Merkel besucht Bayern und Söder: Ein Traumpaar im Märchenschloss

Kanzlerin Merkel nimmt an einer Sitzung des bayerischen Kabinetts teil. Was nach langweiligem Arbeitstreffen klingt, wird zum pompösen Spektakel.

Merkel und Söder in einem Park

Gelegenjeit für einen Fingerzeig: Söder und Merkel beim demonstrativen Spaziergang am See Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/imago

HERRENCHIEMSEE taz | Jetzt geht das schon wieder los. Jahrelang hat man ihn als den ewigen Thronfolger verspottet, als so eine Art deutschen Prinz Charles. Und kaum hat er es geschafft, hat er das lang ersehnte Amt des bayerischen Ministerpräsident erklommen, da gilt Markus Söder schon wieder vielen als Kronprinz. Diesmal freilich geht es um die Kanzlerschaft.

So richtig unangenehm scheinen Söder die allerorts sprießenden Mutmaßungen über seinen möglichen Wechsel ins Kanzleramt jedoch nicht zu sein. „Nein“, sagt er längst nicht mehr, wenn er auf eine mögliche Kandidatur angesprochen wird, schwelgt stattdessen in Mehrdeutigkeiten, wiederholt nur ein ums andere Mal sein Mein-Platz-ist-in-Bayern-Mantra.

Dass auch dieser Termin sämtliche Auguren der Republik auf den Plan rufen würde, hat Söder natürlich gewusst und, wie man vermuten darf, billigend in Kauf genommen: Der bayerische Ministerpräsident empfängt die Bundeskanzlerin als Gast bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts. Natürlich keiner gewöhnlichen Sitzung in der Münchner Staatskanzlei. Nein, es muss schon der Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee sein, romantische Anfahrt auf Schiff und Kutsche inklusive.

Man stellt es sich so hübsch vor, das Telefonat, in dem Söder der Kanzlerin berichtet, was sie in Bayern bei ihrem Besuch des Ministerrats erwartet. „Aber Markus, geht das nicht eine Nummer kleiner“, mag Merkel gefragt haben. Nein, ging es natürlich nicht. Markus Söder ist schließlich kein Emmanuel Macron oder Giuseppe Conte, die sich dieser Tage ebenfalls mit Merkel zu Arbeitsgesprächen trafen. Politiker, die sich bei einem Glas Wasser an einem Gartentisch besprechen, das ist nicht Söders Liga.

Merkel und Söder in einem Boot

Und das Foto mit See und Bergen im Hintergrund für die Presse gab es auch Foto: Peter Kneffel/dpa

So bietet Söder schließlich alles auf, was Bayern zu bieten hat –die perfekte Inszenierung des neuen Traumpaars der deutschen Politik. Wetter, Kulisse, Protagonisten – alles passt. Söder und Merkel, das sind schließlich die beiden Politiker des Landes, denen das Volk allen Umfragen zufolge in der Corona-Krise am meisten vertraut, am meisten zutraut. Und ausgerechnet Söder, einst einer der schärfsten und ungnädigsten Merkel-Kritiker der Union, steht in Corona-Zeiten so unverbrüchlich an der Seite der Kanzlerin wie sonst keiner. Befragt, wer denn die Kanzlerin im nächsten Jahr am besten beerben solle, antwortet das Umfragevolk letztens nur noch: Söder. Die Kandidaten für den Unionsvorsitz – weit abgeschlagen.

Von einem „einmaligen Ereignis“ spricht Staatskanzleichef Florian Herrmann. Und Söders Vize Hubert Aiwanger von den Freien Wählern wird gefragt, ob das alles nicht etwas arg viel Inszenierung sei. Er lacht nur und sagt: „Ich versuche, nicht ganz vorne dabei zu sein.“ Wer Aiwanger kennt, kann in der Aussage eigentlich nur Selbstironie vermuten. Auch er sei jedenfalls nach wie vor der Meinung, dass Söder der beste Kanzlerkandidat sei.

„Schon was Besonderes“

Nach den Recherchen der Staatskanzlei sei es das erste Mal, dass eine Kanzlerin oder ein Kanzler eine Ministerratssitzung in Bayern besuche, sagt Söder noch an der Schiffablegestelle in Prien am Chiemsee, aber auch später auf der Insel, als er mit Merkel auf der Schlosswiese vor die Presse tritt. Das sei „schon was ganz Besonderes“. Von einem „Signal eines neuen Miteinanders“ spricht er. Offiziell geht es um einen Austausch über die EU-Ratspräsidentschaft, die Merkel gerade angetreten hat.

Inoffiziell geht es um das, was auch zwei ältere Herren auf ein Schild geschrieben haben, das sie in Prien in die Höhe halten: „Markus Söder – Kanzlerkanditat?“ steht darauf – mit „tat“ wie „tatkräftig“. Und natürlich gleich auch die Antwort: „Ja.“ Söder schaut kurz bei den Fans vorbei, bedankt sich, hält aber Abstand. Nicht nur wegen des Infektionsrisikos.

Mit Schildern habe er immer schlechte Erfahrungen gemacht, sagt er. Eine Anspielung auf einen Besuch bei der JU-Landesversammlung im November 2017. Damals hatte Söder mit dem Parteinachwuchs posiert, der viele „MP Söder“-Schilder in die Kameras hielt, sprich: Söder solle Horst Seehofer als Ministerpräsident ablösen. Nicht jeder fand den Auftritt damals gut. Aber: Geklappt hat es ja am Ende.

Bevor er auf das Schiff steigt, erinnert Söder – quasi als Rechtfertigung für die pompöse Kulisse – noch daran, dass die Insel Herrenchiemsee ja auch „ein Ort der Demokratie“ sei, schließlich hat hier der Verfassungskonvent getagt. 1948 war das, im Alten Schloss, einem ehemaligen Kloster. Als Kulisse für den heutigen Tag hat man dann aber doch lieber das von Monarch Ludwig II. erbaute und Versailles nachempfundene „richtige“ Schloss gewählt. Macht halt einfach mehr her.

Dia Kanzlerin winkt und besteigt den Dampfer

Und dann kommt auch schon Merkel, winkt kurz den Schaulustigen und besteigt mit ihrem Gastgeber den 1926 vom Stapel gelaufenen ehemaligen Schaufelraddampfer „Ludwig Fessler“, der laut Wikipedia als schönstes Schiff der Flotte der Chiemseeschifffahrt gilt.

Zu Beginn der Sitzung im Märchenschloss erzählt Merkel den Ministerinnen und Ministern dann, dass sie schon zum zweiten Mal hier sei. Das erste Mal sei sie im Alter von sieben Jahren hierhergekommen – mit ihrer Familie. Allerdings habe sie damals mit der Großmutter draußen in der Hitze warten müssen, während die Eltern das Schloss besichtigt hätten. Diesmal darf sie auch ins Schloss.

Am Schluss dann auf der Wiese vor dem Prunkschloss kommt sie noch einmal, die schon so oft gestellte Frage. Diesmal aber an die, die es wirklich wissen muss: „Frau Bundeskanzlerin, hat Markus Söder das Zeug zum Bundeskanzler?“ – „Ja“, antwortet Merkel, und Söder hebt erwartungsvoll die Augenbrauen. Dann stellt sich heraus, dass Merkel zunächst eine andere Frage des Reporters beantwortet. Zu der Frage nach Söders Kanzlereignung sagt sie ein wenig später – nichts.

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