Kommentar Klimarat gibt Klimaziele auf: Wir kneifen, wenn’s wehtut
Warum werden die Klimaziele wohl verfehlt werden? Wegen genau der mutlosen Politik, wie sie im Groko-Sondierungspapier steht.
E s hat seine eigene Ironie, dass in der letzten Woche zeitgleich zwei Klimaziele kassiert wurden: Der UN-Klimarat IPCC verbreitete seine Einschätzung, dass die Erderwärmung kaum noch bei 1,5 Grad zu stoppen ist. Und die Groko fand, minus 40 Prozent Klimaemissionen bis 2020 in Deutschland seien sowieso unrealistisch – ehe sie diesen Aufreger dann doch wieder aus dem Papier strich. Seht her, könnte man sagen, die besten Klimawissenschaftler der Welt tun auch nur, was Union und SPD für sich reklamieren: „Wir machen uns ehrlich.“
Aber das stimmt nicht. Denn die einen sind Wissenschaftler, die ihre Supercomputer mit Unmengen von Daten füttern. Und die anderen Politiker, die ihrer Klientel nicht zu viel zumuten wollen. Doch die Verbindung ist da: Wegen genau der Politik, die sich in der Groko wieder zeigt, stehen die IPCC-Wissenschaftler ratlos vor ihren Ergebnissen: Zu lange ist von allen Staaten nichts getan worden, zu viel Zeit verschwendet und zu viel Geld in Kohle und Öl versenkt worden, um das jetzt schnell zu ändern.
Zu mächtig sind die alten Strukturen und zu mutlos diejenigen, die sie schnell aufs Abstellgleis schieben müssten. Deutschland ist mit seiner Energiewende ein weltweites Vorbild, aber nur, was den Aufbau der Öko-Energien angeht. Bei den politisch und ökonomisch harten Entscheidungen kneifen wir wie alle anderen: Wirklich Energie sparen und dreckige Energien stilllegen, das tun wir nicht.
Das Sondierungspapier ist dafür das beste Beispiel. Der Klimawandel hat es nicht mal in die Präambel geschafft. Auch nicht in den Namen der Kommission, die über den Braunkohleausstieg verhandeln soll. Die Groko verspricht 65 Prozent Ökostrom für 2030, aber Datum und Fahrplan für das Kohle-Aus werden auf die lange Bank geschoben. Wieder: Hui bei den Erneuerbaren, mit denen sich gutes Geld verdienen lässt. Pfui bei den harten Entscheidungen. So macht man keine Energiewende. Und Klimaschutz schon gar nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!