Merkel bei der UN-Klimakonferenz: Kein Kohleausstieg in Sicht

Alle hoffen auf ein Signal aus Deutschland. Doch Merkel enttäuscht alle Erwartungen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird deutlicher.

Angela Merkel bläst die Backen auf und hebt die Hand. Emmanuel Macron steht im Hintergrund

Nicht viel mehr als heiße Luft verbreitete Angela Merkel auf der Klimakonferenz Foto: dpa

BONN taz | Bevor die Reden am Mittwochnachmittag begannen, hatte der Präsident der diesjährigen Klimakonferenz, der fidschianische Premier Frank Bainimarama, seine Kollegen noch ermahnt: Drei Minuten Redezeit habe jeder. Und es müsse in den entscheidenden letzten drei Tagen des Treffens substanzielle Fortschritte geben, mit denen man „zusammen schneller und weiter“ gehen könne. Dann trat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ans Mikrofon. Sie sprach 13 Minuten. Und ging weder weiter noch schneller als bisher geplant.

Darauf aber hatten viele auf der Konferenz gehofft. Eigentlich nur auf ein Wort: Kohleausstieg. Merkel nahm es nicht in den Mund. „Lassen Sie uns offen sprechen“, sagte die Kanzlerin. Konkrete Maßnahmen für die Klimaziele „sind auch in einem reichen Land wie Deutschland nicht einfach.“ Das Land stehe zu den Klimazielen von Paris und den Reduktionen, die für 2020 bis 2050 geplant seien. „Das spielt bei den Gesprächen zu einer Regierungsbildung eine entscheidende Rolle“, meinte Merkel. Und berichtete damit aus Berlin, was auf der Konferenz alle wissen: Auch am Kohleausstieg hängt die Entscheidung über Jamaika in Berlin. Das müsse man „vernünftig und verlässlich lösen“. Natürlich werde die Braunkohle bei der Erreichung der Klimaziele „einen wesentlichen Beitrag leisten müssen“. Aber „was genau, das müssen wir ganz präzise diskutieren“.

Merkel wiederholte die Warnungen vor den Folgen des Klimawandels, lobte grüne Politik als Wirtschaftsförderung und listete auf, wie viel Geld Deutschland für den internationalen Klimaschutz gibt. Und sie „begrüßte“ den Appell „America’s Pledge“, mit dem sich US-Staaten, Städte und Unternehmen verpflichtet haben, beim Klimaschutz dabeizubleiben. Was Merkel nicht erwähnte: Einer der Ini­tiatoren dieser „Pledge“ hatte sie direkt aufgefordert, den Kohleausstieg zu regeln: Michael Bloomberg, der ehemalige Bürgermeister von New York und UN-Sondergesandte zum Klima, hatte am Wochenende von Deutschland dafür ein festes Datum gefordert.

Der warme Applaus für Merkel und die Dankesreden für die deutsche Hilfe bei der UN-Konferenz in Bonn verdeckten nicht, dass der Druck auf Merkel wächst. Schon der nächste Redner, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, wurde deutlich konkreter. Er lud für Dezember zu einer Konferenz nach Paris ein, um die Finanzierung des Klimaschutzes voranzubringen. Und er kündigte an, Geld für den UN-Klimarat IPCC aufzutreiben, einen europäischen CO2-Preis von mindestens 30 Euro anzustreben und über Schutzzölle gegen Öko-Dumping nachzudenken. „Wir brauchen ein klares und festes Engagement“, rief Macron in den Saal. Allerdings hat er keine komplizierten Koalitionsverhandlungen vor sich.

Chance verpasst

Die Reaktionen auf Merkels Rede hießen: Chance verpasst. Gerade die deutschen Umweltverbände hatten den schnellen Kohleausstieg gefordert. „Die Bundeskanzlerin soll ihr eigenes Versprechen halten“, hatte vorher Michael Schäfer vom WWF gefordert, nämlich das 2020-Ziel zu erreichen. Auch von den anderen Verbänden wie Greenpeace, Nabu, Germanwatch oder DUH hatte es geheißen: „Ohne Kohleausstieg geht es nicht“.

Über die letzten Tage und Wochen haben die Kohlegegner in Bonn eine breite Front gegen die Kohle des Gastgeberlandes aufgebaut. Am Dienstag gab es für die „Klimakanzlerin“ das „Fossil des Tages“, mit dem die Umweltgruppen regelmäßig Länder an den Pranger stellen, die die Verhandlungen torpedieren. Dann forderten die Analysten der „Carbon Tracker“ ein Enddatum für die dreckige Energie. „Es gibt keinen anderen Weg zu den 2020-Zielen als einen Kohleausstieg“, sagte Bill Hare vom Thinktank Climate Analytics..

Eine globale Allianz von Umweltgruppen, Wissenschaft und Politik fordert von Deutschland einen Kohleausstieg

Ebenso wie Hare hat auch Jennifer Morgan oft die Bundesregierung in der Klimapolitik beraten. Jetzt ist die Chefin von Greenpeace International und sagt: „Merkel sollte das Leiden der Menschen in den verwundbaren Staaten anerkennen und klare Signale für einen kompletten Kohleausstieg bis 2030 setzen.“ Auch Hans Joachim Schellnhuber, Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und ebenfalls ein geschätzter Merkel-Berater, schlug am Vorabend vor, eine Jamaika-Koalition solle sich um die Modernisierung der deutschen Industrie kümmern. „Da passt die Kohle natürlich nicht dazu.“ Und im aktuellen „Klimaschutzindex“ der Umweltverbände landet Deutschland nur im Mittelfeld auf Platz 22, weil die Emissionen nicht zurückgehen. „Ein Kohleausstieg brächte Deutschland etwa zehn Ränge nach oben“, hieß es.

Immer mehr Staaten lassen die diplomatische Zurückhaltung fahren, wenn es um die deutsche Kohle geht. Die Präsidentin der Marshall-Inseln, Hilda Heine, forderte in Bonn das deutsche Kohle-Aus, das „ein Zeichen der Hoffnung für mein Land und alle verwundbaren Staaten wäre“. Auch aus Tuvalu gab es lautstarke Kritik.

Am peinlichsten für die Regierung Merkel aber wird eine Anti-Kohle-Koalition anderer Industriestaaten. Am Freitag werden Kanada und Großbritannien eine Allianz von Ländern präsentieren, die die Stromproduktion aus Kohle stoppen wollen. Dazu zählen Schweden, Italien, die Niederlande und wohl auch Frankreich. Die Gruppe erinnert nicht zufällig an die „High Ambition Coa­lition“ von Staaten, die das Paris-Abkommen vorantrieben und sicherten. Damals war die Bundesregierung bei den Klimaschützern. Jetzt steht Deutschland auf der anderen Seite.

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