Kommentar Elterngeld im Gefängnis: Kinder haften nicht für ihre Eltern

Kein Elterngeld im Gefängnis – so hat es das Bundessozialgericht entschieden. Hinter diesem Richterspruch steckt Ideologie.

Mama im Knast, Kinder schauen in die Röhre. Bild: dpa

Hat das Bundessozialgericht unmenschlich entschieden, als es mit seinem Urteil vom Mittwoch Müttern (oder Vätern), die gemeinsam mit ihren Kindern im Gefängnis sitzen, das Elterngeld verweigerte? Eltern also, die auf das Geld angewiesen sind, weil sie nicht selbst über ihre Einkommenssituation bestimmen können?

Nun, mit dem Elterngeld ist es so eine Sache. Wer weiß das besser als andere Menschen mit wenig Geld, beispielsweise Hartz-IV-Empfängerinnen: Das Elterngeld ist eine sogenannte Lohnersatzleistung und soll Eltern finanziell entschädigen, die in den ersten Monaten nach der Geburt ihres Kindes ihre Erwerbsarbeit für die Betreuung des Nachwuchses ruhen lassen.

Deshalb richtet sich die Höhe des Elterngeldes auch nach der Höhe des letzten Einkommens. Hartz-IV-EmpfängerInnen bekommen zwar auch Elterngeld, aber es wird vollständig auf das Sozialgeld angerechnet - die Betroffenen haben also nichts davon.

Dieser Logik folgte nun auch das Bundessozialgericht. Der Unterhalt der Mutter sei "vom Justizvollzug gedeckt" gewesen, so die Argumentation: Alles was die Mutter zum Leben braucht, bekommt sie im Gefängnis. Für das Kind erhält sie Geld vom Jugendamt. Dagegen ist nichts einzuwenden - rein sachlich betrachtet.

Zutiefst neoliberal

Eine Lohnersatzleistung ist eine Lohnersatzleistung, wer vor der Elternzeit nicht gearbeitet hat, hat eben auch keinen Anspruch auf mehr Geld. Und wer im Gefängnis alimentiert wird, darf nicht noch mehr bekommen.

Allerdings: Eine solche Haltung ist zutiefst neoliberal und lässt außer Acht, dass zumindest viele Hartz-IV-EmpfängerInnen nicht freiwillig auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, dass nicht in jedem Fall sie selbst "schuld" sind an ihrer Bedürftigkeit, sondern die Umstände. Aber ist man wiederum nicht selbst "schuld", wenn man im Gefändnis sitzt? Man muss schon einiges dafür tun, um hinter Gittern zu landen.

Richtig. Aber dafür kann das Kind ja nichts. Bislang haften Eltern für ihre Kinder. Und nicht umgekehrt.

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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