tripolis. Mit den Festnahmen versuchen sich die bewaffneten Gruppen in der Bevölkerung und gegenüber der internationalen Gemeinschaft als offizieller Ordnungsfaktor zu positionieren.

„Dabei fehlt es an genügend Platz und Erfahrung, bis zu 2.000 Menschen in den ehemaligen Gefängnissen des Gaddafi-Regimes unterzubringen“, gibt ein Wärter in Karrarim zu. Am westlichen Stadtrand von Misrata müssen rund 1.000 Insassen mit vier Toiletten und zwei Waschmöglichkeiten auskommen.

Aggressive Wärter

Zusammen mit einem Dutzend ehemaliger Revolutionäre, die nach eigenen Angaben mit 150 Euro Sold im Monat auskommen müssen, versucht der 26-jährige Khalil, einen Aufstand zu verhindern. Die Gefangenen berichten von überforderten, aggressiven Wärtern und Schlägen. Bis auf liberale Aktivisten und ehemalige Gaddafi-Anhänger ist noch kein Milizionär seit 2011 vor einem ordentlichen Gericht für Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden.

In Zuwara an der tunesischen Grenze, von wo wegen der günstigen Strömung die meisten Boote nach Lampedusa ablegen, hatte im März eine Bürgerwehr die meisten Schmuggler eingesperrt. „Von ihren Verwandten wurden wir massiv bedroht und dem IS, der im benachbarten Sabrata vom Menschenschmuggel lebt, haben wir eine Umsatzsteigerung beschert“, klagt Ayoob Sufyan, Mitbegründer der „maskierten Männer“.

Premier Fajes al-Sarradsch wirbt derzeit um eine Kooperation mit den diversen Milizen in Tripolis. Den Preis für die Sicherung der machtlosen Regierung, die sich auf einer Marinebasis verschanzt, haben die meisten Kommandeure schon genannt: Keine Einmischung in deren mafiaartig kontrollierte Territorien.

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