Menschenrechte in Saudi-Arabien: Haftstrafe für Frauenaktivistin
Ein Gericht für Terrorismusdelikte verurteilt Ludschain al-Hathlul zu fast sechs Jahren Haft. Auch die Bundesregierung kritisiert die Verurteilung.
Al-Hathlul habe eine „ausländische Agenda innerhalb des Königreichs mit dem Internet umsetzen“ und die öffentliche Ordnung stören wollen, hieß es laut einem Bericht der Nachrichtenseite Sabq in dem am Montag verkündeten Urteil. Sie habe das Herrschaftssystem des autoritär regierten Staates kippen wollen. Al-Hathlul wurde von einem speziellen Gericht für Terrorismusdelikte verurteilt, nachdem ein Strafgericht den Fall dorthin verwiesen hatte. Das Urteil ist 30 Tage lang anfechtbar.
Eine weitere saudische Frauenrechtlerin, Maja'a al-Sahrani, wurde nach örtlichen Medienberichten vom Montag wegen ähnlicher Vorwürfe vom Spezialisierten Strafgericht zur selben Strafe verurteilt. Der Gerichtshof befasst sich mit Terrorfällen. Auch Al-Sahrani kann binnen 30 Tagen Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.
Nach Aussagen des Richters hat Al-Hathlul die Straftaten gestanden. Ihre Geständnisse habe sie freiwillig und ohne äußeren Zwang gemacht. Ihre Familie hatte dagegen erklärt, dass Ludschain gefoltert worden sei, unter anderem durch simuliertes Ertränken („Waterboarding“), Auspeitschen und mit Elektroschocks. Al-Hathlul war zweimal in Hungerstreik gegangen, um gegen die Bedingungen ihrer Haft zu protestieren. Die Vorwürfe der Folter hatte das Gericht vergangene Woche zurückgewiesen.
Übermäßige Härte
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, kritisierte die Verurteilung. „Ihr Fall ist einer von vielen, der zeigt, dass die saudischen Behörden mit übermäßiger Härte gegen Menschen- und Bürgerrechtsaktivisten vorgehen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass eine Menschenrechtsaktivistin unter Anti-Terrorismusgesetzen verurteilt wird“, sagte Kofler. Es sei kein strafwürdiges Verhalten bei Frau Al-Hathlul zu erkennen gewesen. „Im Gegenteil: Sie hat sich mit großem Mut für mehr Selbstbestimmung und Rechte für saudische Frauen stark gemacht.“
Das UN-Menschenrechtsbüro sprach von einem „zutiefst beunruhigenden“ Urteil. Al-Hathlul sei zweieinhalb Jahre willkürlich festgehalten worden. Das Büro unterstütze eine vorzeitige Freilassung im Rahmen der Bewährungsstrafe nachdrücklich als „dringliche Angelegenheit“, schrieb das Büro mit Sitz in Genf bei Twitter.
Al-Hathluls Schwester kritisierte das Urteil scharf. „Ludschain und meine Eltern (die als ihre Anwälte auftreten) wurde kaum Zeit zur Vorbereitung gegeben, deshalb kann dieser Prozess kaum als fair verstanden werden.“
Ludschain sei „keine Terroristin, sondern eine Aktivistin“. Die Verurteilung für Reformen, die Kronprinz Mohammed bin Salman und das Königreich selbst propagierten, sei „ultimative Heuchelei“. Die Familie sei „erschüttert“, dass Ludschain auch nur einen weiteren Tag im Gefängnis verbringen müsse.
Höchststrafe gefordert
Al-Hathlul zählt zu den international bekanntesten Aktivisten in der in der streng islamischen Monarchie Saudi-Arabien und wurde vor allem durch die Kampagne für ein Ende des Autofahrverbots für Frauen bekannt. Sie wurde im Mai 2018 festgenommen – kurz bevor das Fahrverbot aufgehoben wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte die Höchststrafe von 20 Jahren Haft gefordert.
Die Zeit der Bewährung wird aufgehoben, wenn Al-Hathlul in den kommenden drei Jahren eine Straftat begeht. „Sie könnte für jede als illegal wahrgenommene Handlung festgenommen werden“, teilten ihre Unterstützer mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett