Mehr Zeit für Kinder: Die SPD-Alternative zur Herdprämie
Eltern sollen weniger arbeiten und dafür einen Gehaltszuschuss bekommen. Eine DIW-Studie prognostiziert mäßigen Erfolg.
BERLIN taz | Die SPD will der Union eine Antwort auf das vielgeschmähte Betreuungsgeld geben. Im Rahmen einer „Familienarbeitszeit“ soll das Gehalt aufgebessert werden, wenn beide Eltern wegen der Kinder ihren Job auf 80 Prozent reduzieren. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat nun im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung ermittelt, was die Familienarbeitszeit bewirken würde.
Der Charme der neuen Familienleistung liegt darin, dass die unbezahlte Arbeit des Kinderaufziehens honoriert wird, aber die negativen Folgen des Betreuungsgeldes vermieden werden sollen. Frauen werden nicht an den Herd beordert, sondern arbeiten auf einer 80-Prozent-Stelle. Männer müssen ihre Arbeitszeit ebenfalls reduzieren: Damit kann die Kinderpflege, etwa das Betreuen nach der Kita, egalitärer aufgeteilt werden.
Aber geht das Konzept auch auf? Und wie teuer würde es? Das fragten sich die DIW-ForscherInnen um die Arbeitsmarktexpertin Katharina Wrohlich. Die SPD plant, dass der Zuschuss sinkt, je höher das Einkommen der Eltern ist. Ärmere Familien bekämen den kompletten Lohnausfall ersetzt, reiche Familien nur einen Teil der fehlenden 20 Prozent. Im Durchschnitt läge der Zuschuss bei 180 Euro.
Der Anreiz, dieses Modell zu wählen, bliebe allerdings zunächst moderat, so die Prognose der AutorInnen: Bisher teilen sich nur ein Prozent aller Eltern die Arbeit so auf, wie die SPD es wünscht. Mit dem neuen Instrument wären es 1,4 Prozent. Entsprechend gering wären die Kosten: 60 Millionen Euro pro Jahr veranschlagen die ForscherInnen.
Viele Paare wünschen eine gerechtere Aufteilung
Die geringe Wirkung hängt Wrohlich zufolge damit zusammen, dass vor allem Gutverdiener kaum Anreize haben, auf das Modell umzusteigen. Mit einem Lohnersatz nach dem Vorbild des Elterngeldes, von dem auch Gutverdiener stark profitieren würden, würden sich mehr Eltern die Familienarbeit gleich aufteilen. „Die vermuteten Chefs in dieser Gruppe könnten als Vorbilder dienen und so den Wandel vorantreiben“, meint Wrohlich.
Die Prognose sei aber ohnehin mit Vorbehalt zu betrachten, da sich Rollennormen ändern können. Das Modell zeige deshalb nur eine "Untergrenze", heißt es im Papier. „Wir wissen, dass sich viele Paare eine egalitäre Aufteilung der Familienarbeit wünschen. Sie werden also nicht nur auf die von uns berücksichtigten Einkommens- und Freizeitvorteile reagieren, sondern dieses Modell wählen, weil es diese Möglichkeit gibt und sie es wollen.“
Dazu käme, so Wrohlich, dass die SPD einige Anreize für Mütter, längere Zeit zu Hause zu bleiben wie etwa das Ehegattensplitting abschaffen wolle: „Je mehr Bausteine dazu kommen, desto besser wird dieses Modell wirken“, meint die Forscherin.
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