Menstruieren und arbeiten: Schlechtes Vorbild
Als Regisseurin setzt unsere Autorin durch, sich wegen Menstruationsschmerzen krank melden zu können. Sie selbst tut es nicht. Warum?
D ieser Text sollte hier eigentlich nicht stehen. Ihr solltet diese Zeilen jetzt nicht lesen, denn ihre Existenz ist unfeministisch. Ich hätte sie nicht schreiben sollen. Denn ich menstruiere. Jetzt, gerade in diesem Moment läuft jede Menge Blut aus mir raus. Eigentlich ist das kein Problem: Es gibt Produkte, mit denen man das Blut auffangen kann. Die sind zwar überteuert, aber ganz praktisch. Mein Problem sind die Schmerzen, die Schwäche und die Müdigkeit. Übel ist mir auch.
Hätte ich die taz-Redaktion anrufen und sagen können: „Sorry, bin zu schwach heute, druckt was anderes?“ Ja. Ich bin mir sehr sicher, das hätte ich machen können. Mein Unterleib und ich menstruieren gemeinsam seit 1995. Statistisch gesehen kann das bis 2040 so weitergehen. Bei dem Gedanken zieht sich mir alles zusammen. Obwohl …? Das war wieder nur ein Krampf.
Dieser Text entsteht nicht an einem Schreibtisch. Sitzen ist heute unmöglich. Aber wer nicht aufstehen kann, kann immer noch im Bett arbeiten. Ob ich hinter dem letzten Satz stehe? Nein! Auf keinen Fall. Ich distanziere mich von meiner Aussage.
„Menstruationsfrei“, das ist eine feministische Forderung, hinter der ich zu hundert Prozent stehe. Sich wegen der Periode unkompliziert und ohne Scham krankmelden zu können ist etwas, das ich als Regisseurin unbedingt durchsetze. Zu jedem Probenstart mache ich unmissverständlich klar, dass sich bei mir niemand krank zur Probe schleppen muss und dass das selbstverständlich auch für Regelschmerzen gilt.
Krankmelden wegen Regelschmerzen
Einige können das besser annehmen als andere. Manchmal bekomme ich eine kurze Nachricht, in der so was steht wie „hab Mens, komm heut nicht“. Manchmal unsichere Anrufe mit langen Erklärungen, wo es genau wehtut und welche Mittel schon probiert wurden und der schnellen Versicherung, ich bräuchte nur ein Wort sagen, dann kämen sie doch zur Probe. Anekdotische Evidenz, aber meine Team-Statistik sagt: Menstruierende in ihren Zwanzigern sagen einfach kurz ab, die Telefonate führe ich mit Leuten um die dreißig. Die in meinem Alter und drüber halten meine Einstiegsworte für eine Falle und gehen davon aus, umgehend rausgeschmissen zu werden, wenn sie „wegen so was“ zu Hause bleiben würden. Ich selbst eingeschlossen – wie diese Kolumne beweist.
Ich weiß, ich bin ein beschissenes Vorbild, wenn ich anderen sage, sie sollen Menstruationsbeschwerden ernst nehmen – und ich dann selbst schwitzend mit schmerzverzerrtem Gesicht und grummelndem Bauch in der Probe sitze. Ich verstehe auch nicht, warum ich das mache. Vielleicht weil alles, was mit dem Thema zu tun hat, noch viel tabuisierter war, als ich damals in den 90ern damit angefangen habe: weil der Sportlehrer das immer für eine Ausrede hielt und die Gynäkologin meinte, wer nicht die Pille nimmt, sei selber schuld.
Vielleicht bin ich auch nur ein neoliberaler Agenda2010-Ich-AG-geprägter Millennial aus der Generation Praktikum, der immer zur Stelle sein will, weil er Burnout heimlich geil findet. Grundsätzlich ist es eh politisch peinlich, sich über die Vereinbarkeit von Zyklus und Beruf Gedanken zu machen: Man kann auch ohne Menstruationsschmerzen nicht zur Arbeit gehen. Oder? Keine Ahnung: Ich hab meine Tage. Ich bin schlecht gelaunt!
Ich sollte hier einfach mit Wärmflasche rumgammeln und Pickel ausdrücken. Aber schlechte Feministin, die ich bin, schicke ich jetzt diese Kolumne ab.
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